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Ein Erdteil ist befreit

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Schicksalswende (The hing of the fate), Band IV, zweiter Teil der Erinnerungen von Win- ston Churchill. Alfred-Scherz-Verlag. 585 Seiten

Die Schicksalswende war eingetreten. Nach dem Tiefpunkt der alliierten Niederlagen in Südostasien und Nordafrika war eine lange Reihe glänzender Siege erfochten worden: El Alamein — die Landung in Marokko — die Kapitulation in Tunis: die Achsentruppen waren aus Afrika vertrieben. Im Osten hatte die Armee Paulus bei Stalingrad kapituliert, die deutsche Flut in Rußland begann abzuebben. Diesen Zeitraum zwischen dem Tiefstand vom Frühsommer 1942 bis zum Sommer 1943 umfaßt der vorliegende Band. Churchill kann nun von der Organisierung des Widerstandes zur Organisierung des Sieges übergehen. Wieder setzt der britische Premierminister 6eine ganze leidenschaftliche Kraft, seine Geistesschärfe, seine Gaben der Improvisation, der Menschenkenntnis und Menschenbehandlung ein — diesmal zu geändertem Ziele. Mussolini und Hitler werden in diesem Buche kaum mehr erwähnt. Es geht nur mehr um die Zertrümmerung ihrer Kriegsmaschine, die deutliche Zeichen der Überbelastung und Ermattung zeigt. Um so mühsamer wird nun die Koordinierung der Anstrengungen der Allierten: in einem

Koalitionskrieg wachsen die verschiedenen Schwierigkeiten nicht selten mit dem Fortschreiten zum Erfolg. Die hohe persönliche Verehrung, die Churchill dem amerikanischen Präsidenten entgegenbringt, die weitgehenden Gemeinsamkeiten, die die beiden angelsächsischen Nationen verbinden, können es nicht verhindern, daß 6ich bei der Ausführung des Gesamtplanes Meinungsverschiedenheiten ergeben. Dies hatte sich schon im April 1942 gezeigt, als der Präsident die „zweite Front" in Europa — nach der Rußland rief — 6chon in diesem Jahr errichtet 6ehen wollte. Churchill sah aber aus der größeren Blicknähe, daß dieses Unternehmen, das nicht mißlingen darf, jetzt noch ein Fehlschlag wäre, und wußte Rooselvelt zu überzeugen. Auch bezüglich de Gaulles, den Churchill trotz vieler Mißhelligkeiten als den gegebenen Führer des „Freien Frankreichs’ ansah, sind Churchill und Roosevelt häufig verschiedener Meinung. Diese Verschiedenheiten, die nie zu Spannungen wurden, stellten aber Churchills Verhandlungsgabe und Loyalität nie unter so starke Belastung als die Verhandlungen mit der Sowjetunion. Hier weht ein schärferer Wind. Dem straff organisierten, kontinental orientierten Sowjetstaat konnten die Schwierigkeiten des Aufbaues von Millionenheeren aus dem Nichts, die Problematik ozeanischer

Riesentransporte um so schwerer nähergebracht werden, als Rußland als einziger der drei großen Verbündeten den Feind mitten im eigenen Lande stehen hatte. Auch hier ließen sich — wenigstens im rein militärischen Bereich — vermittelnde Lösungen finden. Churchill überschreibt das zweite Kapitel, das er seinen Moskauer Verhandlungen widmet, bezeichnenderweise: „Ausbau einer persönlichen Beziehung." Es fehlt nicht an sympathischen Zügen. Bei einem Diner im Kreml kam die Sprache auf die seinerzeitige britische Intervention in Archangelsk. Churchill erwiderte: „Ich habe die Intervention sehr aktiv betrieben und ich möchte nicht, daß Sie etwas anderes glauben." Stalin lächelte liebenswürdig, fährt Churchill in seinem Bericht fort, weshalb ich sagte: „Haben Sie mir verziehen?" Stalin erwiderte durch den Dolmetsch: „Das alles ist Vergangenheit und die Vergangenheit qehört Gott“ (Seite 97).

Nachhaltiger und für die Koalition belastender waren die Differenzen, die sich ergaben, als die Frage der We6tgrenzen Rußlands allmählich zur Sprache kamen. Es handelte sich um die Zukunft des Baltikums und die, Spannungen zwischen der polnischen Exilregierung und dem Kreml, die von den Massakern in Katyn ihren Ausgang nahmen und zum Abbruch der Beziehungen zwischen diesen beiden Regierungen führten: deutliche Vorzeichen einer Entwicklung, die ihre volle politische Auswirkung erst nach Beendigung des Krieges fand. Sichtbar zeichnet sich bereits 1943 die Sorge um die Organisierung de6 Friedens ab.

Auch dieser Band ist mit all der Lebendigkeit und Brillanz geschrieben, die den Publizisten Churchill ebenbürtig neben den Staatsmann Churchill stellt. Carl Rauenthal

Krone und Herz. Ein Roman um Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg. Von Eduarcl P. D a n s z k y. I. Band. St.-Gabrie-l-Verlag, Mödling 1952. 342 Seiten.

Der Titel bekennt: Hier spricht nicht der Historiker, der Politiker oder der Chronist eines weltbewegenden Dramas; hier schmückt vielmehr der poetische Deuter und Nachschöpfer ein strenges Porträt mit eifrig gesammelten und phantasievoll nachempfundenen persönlichen Zügen aus — so wie sie hätten sein können. Die lebhafte Sprache des Unterhal- tungsromans wagt auch Gespräche und Briefe,

wie sie hätten gesprochen und geschrieben werden können, und mag darin bei noch lebenden Zeugen auf grundsätzlichen Widerspruch stoßen. Anzuerkennen sind trotzdem der Takt und die Pietät, mit dem der Autor im ganzen an den heiklen Stoff und die tragenden Getalten herantritt, und der Fleiß, mit dem aus schwer zugänglichen, verstreuten Dokumenten Charakteristiken, Begebnisse und wertvolles Photomaterial gesammelt wurden. Ein abschließendes Urteil muß dem zweiten Band Vorbehalten bleiben.

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