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Tradition so und anders

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Die. militärische Tradition einer jungen Nation in einem Film zu symbolisieren, war offenbar die Aufgabe, die man dem Amerikaner irischer Abkunft und Regisseur John Ford gestellt hatte, als er daranging, den Film über West Point, die Ausbildungsstätte der amerikanischen Offiziere zu machen, der drüben „The long grey line“ und bei uns „Mit Leib und Leben“ heißt. Es gehörte Mut dazu, ein solches Thema vom Piedestal herunterzuholen und es zu einer sehr persönlichen und menschlichen Geschichte eines Sergeanten zu machen, der als Kellner sozusagen wider Willen zum Ausbildungspersonal der Akademie stößt und nach 50 Jahren ehrenhalber auch nach der Pensionierung in West Point bleiben darf. Sie wird unter Fords Hand zu einer irischen Geschichte mit Humor und feiner Charakteristik und einer guten Anwendung der Cinemascope-Technik und bleibt doch eine Aussage über das Wesen des amerikanischen Soldaten, die andere, positive Seite zu „Verdammt in alle Ewigkeit“. Mit allen Mitteln, nicht zuletzt durch die Rahmenhandlung, in der der Sergeant dem Präsidenten Eisenhower sein Leben erzählt', versucht dieser Film die Tradition in unsere Zeit hereinzuziehen. Durch das Leben eines kleinen Sergeanten soll sie dem einfachen amerikanischen Zuschauer selbstverständlich und nacherlebbar werden.

Ganz anders als der österreichische Film „D i e Deutschmeister“, der die Tradition des Deutschmeistermarsches und die Vergangenheitsassoziationen, die sich diesseits und jenseits der Grenzen mit der Gestalt des alten Kaisers und der Melodie der Volkshymne verbinden, als Vorspann für eine Operettensituation benützt, die er mit Schwankspäßen garniert und mit sympathischen Darstellern postkartenlieblich serviert, genau ausgewogen nach Donau und Rhein, denn zu Franz Joseph kommt Wilhelm II, zu Besuch und Hans Moser plädiert gesanglich für die Gleichwertigkeit des Rheinweins. In diesem Farbfilm handwerklich gekonnter Wiener Konfektion ist die Tradition nur vorgespannt, nichts ist echt, alles nur Operette, nur Gag, und doch sitzt die Wirkung todsicher, weil Ernst Marischka mit seinen Effekten nach Gefühlen zielt, die mit dem Film gar nichts zu tun haben, aber im Zuschauer mit dämonischer Mathematik geweckt werden und mitschwingen.

Da ist Axel von Ambessers „Erstes Rendezvous“ — 1940 mit Danielle Darrieux schon einmal ein Film geworden — ehrlicher in seiner Liebeserklärung an Salzburg und die kleine Nicole Heesters, die ein schon recht erblühtes Waisenmädchen spielt, das seiner Briefbekanntschaft zum erstenmal gegenübertritt. (Die zweite Generation tritt an im österreichischen Film: Neben Johannes Heesters' Tochter Albach-Rettys und Magda Schneiders Tochter Romy und Siegfried Breuers Sohn Siegfried in den „Deutschmeistern“. Auch Paula Wesselys Tochter Christi Hörbiger steht schon beim neuen Wessely-Film im Atelier.) Man darf die Geschichte nicht nachrechnen, aber Ambesser hat sich gute Darsteller gesichert und mit dem fröhlichen Hintergrund der mehr nach den Erfordernissen der Komödie als der Glaubwürdigkeit eingerichteten beiden Schulen mit ihren Zöglingen schenkt er uns unverbindliches Vergnügen vor der schön photographierten Salzburger Landschaft.

Dem ernsteren Stoff der „Heiligen Lüge“ hat ihr Regisseur Wolfgang Liebeneiner wohl nicht recht getraut, denn er gibt der hart akzentuierten Geschichte vom leichtsinnigen Sohn, den ein Dienstmädchen durch eine falsche Aussage aus Liebe vor dem vermeintlich drohenden Gefängnis rettet, bis er schließlich doch auf den rechten Weg und zur Achtung des millionenschweren Vaters zurückfindet, viele Nuancen und Episoden eines heiteren bis possenhaften Gegenspiels, die das Pathos dieses Stoffes mildern und vergessen machen sollen, daß trotz guten Spieles die Hauptgestaltcn völlig statisch und ohne Entwicklung bleiben.

Der schöne russische Kulturfilm „Amsel, Drossel. Fink und Star“ bringt die Singvogelwelt anschaulich in schönen Farben nahe und macht sie lebendig. Er ist ein östlicher Lichtpunkt gegen die brave, aber langatmige Eisrevue mit der einstigen Weltmeisterin Sonja Henie „Die Eiskönigin verliebt sich“, ge;en den Cinemascope-Wildwester mit Bakterienkrieg „Die siebente Nach t“ und die Hollywood-Vampologie „D i e lockende Venus“

Ein brasilianischer „Onkel Toms Hütte“ ist „D i e schwarzeHau t“. Es geht, um die Negerbefreiung, und Schwarze und Weiße und unter diesen wieder Anhänger und Gegner der Sklaverei stehen sich in krasser Schwarz-Weiß-Zeichnung gegenüber. Daß die Schwarzen hervorragende Naturschauspieler sind, daß der Kameramann diesen brasilianischen Film ausgezeichnet photographierte und daß der Regisseur die Nerven seiner Zuschauer durch kraß gezeigte Brutalitäten nicht schonte, sichert dem Film eine Wirkung, die viele UnWahrscheinlichkeiten des Buches, die Lösung durch einen Deus ex machina — während. der Gerichtsverhandlung gegen den des Mordes angeklagten Neger wird die Sklavenbefreiung verkündet — und das unechte Pathos übersehen macht.

„Die Dinge sind häßlich, die sie zeigen“, hat Nietzsche über cks Werk Zolas gesagt. „Aber daß sie dieselben zeigen, ist aus Lust an diesem Häßlichen.“ Diese Kritik an Zola gilt noch mehr für den Farbfilm Christian Jaques nach Zolas Roman „N a n a“, der dieses abstoßende Bild eines zynisch exhibitionierten Morastes um die Kurtisane und die nichtswürdigen Exponenten der Gesellschaft des zweiten französischen Kaiserreiches in die Glätte einer Filmhandlung mit Luxusdekorationen abbiepf, die zur pikanter. Sensation macht, was 1879. zur Zeit als dieser Roman erschien, Gesellschaftskritik sein sollte.

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