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„Iwan Tarassenko”

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Franz Salmhofer, der bekannte Burgtheaterkomponist und gegenwärtige Direktor der Staatsoper, schrieb 1927 einen Einakter, der zehn Jahre- später unter dem Titel „Tärassenkö” in Wien urauf geführt wurde, aber bald wieder — aus politischen Gründen — vom Spielplan verschwinden mußte. In der - Zwischenzeit hat der Komponist, der auch sein eigener Textdichter, ist, das Werk um ein .. Vorspiel erweitert,. teilweise umgestaltet und stellt es nun als abendfüllende Oper im Theater an der Wien vor.

Die Handlung spielt in einem Kirchdorf des Gouvernements Poltawa zur Zeit eines Bauernaufstandes unter Alexander II. Militär liegt im Ort-, um drohende Unruhen zu ver- hindern. Die schöne Nadja wird am Vorabend ihrer Hochzeit von dem wüsten, ständig betrunkenen Unteroffizier verfolgt. Als dieser im Begriffe ist, sie zu vergewaltigen, wird er von Nadjas. Bräutigam, dem jungen Bauern Fedja, erschlagen.. Da Fedja von einem Peloton jüstifiziert werden soll, greift Tarassenko ein, Nadjas früherer Bewerber,-der sich aus Liebeskummer zu den Einsiedlern in den Wald zurückgezogen hatte. Er bezichtigt sich öffentlich des Mordes an. dem Unteroffizier, stürzt sich in den Degen eines Soldaten und wird — wie Hamlet, wie der junge Siegfried in der „Götterdämmerung” — unter Trauermarschmusik auf erhobenen Händen in den sich verdunkelnden Hintergrund getragen. Doch der gerettete Fedja kann das Opfer des unglücklichen Nebenbuhlers nicht annehmen und bekennt seine Schuld. Aber ein edler General, deus ex machina, verzeiht — vom Popen bewogen, der auch die empörten Bauern beschwichtigt hatte.

Die Handlung ist, wie man sieht, nicht viel weniger unwahrscheinlich als die vieler anderer älterer Opernwerke. Doch fiele” ein.

Vergleich mit .neueren, Werken dieser Gattung, etwa mit Janačeks „Jenufä”, nicht zugunsten des „Tarassenko”-Textes aus. Der Mangel liegt vor allem darin, daß sich der Autor zwischen den beiden stilistischen Möglichkeiten: realistisches oder romantischvolkstümliches Theater, nicht entscheiden konnte. So wechseln derb-naturalistische mit recht schablonenhaften Szenen im Stile der grand opera und der opera comique.

Die Partitur des Werkes verrät die Hand eines ausgezeichneten technischen Könners und ist voller guter melodischer Einfälle. Die reiche und vielgestaltige russische Folklore bestimmt die Melodik und zum Teil auch den’ Klangcharakter dieser Musik. Für den Freund echter Volksmusik wird der Genuß zuweilen getrübt, da auch tschechische und ungarische Stilelemente verwendet werden. — Das Soloquartett der Musikanten paßt nicht in diesen Rahmen und macht den Eindruck, als hatten sich vier Mitglieder eines.Männergesangvereines auf die Opernbühne verirrt.

Fast sämtliche Partien der Oper sind den betreffenden Stimmen und Fächern gut angepaßt und zeigen, daß der Komponist ein Mann vom Fach ist. — Vorbehaltlos muß die Instrumentierung anerkannt werden, die trotz ihrer leuchtenden Farbe die Singstimmen niemals überdeckt, sondern erst recht, zuweilen glänzend, zur Geltung bringt.

Wenn das Werk in der hervorragenden Besetzung und Ausstattung, die ihm Zuteil wurde, ein Kassenerfolg wird, hat es seinen Zweck erfüllt. (In den Hauptrollen: Ljuba Welitsch, Paul Schöffler, Helge Roswaenge, Herbert Alseh, Endre Koreh und andere. Inszenierung: Adolf Rott, Bühnenbilder und Kostüme: Robert Kautsky, Choreographie: Erika Hanka.) — Besetzung, Ausstattung und Einstudierung sind so gut, daß man sich wünscht, daß diese bald auch in den Dienst eines bedeutenden zeitgenössischen Opernwerkes gestellt werden mögen, welches uns die Staatsoper bisher schuldig- geblieben ist.

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