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Neue Ziele für die Entwicklungshilfe

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In der letzten Septemberwoche hielt die Weltbankgruppe wieder gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds ihre Jahresversammlung ab. Zur Weltbankgruppe gehören die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank), die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) und die Internationale Finanz-Corporation (IFC).

Während die Weltbank, gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg zur Finanzierung des Wiederaufbaus der vom Krieg zerstörten Staaten, auch heute noch wie eine gute Bank agiert und nur Kredite einräumt, wenn sie davon überzeugt ist, der Kreditnehmer werde sie einmal zurückzahlen können, ist dies bei ihrer Tochter, der IDA, keineswegs mehr so sicher.

Der Zinssatz für Kredite der Weltbank ist von den Refinanzierungskosten der Weltbank abhänging, er betrug im letzten Geschäfts) ahr durch schnittlich 7,85 Prozent. IDA-Kredite werden jedoch zu Zinssätzen gewährt, die auch die ärmsten Entwicklungsländer bezahlen können. Im letzten Geschäftsjahr gewährte die IDA 87 Prozent ihrer Kredite an Länder, in denen das jährliche Pro-Kopf-Einkommen unter 265 US-Dollar liegt.

Die IFC wiederum sieht ihre Aufgabe im wesentlichen darin, die wirtschaftliche Entwicklung in ihren weniger entwickelten Mitgliedsländern durch Förderung des Wachstums des privaten Sektors der jeweiligen Volkswirtschaft zu unterstützen.

Im Geschäftsjahr 1976/77 verzeich- nete die Weltbankgruppe bei ihren Kreditzusagen einen Rekord. Die Kreditzusagen stiegen auf 7,3 Milliarden US-Dollar an, wovon 5,7 Milliarden auf die Weltbank, 1,3 Milliarden auf die IDA und 0,3 Milliarden auf die IFC entfielen. Ein Schwerpunkt der Kreditvergabe war, wie schon in den beiden Vorjahren, der Sektor Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Auf ihn entfielen 33 Prozent der Zusagen der Weltbank und der IDA für Kredite. Von den im Geschäftsjahr 1976/77 genehmigten Projekten werden fünf Millionen Bauemfamilien oder 30 Millionen Menschen unmittelbare Nutznießer sein. Rechnet man die seit 1974/75 durchgeführten landwirtschaftlichen Projekte hinzu, so haben 60 Millionen Menschen von Weltbankprojekten auf dem Agrarsektor profitiert. Verlagerte die Weltbank ihren Schwerpunkt schon seit 1974/75 auf die Unterstützung agrarpolitischer Projekte, so ist seit 1975176 auch die Tendenzfeststellbar, vor allem die Kleinbetriebe in den Entwicklungsländern zu fordern. Kleinbetriebe sind für die ländliche Entwicklung von größter Bedeutung. ln den meisten Entwicklungsländern ist die Unterbeschäftigung in der Landwirtschaft, die das Einkommen drückt und die Abwanderung in die Städte fordert, ein Hauptproblem. Wichtige Stützen aller ländlichen Entwicklungsbestrebungen sind daher alle Arten von Kleinproduktionsbetrieben für die ländliche Gemeinschaft wie Schmieden, Ziegeleien, Kalkbrennereien, Schneiderwerkstätten, Zimmereien oder Möbeltischlereien. Kleinbetriebe können außerdem nicht selten mehr Arbeitsplätze je Kapitaleinheit schaffen als große Firmen.

Vergleicht man die realen Zuwachsraten ausgewählter Wirtschaftsindikatoren, wie Bruttonationalprodukt, Agrarprodukt, Industrieproduktion, Bruttoinvestitionen, so zeigt sich, daß die Entwicklungsländer in den letzten Jahren vor allem die Rezession der Jahre 1974/75 besser überstanden halben, als man erwarten durfte. Ungelöst bleibt aber vor allem das Problem der Massenarmut. Ineinem großen Teil der Dritten Welt ist es schwierig, „wirtschaftliches Wachstum mit sozialer Gerechtigkeit zu kombinieren, so daß die

Vorteile aus Wachstum und Gerechtigkeit einander beschleunigen und verstärken.” Um dieses Problem zu lösen, „sind Anstrengungen sowohl der Entwicklungsländer als auch der Industrieländer notwendig”, mahnt der Jahresbericht der Weltbank.

Leider fehlt diesmal im Jahresbericht der Weltbank jede Diskussion über die Verschuldung der Dritten Welt, die Ende 1975 ein Gesamtvolumen von 174 Milliarden US-Dollar erreicht hat. Eine internationale Expertenkommission, zu deren Präsidenten Willy Brandt ernannt worden ist, soll nun die Entwicklungsziele überprüfen und langfristige Vorschläge für die Lösung des Nord- Süd-Konflikts ausarbeiten.

Für die österreichische Froschperspektive, aus der man hierzulande alle Entwicklungsfragen beobachtet, scheint aber nur wichtig zu sein, ob Wien oder Genf der Sitz dieser Exper- tenkomission wird.

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