6687066-1962_21_04.jpg
Digital In Arbeit

AUGUSTIN BEA / DER KARDINAL MIT DEM WANDERSTAB

Werbung
Werbung
Werbung

Unauffällig und leicht wie immer suchte das Auto des Paters Bea die Gemarkung der Vatikanstadt in Richtung Rom zu passieren. Der alte Herr mit dem gütig-runzligen Gesicht zog unwillig die Brauen zusammen, als einer der Wachgardisten an den Schlag trat und ihn bat, zu halten. Was sollte ei denn wieder sein? Wußte man nicht, daß der Pater immer viel und immei vielerlei zu tun hatte, auch jetzt, de sein ältestes Beichtkind, Eugenia Pacelli, schon seit mehr als einem ]ahre als Pius XII. die Augen geschlossen hatte? Die Arbeit war deshalb nicht geringer geworden. Seit zehn Jahren war er zwar nicht mehr Rektor des päpstlichen Bibelinstitutes, aber nach wie vor einer seiner wichtigsten Konsultoren. Gäbe es die Dienstbezeichnung des „Minutanten“ nicht schon: für ihn, den deutschen Jesuitenpater, und für manche seiner Ordensbrüder hätte man sie in den Tagen Pius' XII. erfinden müssen.

Minutant, das ist einer, der auf einen Wink zur Verfügung steht, der immer da ist, wenn ihn der Papst benötigt, der hingeht, wo man ihn hinschickt, der eine Aufgabe übernimmt, ohne zu widersprechen, der Jesuit, wie ihn der spanische Offizier Ignatius einmal für bestimmte Aufgaben erträumt hat.

Aber zurück zum Auto des Paters an der vatikanischen Pforte. Der Gardist tat steh mit der Anrede etwas schwer:

„Man möge... hm... zurückkommen, der Heilige Vater...“

„Nun, was?“

„Der Heilige Vater habe... die Eminenz zum Kardinal kreiert.“

Niemand weiß, was in dieser Stunde im Herzen des damals 77lährigen Priesters aus dem badischen Schwarzwald vorgegangen sein mag. Vielleicht dachte er an Abraham, den Erzvater des Glaubens, der schon mehr als siebzig war, als ihn der Ruf des Herrn erreichte, „daß er herausgehen solle aus seiner Verwandtschaft“ und in ein Land, das ihm gezeigt werden sollte. War nicht das Leben des Augustin Bea längst bis zum Rande erfüllt, und in seiner ruhig ausklingenden Abendphase? Die Jahre des Noviziats in Holland — als die Jesuiten aus Deutschland vertrieben waren —, die Priesterweihe Anno 1912 zm Innsbruck, die drei Jahre als Provlnzial der neu gegründeten deutschen Ordensprovinz (Inflation und Bürgerkrieg fielen in diese Zeit). Die beginnende Freundschaft mit dem Nuntius Pacelli, der Ruf nach Rom. die Professur an der Gregoriana, die große Arbeit am Bibelinstitut, die lateinische Neuformung des Psalters, die unter seiner Oberleitung besorgt wurde, das neue Verständnis der Exegese und Bibelarbeit... die Seelsorge in der päpstlichen „Familie“...

Und fetzt mit einem Male: ein neuer Papst, ein neuer Ruf? Vielleicht dachte er einen Augenblick nicht nur an Abraham, der wortlos folgte, sondern auch an Elias, der müde um Schonung bat. Aber sehr bald erfuhr er, was das neue Land für Ihn heißen sollte. Der Papst übertrug diesem Deutschen, seit langen Jahren wieder dem ersten Angehörigen dieses Volkes an der Kurie, eine der größten und schwersten Aufgaben für das kommende Konzil: das Gespräch mit den gerennten christlichen Brüdern, besonders mit den evangelischen. Das kkretariat für die christliche Ein-teit wurde ihm unterstellt. Von illem Anfang an war er sich klar iarüber, daß es hier nicht nur geruhsame Schreibtischarbeit geben verde. Der hochgewachsene, leicht 'ornübergeneigte, sehnige Greis «achte sich, als ein Sohn des heiigen Petrus Canisius, sogleich auf iie Wanderschaft. Er zog über die Mpen und sprach. Sprach mit landesbischöfen und Pastoren, mit Ordensmännern und Laien, sprach hei kleinen Konferenzen und in iroßen Sälen. Er sprach in der harten Zwinglistadt Zürich — zum erstenmal seit der Renaissance '.in römischer Purpur in diesen Mauern —, ja sogar in Ost-Berlin, ler zweifachen Diaspora. Und nun spricht er auch an der Wiener Universität, in der Stadt, die den Petrus Zanisius als zweiten Diözesanpatron /erehrt. Was er hier sucht und will, 'st aber nicht die Bekehrungsmission ler Gegenreformation, nicht das iitzige Streitgespräch. Es ist die brüderliche Begegnung, ist das Zeug-tis der Kirche Johannes' XXIII., ler Kirche, die sich anschickt, ihre Jflle zu erleuchten, ihre Tore weit :u machen, nicht um den verlore-ten Sohn in Herrschergnade zu empfangen, sondern um den suchen-len „Bruder in Christo“ zu erken-len und zu umarmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung