Wunschdenken versus Wissenschaft

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Ein enormes Ausmaß an Wissenschaftsfeindlichkeit bereitet den Boden für rhetorische und reale Angriffe auf Ärzte und Ärztinnen sowie Forscher(innen). Wie konnte es so weit kommen?

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Ein enormes Ausmaß an Wissenschaftsfeindlichkeit bereitet den Boden für rhetorische und reale Angriffe auf Ärzte und Ärztinnen sowie Forscher(innen). Wie konnte es so weit kommen?

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Der Suizid jener Ärztin, die wegen ihrer positiven Haltung zur Covid-Impfung Morddrohungen erhalten hat (vgl. Leitartikel), zeigt auf tragische Weise, wohin die zunehmenden Angriffe auf die Wissenschaft – insbesondere auf die Medizin – führen können.

Wissenschaftsfeindlichkeit ist kein neues Phänomen. Impfgegner, Skeptiker gegenüber technischen Entwicklungen gab es immer. Zum Teil verdienen sie Verständnis, weil einiges, was als großer Fortschritt angepriesen wird, noch nicht ausgereift ist und mehr Gefahren als Nutzen mit sich bringt. Scharf zu kritisieren sind aber jene, die Vertretern der Wissenschaft mit Hass und Gewalt begegnen und oft zu einer sachlichen Debatte gar nicht fähig sind, weil ihnen das Basiswissen fehlt.

Eklatantes Unwissen belegte 2007 eine Umfrage zur Bekanntheit heimischer Wissenschafter. Am häufigsten genannt wurden der Physiker Anton Zeilinger und zwei Personen, die gar keine Wissenschafter waren: Josef Broukal, Journalist und zeitweise SPÖ-Wissenschaftssprecher, und der damalige Staatsoperndirektor Ioan Holender. Seit den ständigen Auftritten von Virologen und anderen Experten in der Pandemie würde eine solche Umfrage wohl anders ausfallen, aber der politische Umgang mit Wissenschaft wurde nicht besser. Komplexitätsforscher Peter Klimek verdankte seine Wahl zum Wissenschafter des Jahres 2021 sicher auch einem Auftritt in der ZIB 2, bei dem er für diese Art des Umgangs das Wort „Bananenrepublik“ verwendete.

Fakt oder Fake?

Laut Eurobarometer-Umfrage von 2021 liegt Österreich in der EU an letzter Stelle, was das Befürworten von Grundlagenforschung oder die Frage betrifft, ob das Interesse der Jugend an Wissenschaft wichtig für den Wohlstand des Landes ist. Dass in den EU-Ländern Wissenschafts- und Impfskepsis Hand in Hand gehen und eine niedrige Impfquote mit einer höheren Zahl von Covid-Toten korreliert, lässt sich belegen – mag es auch die „Querdenker“ nicht überzeugen. Viele Menschen, vor allem Politiker, suchen sich mit Vorliebe jene „Experten“ (oft gar keine Fachleute auf dem strittigen Gebiet) heraus, die das eigene Wunschdenken bestätigen.

Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nimmt das nicht hin. Sie hat kürzlich einen Essay-Wettbewerb zum Thema „Fakt oder Fake: Wie gehen wir mit Wissenschaftsskepsis um?“ ausgeschrieben. In Kanada ermittelte ein Team der Simon Fraser University vier Hauptgründe für Wissenschaftsskepsis: Man zweifelt an der Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Quellen, man identifiziert sich mit wissenschaftsfeindlichen Gruppen, die eigenen aktuellen Überzeugungen widersprechen den wissenschaftlichen Aussagen und die Präsentation einer Botschaft entspricht nicht der persönlichen Denkweise.

Hinweis: Menschen in Krisensituationen finden rund um die Uhr Hilfe bei der Telefonseelsorge (142) oder bei Supra - Suizidprävention Austria.

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