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Mit klassischen Tragödien

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Die Eröffnungsvorstellung für das Schauspiel im großen Haus des Linzer Landestheaters ist mit Glanz vor sich gegangen. Direktor Alfred Stögmüller verstand es als Regisseur, durch überlegte Kürzungen und vertretbare Umstellungen die 29 Szenen der Shakespeare-Tragödie „König Lear“ in zehn Bilder zusammenzudrängen. Am Erfolg mitbeteiligt sind Heinz Köttel durch ein Bühnenbild, das an Monumentalität der Tragödie gerecht wird, und Prof. Helmut Eder durch eine elektronische Bühnenmusik, die in der Gewitterszene ihren Höhepunkt hat. Von den Darstellern muß in erster Linie Albert Lippert als Gast genannt werden, der die Rolle sehr überlegt aufbaute. Wie er vom Wahnsinn übermannt Wird, alles Ungemach erträgt und zum schlimmen Ende mit der toten Lieblingstochter auf seinen Armen, die er in törichter Selbstliebe verstoßen hätte, um zu sterben, wird erschütternd dargestellt. Doch auch die meisten anderen tragenden Rollen sind gut besetzt. Georg Matthes ist als Graf von Kent der gute Geist Lears, den er, verkannt und gebannt, dn dessen größtem Elend nicht verläßt. Auch Hubert Mann als Narr und anklagendes Gewissen seines Herrn meistert difese schwierige Rolle. Von den neuengagierten Mitgliedern des Ensembles hatte Friedrich Großart als Edgar auch als simulierender Tollhäusler Format. Otto Hans Meinecke wirkte als Gloster erst etwas matt, gewann aber im Fortschreiten der Handlung. Am wenigsten vermochte Manfred Scheibler mit der Rolle von Glosters Bastard Edmund fertig zu werden. Pose und Pathos machten ihn zu einem Theaterbösewicht. Von den Darstellerinnen der Töchter Lears enttäuschte diesmal Maria Falkenhagen als Goneril durch ein überstürztes Gezänk. Regina Feldern (Tochter von Frau Hatheier) machte als Regan die eigensüchtige, skrupellose Kälte besser glaubhaft. Ingrid Heitmann gewann als Cordelia in den Schlußszenen an Eindringlichkeit. Von den Mitwirkenden seien mit durchaus befriedigenden Leistungen noch genannt die Herren Zeller, Englert, Vray, Jager und Kry- staph. Der Gesamtedndruck der Premiere war sehr stark 'and kam in einem langanhaltenden Beitall zum Ausdruck, der stürmische Formen annahm, sooft sich Albert Lippert zeigte.

Die Linzer Kammerspiele wurden mit Hebbels groß angelegtem Drama „Herodes und Mariamne“ eröffnet. Dieses 1849 in Wien uraufgeführte Drama kam erst jetzt in Linz zur Erstaufführung. Die Historie dieser Tragödie verletzter Menschenwürde gehört der letzten Hälfte des Jahrhunderts vor Christus an. Gerhard Knick als Regisseur gelang es nicht, das noch nicht eingespielte Ensemble auf den gleichen Nenner zu bringen

— trotz guter Einzelleistungen. ES wurde überspielt und unterspielt, am stärksten durch die beiden Hauptdarsteller. Manfred Scheibler ersetzte als Herodes Intensität durch Lautstärke. Wurde er gedämpft, preßte er die Sätze, daß sie kaum verständlich wurden. Wohl wußte er das blutrünstige Draufgängertum des arabischen Königs der Juden glaubhaft zu machen. Als Mariamne, die für ihre Würde als Frau freiwillig stirbt, indem sie Herodes durch einen bewußt erweckten falschen Verdacht zu ihrem Henker werden läßt, lernten wir in Tatjana von Radetzky, eine sehr kultivierte Darstellerin und Sprecherin, kennen, nur blieb sie der Rolle die innere Wärme schuldig. Die Alexandra. Mariamnes Mutter, eine ScMüssel- figur des Dramas, die ihre Tochter erst gegen den Gatten aufputscht, dann aber für deren Tod eintritt, um den Verdacht von sich abzulenken,

ist Lore Johannsen anvertraut, die sich als zu schwache Persönlichkeit dafür erweist. Auch Christa Schwertfeger ist der gestellten Aufgabe als Salome, einer gefährlichen Giftschlange in Geschichte und Spiel, nicht gewachsen, abgesehen von ihrer mangelhaften Sprachtechnik. Lichtblicke in der Aufführung sind Georg Matthes, der als Statthalter Soemus bereitwillig den Tod für die Menschenwürde erleidet, und Ludwig Geiger als Eiferer für das geschändete jüdische Gesetz. Volker Krystoph entspricht den an ihn als Vizekönig Joseph gestellten Anforderungen, auch Friedrich Grossart als römischer Hauptmann Titus, obwohl er sichtlich unter dem kühlen Klima der Aufführung litt. So kühl blieb auch der Beifall des Premierenpublikums.

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William Somerset Maugham atarb im Dezember 1965 im Alter von

91 Jahren in seiner Prunkvilla La Mauresque bei Nizza. Wie seine 30 epischen und ebenso viele damati- sche Werke zeigen, war er ein scharfer Beobachter. Er kennt die englische Gesellschaft und scheute sich nicht, ihre Schwächen satirisch darzustellen. Es geht ihm dabei nicht um Sozialkritik sondern — nach eigenem Geständnis — um die Unterhaltung des Publikums. Die Linzer Kammerspiele brachten nun als Erstaufführung eine seiner ersten Komödien, „Lady Frederick“. Im Mittelpunkt steht die Titelflgur, eine Dame der besten Gesellschaft, lebenslustig, mit Schulden und schlechterem Ruf als Leben, die durch überraschende Entschlüsse die Gesellschaft in Atem hält. Sie wird temperamentvoll, mit Schick und Charme, mit Humor und sehr kultivierter Sprache von der neuen ersten Salondame, Isabella Ott, dargestellt. Ihr ebenbürtiger Partner ist Hasso Degner als Paradine, durch und durch Lord, lässig, klug. Es ist ein Vergnügen, Zeuge des gesellschaftlichen Kampfes der beiden Virtuosen des Salons zu sein. Paradines Schwester, Lady Mereston, mit englischer Kühle von Lore Johannsen auf die Bühne gestellt, versucht mit allen Mitteln, ihren Sohn aus den Fängen der verführerischen Lady, ihrer angeblichen Freundin, zu retten. Dieser gefährdete Sohn Charlie wird von Peter Uwe Arndt mit jugendlichem Feuer ausgestattet. — Franz Essel ist ein forscher, dabei behäbiger Admiral mit einem weichen Herzen. Seiner Tochter gibt Ingrid Heitmann ein nettes Aussehen. Als Gerald O’Mara wirkt Peter Uray etwas zu salopp. Eine gute Oharakterdarstel- lung gelingt Johannes Jager als selbstsicherer Waffenschieber Captain Montgomery, der nicht glauben will, daß seine Trümpfe, ungedeckte Schecks, nicht stechen. Maria Hanke ist eine etwas blasse Madame Claude, Regine Felden eine aparte Kammerzofe. Der Regie Gerhard Knicks ist eine abgetönte Ensembleleistung zu danken, Hannes Räder eine geschmackvolle Ausstattung. Die flüssige Übersetzung und entstaubende Bearbeitung stammt von Gerhard Metzner. Das Premierenpublikum unterhielt sich bestens und sparte nicht an Beifall für Stück und Aufführung.

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