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Zwei verschiedene Welten

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Sind diese Worte nicht heute von brennender Aktualität? War die Solidarität der Völker, die gegenseitige Hilfe jemals nötiger als jetzt?

In den Staaten mit vorwiegend industrieller Struktur leben rund 3.0 Prozent der Weltbevölkerung, aber sie verfügen über fast 82 Prozent der Weltproduktion.

In den unterentwickelten Ländern leben zwei Drittel der Menschheit, die aber nur 18 Prozent der Weltproduktion besitzen. (Also kein Wunder, daß in den Entwicklungsländern pro Jahr über 30 Millionen Menschen an Unterernährung oder ihren Folgen «prMflJn tifeiin f rti priiiisifc

Der Anteil am Sozialprodukt pro Kopf.ideS-rBevölkerung beträgtan -den USA 72.000 Schilling, in Westeuropa im Durchschnitt 38.000 Schilling, in der Sowjetunion 26.000 Schilling, in Asien und Afrika jedoch nur 4160 Schilling.

Das Jahreseinkommen eines Nordamerikaners beläuft sich im Durchschnitt auf 2095 Dollar, eines Schweizers auf 1273 Dollar, wogegen ein Burmese nur 45 (!) Dollar pro Jahr verdient.

In der Schweiz kommt auf 700 Einwohner ein Arzt, auf 68 Einwohner ein Krankenbett, in Liberia haben 90.000 Einwohner nur einen Arzt und für nur je 4000 Einwohner steht ein Krankenbett zur Verfügung.

Michael Umlauff stellt folgende Charakteristika für die wirtschaftliche Unterentwicklung auf :

1. Fehlende Infrastruktur, angefangen von den Straßen und Schulen bis zu den verwaltungsmäßigen und wirtschaftlichen Einrichtungen.

2. Mangelnde Kapitalsbildung, bedingt durch das niedrige Volkseinkommen. Dadurch ist aus eigener Kraft eine Verbesserung der wirtschaftlichen Grundlage unmöglich.

3. Die „Bevölkerungsexplosion“ — für alle Entwicklungsländer charakteristisch. (Während die Weltbevölkerung im Jahr um rund 1,5 Prozent zunimmt, beträgt der Zuwachs in den Entwicklungsländern drei Prozent.)

4. Die ungenügende oder fehlende Bildung und das Fehlen einer ökonomischen Gesinnung.

Demnach kann man also als Entwicklungsländer bezeichnen: Alle Staaten Afrikas mit Ausnahme der Südafrikanischen Union, alle Staaten Asiens (ohne Japan) sowie Süd- und Mittelamerika.

Für die Industriestaaten ergeben sich viele Möglichkeiten, um den Entwicklungsländern ihre Hilfe ange-deihen zu lassen. Eine der wirksamsten Maßnahmen wäre die Liberalisierung der Einfuhren aus den Entwicklungsländern. Die Deutsche Bundesrepublik könnte zum Beispiel bloß durch die Aufhebung der sogenannten „Kaffeesteuer“ — sie stammt aus der Nachbiedermeierzeit — die Wirtschaft der Entwicklungsländer in ebenso großem Maße fördern wie durch alle ihre gegenwärtigen Hilfsaktionen. (Dabei hat Bonn seit 1957 Finanzhilfen in der Höhe von 12,24 Milliarden DM für Afrika und Asien bereitgestellt.) Durch eine vernünftige Zoll-und Handelspolitik könnte den Entwicklungsländern, die vor allem auf den Export der Grundstoffe angewiesen sind, bedeutend unter die Arme gegriffen werden; BeFdeY Säfzfulg Tagung hat man leider auch feststelle« müssen, 5aß man den Entwicklungsländern auf der einen Seite das wieder nimmt, was man ihnen auf der anderen Seite gibt.

In Salzburg wurde daher auch angeregt, daß zur Stabilisierung der Einkommen der unterentwickelten Länder, die traditionellen Produkte durch entsprechende Übereinkommen vor zu starken Preisschwankungen geschützt werden sollen.

Eine für die finanzschwachen Länder sehr wichtige Hilfe ist die Kapitalinvestition. Hier können sich vor allem die großen Industriestaaten und die internationalen Organisationen (UNO, OECD) wirksam einschalten. Für kleine Staaten, wie Österreich, scheint eine andere Form der Entwicklungshilfe, die sogenannte „technical assistance“, geeigneter zu sein.

Für die „technical assistance“ gibt es keinen passenden deutschen Ausdruck. Man könnte diesen Begriff mit Beratungs- Ausbildungs- Forschungsund Erprobungshilfe umschreiben. Auf jeden Fall verlangt diese Art der Hilfe auch persönlichen Einsatz: die Entsendung von Experten. Die Schweizer und Holländer leisten hier vorbildliche Arbeit, aber auch die Israelis und Jugoslawen haben ihre Experten in ganz Afrika. In Österreich wurde in dieser Richtung bisher nur von der Katholischen Landjugend die Initiative ergriffen;

Im Nationalrat war von einer derartigen Entwicklungshilfe noch nie die Rede! Dabei könnte gerade auf diesem Wege das neutrale Österreich einen großen Beitrag zur Völkerverständigung, zur internationalen Solidarität leisten. Mit den Reisen Karajans, der Philharmoniker und der Sänigerknaben ist den Entwicklungsländern nicht geholfen!

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