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Erschossen

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Die deutsch-österreichische Freundschaft hat wieder einen neuen Höhepunkt erlebt:Der „Geist von Cordo-ba“ hat noch einmal gespukt. Ein Fußballspiel, das außer Prestige keine Bedeutung hat und außer Erkenntnissen über die eigene Mannschaft nichts bringt, nennt man in Deutschland ein Freundschaftsspiel oder Länderspiel, in Osterreich dagegen Länderkampf.

Osterreich hat letzte Woche in zweifacher Hinsicht gewonnen: Erstens war es wirklich kein Spiel, sondern ein Kampf, und zweitens hat auch das Ergebnis von 4d Toren den Sieg Österreichs über die Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben.

Was uns — „draußen im Altreich“ — aber jedesmal mehr überrascht als eine unverhoffte Niederlage, das ist das Feldgeschrei der österreichischen Medien, die an Chauvinismus und Hysterie selbst unsere Bildzeitung noch beschämen und versuchen, ein ansonsten eher phlegmatisches Volk in einen nationalen Siegestaumel hineinzureden.

Was in einem derartigen medialen Triumphgeheul aus österreichischen Reporterseelen herausquillt “und sich in der Sprache von Kriegsberichterstattern artikuliert, ist nicht mehr mit Völkerkunde, sondern allenfalls noch mit Tiefenpsychologie zu analysieren.

Verständlich ist ja, daß sich die Österreicher freuen, wieder ein gutes, international herzeigbares Team zu haben wie früher. Verständlich ist auch, daß die Deutschen mehr von der schwachen Gesamtleistung ihrer Mannschaft enttäuscht sind und weniger in Bewunderung für die Österreicher ausbrechen. Jede Seite sieht so ein Match halt zunächst mit ihren Augen.

Aber wir machen uns nun doch ernsthafte Sorgen um die Gesundheit der österreichischen Sportpresse, die ja sonst durchaus was von ihrem Fach versteht. Liegt hier ein kumulatives Augenleiden vor, daß sie die schweren Fouls der „lieben österreichischen Amateure“ gegen „die harten deutschen Profis“ so konsequent übersehen haben wie der italienische Schiedsrichter?

Kann es an branchenspezifischen Magengeschwüren liegen, daß man nach zwei geschenkten, zumindest umstrittenen Elfmetern für Österreich den Platzverweis für bloßes Maulen als selbstverständlich gerechte Maßnahme empfunden hat?

Wie gesagt: Das Spiel war ohne sportliche Bedeutung, und wir hätten solche Schiedsrichter-Geschenke auch ohne Proteste angenommen. Aber dieser grenzenlose Jubel zur Uberschrift ,JDie Deutschen im Praterstadion erschossen!“— der muß doch aus einer wunden Seele kommen.

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