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Zu Gast bei Freunden

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Vom Fremdenverkehr war in Kärnten bis in die sechziger Jahre wenig zu merken. Eine Sozialbarriere trennte die Einheimischen von den Fremden.

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Vom Fremdenverkehr war in Kärnten bis in die sechziger Jahre wenig zu merken. Eine Sozialbarriere trennte die Einheimischen von den Fremden.

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Die Fremden, die ich -geboren 1943 in Klagenfurt - als Kind kennenlernte, waren nicht als Touristen gekommen. Es waren Bana-ter, Donauschwaben und Bussen, die im Klagenfurter Stadtteil Waidmannsdorf in großen Flüchtlingslagern lebten und meine Familie daneben, vergleichsweise luxuriös in einem kleinen Haus. Der Zweite Weltkrieg war gerade erst vorbei, seine Schrecken ein Tabu.

Donauschwaben? Wir kannten das Wort nicht und im gemeinsamen Spiel machten wir Kinder uns noch fremder, spielten Winnetou, Nnot-schi, Old Shatterhand. Mein Spitzname war „Hadschi” (Flalef Omar). Etwas später, in der Unterstufe des Gymnasiums, stießen wir auf „die Engländer”, die einen Teil des Schulgebäudes am Völkermarkterring „okkupiert” hatten (die Alliierten galten als Besatzungsmacht!) und deren Kinder im Winter mit kurzen Stutzen zur Schule gingen. Die englischen Soldaten übten im Sommer in „unserem” Turnsaal das Schifahren auf einer Mattenrampe. Am alten Kapsch-Ba-dio meiner Familie, das den Krieg üßerlebt hatte, funktionierte nur der Kurzwellensender und so hörte ich neben dem Lernen und beim Lesen meist arabische (?) Musik.

Es muß Ende der fünfziger Jahre gewesen sein - da wurden für uns plötzlich die „Neger” relevant. Harry Belafonte, Louis Armstrong -„ Müßt's ihr diese Negermusik hören?!” Als Fußballer faszinierte mich damals besonders der erste in Klagenfurt spielende Legionär - „Oliveira” hieß er, spielte beim KAC und wenn er flink an der Outlinie entlangstürmte, riefen die Zuschauer auf der Holztribüne begeistert „Laf Muri, laaaf” (Laf = kärntnerisch für lauf, Muri = kärntnerisch für Mohr).

Und immer wieder fiel im Streit das Wort „Tschusch!”, denn die Kärntner Slowenen galten auch als Ausländer. „Gehts obe zum Tito, wenn eich wos nit paßt!”. Mir war das alles fremd, mit der Großmutter sprach ich ein Mischmasch von Deutsch und Italienisch. Bücher borgte ich mir im damals noch existierenden Amerika-Haus von Klagenfurt aus oder in der Klagenfurter Studien-bibliothek, neben der Wochenschau im Prechtl-Kino die wichtigsten Fenster nach außen.

Daß es auch einen Fremdenver: kehr gab, merkten wir bis in die sechziger Jahre kaum. Im Sommer genügten uns das Klagenfurter Strandbad oder der damals noch unverbaute Klopeinersee, wo Fremde mangels Kleidung nicht als Fremde zu identifizieren waren. Im Winter benützten wir vorwiegend Felle zum Berggehen, das leichtere Langlaufen, bei dem man auch Flachländer getroffen hätte, war noch nicht erfunden beziehungsweise als markttauglich erkannt. Insgesamt trennte eine Sozialbarriere die meisten „Einheimischen” von den Fremden - den Holländern, den Deutschen, Amerikanern aber auch Italienern.

Zehn Jahre Kärnten fehlen mir in der Erinnerung. Nach der Studienzeit in Graz lernte ich langsam das „neue”

Kärnten kennen. Zwei Bilder mögen genügen: Lehrlinge, mit zu großen Sonnenbrillen in einem selbst hergerichteten Chevrolet in der Klagenfurter Bahnhofstraße fahrend und sich fragend, in welche der Wörthersee-discos sie abends gehen würden; das große Fest in der Horten-Villa am See mit eingeflogenem Crazy-Horse-Bal-let aus Paris, dem Koch plus Büffet aus dem Budapester Bitz.

Parallel zu dem aufblühenden mondänen Tourismus (Stichwort: Holiday am Wörthersee) erlebten wir den Ortstafelstreit mit anschließender österreichweiter geheimer Erhebung der Muttersprache (bei welcher ich aus Zorn „Kisuaheli” als meine Muttersprache angab, wahrscheinlich die einzige Nennung in Osterreich.)

Parallel zur immer weiter vorangetriebenen Vermarktung Kärntens (Stichwort: vom Nudismus zur Esoterik) gab es den Papstbesuch in Gurk, wurden die uralten Kärntner Kirchlein wunderschön restauriert, gibt es einerseits die Tradition der Dreiländerwallfahrt und daneben das große Winterolympiaden-Projekt. Kurz: Kärnten wird, wie viele andere halbwegs unberührte Gegenden in Europa auch, zu einem großen Markt.

Diese historische Skizze ist keinesfalls mit Nostalgie verbunden. Es wird und es muß (Stichwort: ökonomische Zwänge) in Kärnten bald Speisekarten auf russisch und chinesisch geben.

” müssen sich international durchsetzen. Ehe es in China keine Karntna-Gostheisa gibt, hat Kärnten seinen wahren Stellenwert in der Welt noch nicht gefunden. Aber- und das wäre zu überlegen: wie kann das alles mit Qualität erfolgen, so daß sich Exil-Kärntner wie ich in der Pension in Kärnten da-heimfühten können. Denn sonst könnte man ja auch irgendwohin gehen ... Noch glaube ich an eine an György Konrad angelehnte Selbstdefinition: Ich fühle mich überall zu Hause, in Kärnten bin ich daheim. „Bei Freunden”, behauptete die Tourismuswerbung.

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