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Ein Zwei-Klassen-Europa

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Der Abschluß des EWR-Vertrages, der die Freiheit des Personenverkehrs innerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraumes vorsieht, war für die Bundesregierung ein willkommener Anlaß für eine grundlegende Neuregelung des gesamten Fremdenrechts.

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Der Abschluß des EWR-Vertrages, der die Freiheit des Personenverkehrs innerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraumes vorsieht, war für die Bundesregierung ein willkommener Anlaß für eine grundlegende Neuregelung des gesamten Fremdenrechts.

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Der Entwurf zu einem neuen „Fremdengesetz", das das bisherige Fremdenpolizeigesetz und auch die einschlägigen Bestimmungen des Paßgesetzes ablösen soll, hatkürzlich den Ministerrat passiert. Das Grundanliegen dieses Gesetzes ist aus den Regelungen klar zu erkennen: dem Phänomen der „Wirtschaftsflüchtlinge" aus Ländern außerhalb des EWR soll -bei gleichzeitiger größerer Freizügigkeit innerhalb des EWR-Raumes -konsequent der Kampf angesagt werden. Diese Grundhaltung zieht sich durch alle - teilweise wirklich rigorosen - Bestimmungen, die ihren Zweck gewiß nicht verfehlen werden.

Die damit erfolgte Grenzziehung ist somit eine rein wirtschaftliche. Die wirtschaftlichen Grenzen decken sich freilich nicht mit den kulturellen, was insofern traurig stimmt, als durch dieses Gesetz das Zusammenrücken mit den Österreich kulturell so nahestehenden Nachbarländern des früheren Ostblocks tendenziell eher erschwert wird. Dies ist besonders bedauerlich, wenn man bedenkt, daß es ja erst die Mißachtung und teilweise sträfliche Vernachlässigung kultureller Grenzen war, die die Ausländerproblematik in Österreich so brisant werden ließ.

Das Fremdengesetz, das am 1. Jänner 1993 in Kraft treten soll, enthält Straftatbestände gegen das Schlepperunwesen (im Extremfall mit einer Strafdrohung bis zu drei Jahren Haft) und sieht die Ausweisung von Fremden im Falle der Begehung von Straftaten oder „Schwarzarbeit", der illegalen Einreise oder auch nur für den Fall vor, daß Fremde „innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen".

Darüber hinaus ist über einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu verhängen, wenn „auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, •Ordnung oder Sicherheit gefährdet" oder den im Artikel 8 Absatz 2 der Euro- f j päischen Menschen- v. rechtskonvention als zulässige Einschränkung des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre genannten staatlichen Interessen (nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer Bürger) zuwiderläuft.

Die Behörden haben damit - abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung, auf familiäre Bindungen tunlichst Rücksicht zu nehmen - weitreichende rechtliche Möglichkeiten, um illegal Zugewanderte konsequent des Landes zu verweisen. Zu diesem Zweck enthält das Gesetz auch eine unter Verfassungsrechtlern umstrittene Ermächtigung für die Sicherheitsbehörden, Razzien in Ausländerquartieren vorzunehmen, „wenn darin mehr als fünf Fremde Unterkunft genommen haben" und „auf Grund bestimmter Tatsachen der Verdacht besteht, daß sich darunter Fremde befinden, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten".

Will man dem Gesetz gerecht werden, muß man freilich auch darauf hinweisen, daß es eine aus rechtsstaatlicher Sicht erfreuliche grundlegende Neuregelung der Schubhaft mit ausreichenden Rechtsmittelmöglichkeiten vorsieht.

Die notwendige Ergänzung zum „Fremdengesetz", um vor allem die illegale Einreise sowie den illegalen Aufenthalt von Ausländern zu bekämpfen, bildet das „Aufenthaltsgesetz", das im Juli 1993 in Kraft treten soll und das die Einwanderung regelt. Fremde aus Nicht-EWR-Staaten können nach diesem Gesetz nur im Rahmen der von der Bundesregierung per

Verordnung jährlich festzulegenden Höchstkontingente, die nach den Aussagen des Innenministers für die nächste Zeit bereits durch die Bosnien-Flüchtlinge erschöpft sein werden, die Bewilligung zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreicher halten, wobei Unterhalt und Wohnung gesichert sein müssen.

In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber jedoch übers Ziel geschossen, indem er die Möglichkeit von Eheschließungen zwischen Österreichern und Angehörigen von Staaten, die nicht dem EWR angehören, erschwert hat, was inbesondere in den Grenzregionen Verwunderung auslöst. Wenn beispielsweise (siehe Beitrag nebenan) ein Österreicher aus Retz eine Tschechin aus der Nachbarstadt Znaim heiraten will, so muß er damit rechnen, daß seine Frau erst dann eine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich bekommt, wenn die Ehe „zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein Jahr besteht". Zwar liegt eine Verkürzung dieser Frist im Ermessen der Behörden, soferne die Eheleute bereits im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, was freilich auch nur möglich ist, wenn der ausländische Ehepartner zuvor eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Höchstkontingents ergattert hat. Ist das Kontingent aber erschöpft, bleibt eigentlich nur die Trennung von Tisch und Bett. Es wird also in Zukunft für Österreicher nicht mehr einfach sein, sich die sprichwörtliche „echte Wienerin aus Brünn" zu holen.

In Anbetracht der ohnehin vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung von „Staatsbürgerschaftsehen", die man hier offenbar befürchtet, erscheint diese Regelung als überzogen und unter dem Aspekt des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention wirklich problematisch.

Alles in allem enthält das neue Fremdenrecht wirklich einschneidende Maßnahmen, von denen nur das Asylrecht nach der Genfer Flüchtlingskonvention unberührt bleibt, und die eigentlich - vielleicht abgesehen von der Schulproblematik - auch alle wesentlichen Forderungen des FPÖ-

(Karikatur: Hamburger Abendblatt)

„Volksbegehrens" vorwegnehmen.

Als Wermuttropfen bleibt die Sorge, daß die Grenzen des EWR möglicherweise das wieder trennen, was einst - Stichwort „Mitteleuropa" -eine kulturell so fruchtbare Einheit war. Es wird an der Bundesregierung liegen, dem durch gezielte bilaterale Abkommen entgegenzuwirken.

Der Autor ist Dozent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

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