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Religiöse und Schul-Feiern

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Fürs erste soll hier auf keinen Fall irgendein besonderer Zwang ausgeübt werden und der Initiative in Stadt und Land reicher Raum gegeben werden. Dennoch könnte als Empfehlung eine gewisse Gliederung der festlichen Ereignisse zum Nationalfeiertag hinausgehen. Der Abend des Vortages möge der reiferen Jugend gehören, die mit Fackelzügen und Bergfeuern den Tag einleiten könnte. Der Nationalfeiertag selbst soll mit festlichen Gottesdiensten beginnen, und die Kirchen sind gebeten, uns ganz besonders darin zu helfen, daß im ehrfürchtigen Gedenken an die Opfer für Österreich hier endlich eine längst fällige Pflicht der Dankbarkeit der ganzen Bevölkerung bewußt werden darf. An die religiösen Feiern mögen such die Schulfeiern anschließen, auf die keinesfalls verzichtet werden darf.

Jedoch ist ein Unterricht an diesem Tage abzulehnen. Die manchmal geübte Gepflogenheit zwei bis drei Stunden Unterricht anzusetzen und dann anschließend eine Schulfeier zu inszenieren, kommt bei der Jugend nicht gut an und entspricht wohl auch nicht ■ dem festlichen Charakter des Tages. Diese Schulfeiern können ganz individuell gestaltet werden und sollen jedes Jahr ein anderes Gesicht erhalten, vor allem in die drängenden Forderungen der Zeit hineingestellt sein. Das Anerbieten unserer Künstler, sich kostenlos den Schulen zur Rezitation und musischen Umrahmimg zur Verfügung zu stellen, sollte ausgenützt werden. Auch hier muß jedoch wie bei den Gottesdiensten Kürze das oberste Gebot sein, d. h. sowohl für den Gottesdienst als für die Schulfeier sollte möglichst nicht mehr als eine Stunde verwendet werden.

Der Staatsakt

Den Kindern und Jugendlichen wäre es so möglich, in der großen Masse noch rechtzeitig nach Hause zu kommen, um dann im Schöße der Familie den feierlichen Staatsakt der Bundesregierung am Fernsehschirm mitzuerleben. Dieser Staatsakt müßte von kundiger Hand ebenfalls sehr gerafft und im Hinblick auf die Massenmedien gestaltet werden, um für die ganze Bevölkerung einen optimalen Grad der Wirksamkeit zu erhalten. Er muß selbstverständlich aus einem Akt der Dankbarkeit gegenüber den Opfern für Österreich und einer Feier im Parlament bestehen. Es wäre aber denkbar, an diesem Tage nicht die Damen und Herren der Abgeordneten zur Bundesversammlung, sondern im Parkett und auf den Galerien nach bestimmten Grundsätzen aus allen Berufen und Bundesländern ausgewählte Vertreter der Bevölkerung zur Mitfeier einzuladen. Diese müßten an diesem Tag als Gäste der Bundesregierung betrachtet werden, und es unterliegt wähl keinem Zweifel, daß für die rund 1000 Staatsbürger, die an diesem Tag einer solchen Ehre teilhaft würden, dies ein Erlebnis für ihre ganze Lebenszeit sein könnte.

Der Nachmittag und Abend des Tages müßte den regionalen Feiern zur Verfügung gestellt sein, die in ernster und heiterer Weise dem lokalen Charakter und den Möglichkeiten in den Orten entsprechend zu einem wirklichen Fest der Bevölkerung werden könnten.

Im Radio und Fernsehen

Entscheidend wird jedoch für die geistige Ausrichtung der Nation die Gestaltung des Tages im Hörfunk und Fernsehen werden, wobei man den Hörfunk vor allem für das Ausland noch immer sehr große Bedeutung beimessen muß. Es dürfte am Abend nur mehr ausschnittweise innerhalb der aktuellen Berichte der Staatsakt wiederholt werden, dm übrigen aber durch eigene Programme der Tag die entscheidende Würdigung finden. Selbstverständlich muß es unser aller Bestreben sein, unsere Bemühungen in der Richtung fortzusetzen, daß an diesem Tag wirklich überall dort die rotweiß rote Fahne gehißt wird, wo eine solche Möglichkeit vorhanden ist Ergeben sich insbesondere in Miethäusern der großen Städte gewisse finanzielle und technische Schwierigkeiten, so darf man wohl hoffen, daß auch diese bei der richtigen Gesinnung der Freude über unser Vaterland Österreich über kurz oder lang bewältigt werden könnten.

Ebenso bleibt die Arbeitsruhe an diesem Tag ein Ziel, das sicher erreicht werden wird, auch wenn es im Augenblick nicht sofort verwirklicht werden kann. Das wichtigste Anliegen in allen Bemühungen um diesen Tag aber muß sein, dem Volk und insbesondere der Jugend nicht nur das Glück eines freien und friedlichen Österreichs in einer sozial gesicherten Wohlstandsatmosphäre bewußt zu machen, sondern uns die großen Aufgaben vor Augen zu stellen, die gerade ein neutraler Staat sich selbst setzen muß. Gegenüber so manchem gefährlichem Wort von der Geschichtslosigkeit neutraler Staaten gegenüber dem Vorwurf, sich aus der geschichtlichen Verantwortung zu drücken und abseits des Weltgeschehens ein bequemes Dasein zu genießen, muß immer wieder überzeugend festgehalten und vorgelebt werden, daß gerade der Friede in Freiheit und Menschenwürde ein tapferes Herz von jedermann verlangt, daß die Demokratie, soll sie funktionieren, mehr Mut den einzelnen abverlangt als die Diktatur, und daß die gewaltigen Aufgaben des Friedens von uns immer wieder den ganzen Einsatz verlangen, der unter Umständen sogar das Opfer des Lebens mit einschließt.

Ein Beispiel des Friedens

Es ist also nicht so, daß unsere idealen jungen Leute kein Feld für eine ihnen erstrebenswerte Betätigimg erhalten könnten. Bergrettung und Rotes Kreuz, Freiwillige Feuerwehr und gefährliche Forschungsarbeit, die vielfältigen Gefahren des beruflichen Einsatzes, das einfache Helfenwollen und Helfenkönnen gegenüber dem gefährdeten Nachbarn, der Einsatz von Kontingenten im Dienst der UNO, dies alles sind Möglichkeiten, wo jedermann auch im Frieden, hier aber freiwillig und bewußt, seinen Einsatz leisten kann, der jeder Leistung im Krieg nicht nur gleichwertig, sondern überlegen ist Die uns selbst gesetzte Aufgabe, über die völkerrechtliche Einhaltung der Neutralität hinaus im inneren und nach außen ein Beispiet des Friedens zu geben, ist eine Aufgabe, die uns allen viele Kräfte abverlangen wird und die wir kaum jemals in Vollendung erreichen werden.

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