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Schweinchen Hooligan

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Auf einem oberösterreichischen Bauernhof finden verlassene, mißhandelte und gequälte Tiere eine letzte Zufluchtstätte. Gäste sind stets herzlich willkommen.

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Auf einem oberösterreichischen Bauernhof finden verlassene, mißhandelte und gequälte Tiere eine letzte Zufluchtstätte. Gäste sind stets herzlich willkommen.

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Es ist ratsam, alte Kleidung auf unserem Hof zu tragen, denn unser Schweinchen kommt zur Begrüßung direkt aus der Suhle ...” verrät schon der Prospekt des Gnadenhofes „Schabenreith”. Und tatsächlich: neben dem Freudengeheul der fünf schwanzwedelnden 1 Iunde kommt es auf diesem I Iof im idyllischen oberösterreichischen Ort Steinbach am Ziehberg (bei Kirchdorf an der Krems) oft zu Begegnungen der „ ungewöhnlichen Art”. N icht umsonst heißt das Motto des Hauses: .Tiere und Menschen von ebendiesen herzlich willkommen! Gleich darauf begrüßt uns die Frau des Hauses und führt uns in die liebevoll eingerichteten Zimmer des ehemaligen, nun ausgebauten Heustadels.

Unglaubliches hat die ausgebildete Fotografin und engagierte Tier-schützerin Doris Hofner-Foltin verwirklicht: Einen renovierten Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert hat sie mit ihrer Familie zu einer Zufluchts-

Stätte für mißhandelte, verlassene und „entsorgte” Tiere gemacht, zu einem „Gnadenhof' für jene, deren Liebe und Anhänglichkeit kein Echo ihrer Besitzer fanden Jeder ihrer Schützlinge sei dem Tod schon näher als dem Leben gewesen, erzählt die Pflegemutter. Sie waren mißhandelt, gequält, gefoltert oder verstoßen worden, bis sie im Gnadenhof Aufnahme und Zuwendung für ihre letzten Lebensjahre gefunden haben. Zur Zeit beherbergt der Gnadenhof 55 (!) Tiere (Katzen, Hunde, Hasen, Pferde, Esel, ein Schwein, ein Schaf, Ziegen, zwei Nasenbären, Pfaue, Wellensittiche).

Es ist eine Welt des Miteinander, in die wir bei Familie Hofner eintauchen: ein harmonisches Miteinander von Tier und Mensch, eine friedvolle Gemeinsamkeit unterschiedlicher Tiere.

„Freigekaufte” Tiere

Das Schweinchen Hooligan, seinem Namen zum Trotz „lammfromm”, begrüßt den Ziegenbock Josephine und kuschelt sich zum Schlafen in die gemeinsame Box an seine Favoritin Medea an, ein kleines, vor dem Schlachthof gerettetes Kalb mit großen ernsten Augen und feuchter Knopfnase. Hooligan war ein Geschenk an ebendieses Kälbchen, das nach dem Tod von Hooligans „schweinischem” Vorgänger aus Trauer jegliche Nahrung verweigert hatte. Frau Hofner-Foltins Augen leuchten, wenn sie von diesem Vorgänger spricht: das Glücksschwein Johann, ein Leichtgewicht von 500 kg (2m 10 lang und 1 m 10 hoch!), hat auf seinen zahlreichen Wanderungen durch die Wälder so manchen Wanderer in Erstaunen versetzt.

Die Pferde in den Verschlagen freuen sich auf ihr abendliches „Bet-thupferl” in Form von Karotten, der einäugige Valentino wiehert vor Freude. Zuerst schüchtern zurückgezogen, dann vorsichtig schnuppernd, rückt Bruno, der ehemals schwermißhandelte Esel, aus seinem Eck hervor. Frau Hofner-Foltin hat diese gequälte Kreatur, die jahrelang in einem lichtlosen Stall halbverhungert dahinvegetierte, wie schon oft ein Tier, von seinem Peiniger „freigekauft”, um seinem Leiden ein Ende zu setzen. I leute legt Bruno vorsichtig seinen Kopf in die Hände des Besuchers und läßt sich kraulen. Wie lange muß sein Weg zu diesem Vertrauensbeweis in Menschen gewesen sein? Doch auch heute noch geht Bruno ungern auf die große Koppel ins Freie hinaus. Fürchtet er, daß man ihn eines Tages wieder aus seinem Paradies verjagt?

Ein Nasenbär-Pärchen hat nach dreizehnjähriger Gefangenschaft auf engstem Baum in einem Zirkus ein vom Ehepaar selbst gezimmertes Freigehege gefunden. Im Wohnraum des Hauses spielen die fünf Hunde miteinander. Das kleine Büro ist die Domäne und Krankenstation für Katzen: beispielsweise für den kleinen Rossini, mehr I laut als Knochen, der wieder Appetit zeigt und stolz auf seine nachwachsenden Haare ist. Die Tiermutter spricht nicht gern über die erlittenen Qualen ihrer Schützlinge, zu schrecklich sind manche Leidensgeschichten, zu sehr läßt manche Quälerei der „Krone der Schöpfung” Tränen des Zorns und der Empörung in die Augen steigen. Frau Hofner-Foltins extremer Einsatz zum Wohl der Tiere hat ihr selbst schon einen Nasenbeinbruch und ein blaues Auge eingetragen. „Das heilt alles wieder”, winkt sie bescheiden ab. „Das Leiden meiner Tiere hingegen läßt sich nur mildern.” Mehrmals pro Woche ist sie mit jeweils einigen ihrer Tiere beim hiesigen Tierarzt, die Behandlungen verschlingen viel Zeit und Geld. Zu schlimm sind die körperlichen Verletzungen, die heute noch sichtbar sind. Daß ein seelischer Heilungsprozeß durch Zuwendung, Geduld und Pflege möglich ist, zeigt das beeindruckende Beispiel dieses Projektes.

Tierfreunde gesucht

Derzeit plagt die Familie große Sorge ums Überleben. F,in Teil der anfallenden Kosten wird zwar vom Tierhilfswerk Austria getragen, aber viele Ausgaben müssen frei finanziert werden. Allein die ärztliche Versorgung der Tiere verschlingt Unsummen. Um das Bestehen des Gnadenhofes zu sichern, betreibt Hofner-Foltin seit einigen Jahren eine Frühstückspension und hofft auf Gäste, denen Tierschutz und Tierliebe ein echtes Anliegen sind. Was wäre, wenn wir - einmal alternativ zu Streichelzoo und Ponyreithof - uns und unserem Nachwuchs vor Augen führen, was Hingabe an eine sinnvolle Aufgabe, konsequent gelebte Tierliebe, bedeutet?

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