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Backhaus, Oistrach, Orchesternovität

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Einen Abend voll erlesener Musizierkultur bescherten Wilhelm Backhaus, David Oistrach — als Dirigent — und die Wiener Symphoniker mit den Wiedergaben von Brahms’ 2. Klavierkonzert und seiner „Vierten" im Musikverein: Schon lange hat man Brahms eminent schwieriges, klangprächtiges Konzert nicht mehr so lichtdurchflutet, romantisch versponnen und in den Kontrastteilen so voll trotzigem Aufbäumen und leidenschaftlichem Brennen gehört. Was um so mehr staunen ließ, als Backhaus das. Feuer eigentlich stets durch weise Zurückhaltung einzudämmen, zu lokalisieren trachtete. Oistrach zeichnete die ausladenden symphonischen Formenkomplexe der vier Sätze mit klaren, plastischen Konturen, nahm manche Steigerungen ein bißchen breit und mit nobler Zurückhaltung, erzielte damit aber um so stärkere Expression. Hier, wie in der kompakten, von „Schlinggewächsen geistreicher Detailkombination“ - verflochteten „Vierten“ (op. 98) folgten die Symphoniker in Hochform. Voll ausschwingende, herbstlich satte Klangfülle, kunstvoll gesteigerter Ausdruck, Präzision waren ihre Atouts.

Der Doyen der deutschen Pianisten, Wilhelm Backhaus, spielte im Musikverein Sonaten von Beethoven (op. 53, 81 a, 109) und Mozart (Es- Dur, G-Dur) und das a-Moll-Rondo des letzteren. Seine Interpretationen, stets formal ausgewogen, nobel proportioniert, in Dynamik, Agogik, den klanglichen Dimensionen von einem erstaunlichen Zug zur „Objektivität“ geprägt, tragen längst einen Hauch des Zeitlosen. Sein unvermindert frisch leuchtender, sauber konturierender Anschlag erfüllt den Hörer bereits nach ein paar Takten mit Spannung, zaubert Atmosphäre in den Saal. Wieviel Licht und Schönheit atmete etwa Backhaus’ Wiedergabe von Mozarts G-Dur- Sonate, wieviel von Besinnlichkeit und Melancholie überschatteten Impetus das Rondo (KV. 511). Ein Abend der Reife, perfekter Ästhetik.

K. H. R.

Das „Deutsche Requiem" und, vorausgehend, die 3. Symphonie standen auf dem Programm des dritten Konzerts im Brahms-Zyklus, ausgeführt von den Symphonikern und dem Singverein, mit Wilma Lipp und Hermann Prey als Solisten. Sein spezielles Profil empfing das Konzert vom Dirigenten David Oistrach. Das Gefühl seiner geistigen Verbundenheit mit allen Ausführenden und dieser mit ihm teilte sich den Zuhörern höchst intensiv mit und erzeugte eine Atmosphäre herzlicher Unmittelbarkeit, die kleine technische Mängel der Ausführung, so unüberhörbar sie waren, ohne Wimperzucken in Kauf nahm. Man wurde sich bewußt, daß hier, abseits von kalter Perfektion, der Mensch um so tiefer zu Wort kam. Das Mitschwingen des Persönlichen, die klare Textgestaltung und Wortverständlichkeit gaben der Wiedergabe eben jene Note von Trauer und Trost, die Brahms vorgeschwebt haben mag. Ebenso herzlich war — nach einer Schweigeminute — der Dank des Publikums, der dem Dirigenten wie allen Ausführenden galt. Die vor der Pause musizierte 3. Symphonie stand a priori im Schatten des Requiems; unverdient, denn auch sie hatte, wenn auch nicht in gleicher Fülle, die Wärme unmittelbaren Erlebens.

Franz Krieg

Von den Ur- und Erstaufführungen, die der österreichische Rundfunk in seinem Festwochenkonzert „österreichische Orchestermusik der Gegenwart“ im Sendesaal präsentierte, imponierte besonders Marcel Rubins 5. Symphonie (1964 65). Es ist ein espritgeladenes Werk voll Impetus, ein in seiner brillanten Spiellaune, den stellenweise kühnen polytonalen Linienverflechtungen, den virtuosen Rhythmenkombinationen konzentriert, höchst effektvoll gearbeitetes Stück. Es hält stets Rubins Ausbildung bei Franz Schmidt und Darius Milhaud vor Augen, seine Inspiration durch den französischen Geist. Die vier mit intensiven Stimmungsbildern aufgeladenen Sätze — Sonata, Serenata, Notturno, Rondo — demonstrieren, daß man auch nach der Mitte des

20. Jahrhunderts noch Symphonien schreiben kann, wenn man, wie Rubin, eine so persönliche Form mit derart profilierter Handschrift zu gestalten vermag. — Überdies hörte man Karl Franz Müllers „Sinfonia concertante“ (Nr. 1), für Solovioline, Streichquartett und Orchester, mit den Sätzen Introduction, Concertante, Conclusion: Diese Huldigung an Mozart, aus dessen Haffner- Symphonie Müller eine Stelle zitiert, mutet recht bescheiden, wenig inspiriert, phantasiearm an. Formen, melodisches Material, harmonische Wendungen erscheinen uns nicht sehr originell, eher abgegriffen. Alfred Uhls „Concerto a ballo per l’orchestra“, für die Welttournee der Symphoniker 1967 geschrieben, ist eine von eleganten, prickelnden Tanzrhythmen bestimmte Piece, dem barocken Concerto verpflichtet. Theodor Bergers 1933 komponiertes Ron- dino giocoso (op. 6) gefiel durch feinen Humor, Spielfreude. — Das Orchester von Radio Wien unter Karl Österreicher und die Solisten musizierten mit Engagement.

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