6882854-1979_15_19.jpg
Digital In Arbeit

Bundespräsident 1980 im Parlament wählen!

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Mit welchen Hauptproblemen mußte sich Tirol in den siebziger Jahren auseinandersetzen? Welche davon konnten gelöst werden und welche bleiben für die achtziger Jahre?

WALLNÖFER: Als im Jahre 1969 die Südtiroler Volkspartei mit knapper Mehrheit Paket und Operationskalender angenommen hatte, blieb es Aufgabe Tirols, mit Unterstützung der österreichischen Bundesregierung darüber zu wachen, daß die italienische Regierung das Paket auch durchführt. Wie sich jetzt zeigt, ist es in den siebziger Jahren nicht gelungen, eine restlose Durchführung des Paketes zu erreichen. Durch die Verbesserung des politischen Klimas zwischen Österreich' und Italien wurde es jedoch möglich, auch das Problem einer engeren Zusammenarbeit mit den Nachbarn anzugehen.

Es galt, Tirol in die Entwicklung 'des europäischen Straßen- und Eisenbahnverkehrs sinnvoll einzubinden, und es ging darum, die Nicht-mitgliedschaft Österreichs in der EWG mit ihrer Auswirkung speziell auf dem Agrarsektor für Tirol zu mildern.

Der Verkehrsbereich führte zum Zusammenschluß von acht Ländern in der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, die dann auch gemeinsame Lösungen für die gemeinsamen Probleme in Berg- und Landwirtschaft erarbeitet hat. Es stellte sich in siebenjähriger Zusammenarbeit heraus, daß alle großen Probleme Tirols auch Probleme der anderen Länder, Regionen und Kantone im Alpenraum sind, wie etwa die sinnvolle Ausweitung des Fremdenverkehrs, die Abstimmung der Erfordernisse der In-dustrieansiedlung z\ir Schaffung von Arbeitsplätzen mit den Erfordernissen des Fremdenverkehrs hinsichtlich Landschafts- und Umweltschutz, wie auch der Ausbau von Wasserkraftwerken zur Gewinnung der notwendigen Energie.

Tirol hat in den siebziger Jahren durch die Schaffung der durchgehenden Autobahn von Kufstein bis zum Brenner, durch den Beginn des Weiterbaues der Inntal-Autobahn und Errichtung des Arlberg-Straßen-tunnels den Durchzugsverkehr so ungefähr in den Griff bekommen und hofft, mit dem Bau der Schnellstraße Ulm-Mailand den zukünftigen Anforderungen des europäischen Verkehrs gerecht zu werden.

Nicht gelöst sind die Fragen der weiteren Erhaltung der Landwirtschaft, obwohl mit den Erfahrungen der Nachbarn eine große Anzahl stützender Maßnahmen eingeleitet werden konnte.

Als gelöst erscheint das Schulproblem: Es wurde in Tirol mit einem großen Netz von Schulneubauten jeder Art und Fachrichtung jedem Tiroler Schüler die Möglichkeit geboten, sich weiterzubilden und auch die Universität hat durch großzügige Neubauten einschließlich der technischen Fakultät einen Stand erreicht, der sie befähigt, als Landesuniversität für ganz Tirol und Vorarlberg tätig zu sein.

Nicht endgültig gelöst, vor allem wegen der Finanzierung, ist der Klinikausbau, obwohl ein Krankenanstaltenplan hier den Weg in die achtziger Jahre weist.

FURCHE: Stimmt es, daß Tirol über einen besonders guten Draht zur Bundesregierung verfügt?

WALLNÖFER: Ich weiß nicht, welche Verbindungen die anderen Bundesländer zur Bundesregierung haben. Ich meinerseits kann nur feststellen, daß ich-auf sachliche Fragen sachliche Antworten und auf berechtigte Forderungen die Erledigungen erlebt habe.

FURCHE: Welches Verhältnis besteht in Tirol zwischen ÖVP und SPÖ? Wie wirkt sich das Klima zwischen diesen Parteien auf die gemeinsame Arbeit aus?

WALLNÖFER: Verständlicherweise sagen auch Zahlen etwas aus: So besteht der Tiroler Landtag aus 24 ÖVP-, 11 SPÖ- und einem freiheitlichen Abgeordneten und ist die Landesregierung mit 6 zu 2 zusammengesetzt. Durch diese ÖVP-Mehrheit fühlt sich die SPÖ im Land in der Oppositionsrolle, wozu sie aus dem Bestehen einer SPÖ-Bundesregie-rung Kraft holt. Ansonsten kann ich nur sagen, daß wir in Sachfragen fast alle Beschlüsse der Landesregierung einstimmig fassen.

FURCHE: Landeshauptmann-Stellvertreter Salcher befürwortet ein Zusammenlegen der Tiroler Landtags- und Gemeinderatswahlen im Frühjahr 1980. Für welchen Wahltermin sind Sie und mit welcher Begründung? Wann wird der Wahltermin endgültig feststehen?

WALLNÖFER: Ich habe mich vor Monaten dahingehend geäußert, daß jede Wahl von der Bevölkerung eine besondere Entscheidung abverlangt. In unserem ausgeprägt föderalistischen Land werden auch Fragen der Gemeinde von den Fragen, die das ganze Land betreffen, streng getrennt, und dadurch erscheint mir ein Zusammenlegen der Landtags- und Gemeinderatswahlen nicht richtig.

Auf einen Termin kann ich mich erst nach Absprache mit allen Parteien festlegen, lasse es aber offen, daß die Landtagswahlen auch noch im Jahr 1979 stattfinden könnten.

FURCHE: Sie haben sich vor den “letzten BundespräsidWtenwahlen -bei der Bestimmung desöVP-Kandi-daten massiv eingeschaltet. Soll die ÖVP 1980 einen eigenen Präsidentschaftskandidaten nominieren? Wer kommt dafür Ihrer Meinung nach in erster Linie in Frage?

WALLNÖFER: Auch dazu habe ich vor nicht langer Zeit gesagt, daß es mir nicht gefällt, wenn ein amtierender Bundespräsident, einer, „der die Verfassung und alle Gesetze der Republik beobachtet und seine Pflicht erfüllt hat“, für ein oder zwei Monate von der Partei des Gegenkandidaten mit viel Mühe zerrissen wird.

Wenn ich recht informiert bin, hat man in der ersten Republik mit der Bundesverfassungsnovelle 1929 die Stellung des Bundespräsidenten gegenüber dem Parlament unter anderem dadurch gestärkt, daß man die Volkswahl an Stelle der Wahl durch die Bundesversammlung einführte.

Ich halte diese Wahl durch das Volk für richtig und demokratisch, speziell dann, wenn ein amtierender Bundespräsident durch Tod ausscheidet oder die gesetzlich vorgeschriebene Frist von zwei mal sechs Jahren abgelaufen ist und ein neuer Mann gesucht werden muß.

Mein Vorschlag ginge nun aber dahin, daß, wenn das Amt des Bundespräsidenten nach sechs Jahren abgelaufen ist und der Bundespräsident für eine weitere Funktionsperiode im Amt zu bleiben wünscht, die Bundesversammlung über den Weiterverbleib des Bundespräsidenten im Amt entscheiden soll. Nur dann, wenn der Bundespräsident dort nicht mit Mehrheit gewählt wird, soll eine Neuwahl durch das Volk erfolgen.

Bestätigt die Bundesversammlung, sohin die gewählten Vertreter, daß der Bundespräsident bleiben soll, so könnte er ohne das ansehenschädigende Zwischenspiel einer bundesweiten Neuwahl bleiben, solange es die gesetzlich gegebenen Möglichkeiten erlauben.

FURCHE: Befürworten Sie auf Bundesebene eher eine von einer großen oder von einer knappen Mehrheit getragene Regierung - also eher eine große oder eine kleine Koalition?

WALLNÖFER: Die leichteste und inhaltlich sauberste Art zu regieren, hat natürlich eine Regierung, die sich auf eine große Mehrheit stützen kann. Alle anderen gekünstelten Formen der Zusammenarbeit, große oder kleine Koalition, erfordern viel zu viel Kompromisse, sodaß es mir in diesem Fall besser erscheint, wenn alle Parteien in einer Konzentrationsregierung zusammenarbeiten. Besonders dann, wenn wirtschaftliche Krisen rasch bewältigt werden müssen, die einen Zeitaufschub durch unendliche Diskussionen gar nicht vertragen. Man müßte freilich das Einspruchsrecht eines Ministers beseitigen und dann ganz einfach abstimmen können. In den österreichischen Bundesländern und in der Schweiz funktioniert das einwandfrei.

FURCHE: Sollte Ihrer Meinung nach das ORF-Monopol abgeschafft werden? Sollte das Fernsehprogramm sich mehr in Richtung Regio-nalisiserung entwickeln?

WALLNÖFER: Meiner Meinung nach ist es notwendig, daß Österreich einen staatlichen Rundfunk besitzt, weil nur durch eine große Institution halbwegs die technischen und qualitativen Voraussetzungen für einen ordentlichen Rundfunk- und Fernsehempfang geliefert werden können. Es darf nur nicht so sein,'daß der ORF politisch von einer Seite mißbraucht wird und in allen Sendungen gesellschaftspolitische Tendenzen einfließen läßt, die die andere Hälfte der Österreicher ablehnt. Ich bin selbstverständlich dafür, daß mehr als bisher die einzelnen Länder berücksichtigt werden, d. h., daß jedes Land, zum Beispiel im Fernsehen, etwa ein bis zwei Stunden selbst ein Programm gestaltet, das die Einwohner des Landes besonders interessiert. Es sind auch unterschiedliche nachbarschaftliche Verhältnisse zu berücksichtigen, wobei wir hier in Tirol eine engere Medienverbindung mit Südtirol benötigen.

FURCHE: Ist man in Innsbruck nach wie vor entschlossen, einen unter Umständen ins Auge gefaßten Anschluß Osttirols an Kärnten notfalls mit Hilfe der Tiroler Schützenkompanien zu verhindern?

WALLNÖFER: Es ist zu sagen, daß sich diese Frage nicht stellt, und daher eine Antwort überflüssig macht.

FURCHE: Sind Sie mit der Entwicklung in Südtirol zufrieden? Welche Wünsche sind hier in erster Linie noch nicht erfüllt?

WALLNÖFER: Natürlich bin auch ich besorgt über die Entwicklung in Italien, die direkt und indirekt ihre Rückwirkungen auf Südtirol haben. So hat z. B. die lange Regierungskrise in Rom eine seit Dezember geplante Aussprache zwischen den Südtiroler Vertretern und den Spitzen der DC verhindert, sodaß viele dringende Probleme, insbesondere wichtige noch ausstehende Bestimmungen zum Autonomiestatut, in Schwebe bleiben und das Verhältnis zwischen den Parteien und Volksgruppen in Südtirol selbst belasten. Nicht nur in Rom, auch in Bozen sucht die Kommunistische Partei mit allem Nachdruck, Machtpositionen zu erringen; gerade in den letzten Wochen hat sie ein neues Aktionsprogramm beschlossen, mit dem Ziel, in der Südtiroler Bevölkerung stärker Fuß zu fassen. (Wie komplex hier die Dinge liegen, ist z. B. daraus zu ersehen, daß jedes Mitglied der kommunistischen Gewerkschaft in Südtirol ein in der DDR herausgegebenes Schulungsblatt erhält.)

Südtirol ist von Terror bis heute weitgehend verschont geblieben, aber wie lange wird das noch so bleiben? Insgesamt überwiegt heute also die Sorge um die Zukunft, auch wenn wir anerkennen müssen, daß in den letzten Jahren viel Positives geschehen ist und sich die Südtiroler über alles Erwarten gut behaupten. Ein glänzendes Beispiel dafür war das Ergebnis der Landtagswahlen vom vergangenen November.

Die Fragen an Landeshauptmann Eduard Wallnöfer stellte Heiner Bo-berski.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung