Ökosoziale Steuerreform: Wenn der Bonus zum Malus wird

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Egal, ob die Reform konservativ, wirtschaftlich, ökologisch oder sozial gedacht sein sollte – sie macht in keinem dieser Zusammenhänge viel Sinn.

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Egal, ob die Reform konservativ, wirtschaftlich, ökologisch oder sozial gedacht sein sollte – sie macht in keinem dieser Zusammenhänge viel Sinn.

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Es ist nicht neu, dass sich Politik und Ideologie in staatlichen Geldströmen abbilden. Es fällt aber an manchen Tagen besonders auf. Etwa seit Sonntag, seitdem also den Bürger(inne)n die finanzielle Zukunftsvision der Regierung Sebastian Kurz vorgestellt wurde. „Steuerreform“ ist dafür eigentlich ein zu kleines Wort, wenn man dem Kanzler folgt. Denn alles, was davor kam, war wenig mehr als Zwergerei. Nun einmal richtig große Räder drehen, einmal richtig klotzen. 18 Milliarden geschichtsträchtig in Volk und Wirtschaft gestreut – ein Anstoß angeblich, der eine ganze Gesellschaft ökosozial umdenken lassen wird. Soweit das Prospekt.

Tatsächlich zeigt sich die Regierung auf den ersten Blick spendabel. Die Reform fördert großzügig Familien, indem sie ihnen Geld gibt. Pensionisten, indem sie ihnen Geld gibt. Allen Bürgern schenkt sie Klimabonus-Geld (das sie ihnen an der Zapfsäule „fürs“ Klima abgenommen hat). Sie hat Arbeitnehmern schon davor mit Klimaticket Geld gebracht. Sie schenkt den Unternehmen Geld, indem sie die Gewinne weniger besteuert. Das ließe sich fortsetzen. Aber ein Muster ist schon aus diesen Punkten erkennbar: Hier fehlt nicht das Geld, aber hinter dem Geld fehlt die Idee. Die Einnahmen werden nicht gebündelt, um Neues zu gestalten. Etwa, indem man Milliarden aus der Mineralölsteuer verwendet, um Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren: Erneuerbare Energien, allen voran Fotovoltaik, Windkraft, die Wende bei der Wärmeenergie. Die Konzepte dafür sind sämtlich da und per Mausklick abrufbar (etwa beim Dachverband „Erneuerbare Energie Österreich“). Jeder Euro wäre sinnvoll investiert, hätte eine hohe Folgerentabilität, würde also Wirtschaftswachstum abwerfen.

Man muss die Bürger nicht mit Boni zum Klimaschutz locken. Sie schätzen die Gefahr des Nichtstuns wesentlich besser ein als die Regierung selbst.

Man könnte in diesen Zusammenhängen auch noch höher greifen und versuchen, ein gesellschaftliches Umdenken in die Wege zu leiten, mit Angeboten und leichtem „Schubsen“ Richtung Nachhaltigkeit: Investiere dein Geld in Erneuerbare und du zahlst weniger oder keine Steuern. Zahle hohe Steuern für Industrie- und Importfleisch und einen guten Preis für Biofleisch. Investiere in eine neue Heizung und die Regierung verdoppelt die Landesförderung dafür. Oder aber, wenn es um die vielzitierten Regionalkreisläufe geht: Zeige deinen Willen fürs Gemeinwohl und erspare dir Steuern durch kommunale Arbeit. Werde als Unternehmer regional aktiv und spare Abgaben. Beschäftige Teile deiner Belegschaft an gewissen Tagen im Homeoffice und der Staat fördert die digitale Grundausstattung in den Regionen dafür. Oder aber für die ganz Mutigen: Wir erhöhen die CO₂-Steuer empfindlich, investieren das Ganze aber in die öffentlichen Netze und machen die Öffis für alle gratis. Es ließen sich also Dinge tun, die in Europa Vorbild wären.

Zum Un-Willen der Wähler

Leider steht nichts dergleichen in diesem Steuerreformpaket. Das ist deshalb so ärgerlich, weil die Politik eigentlich keinen anderen Zweck hätte, als solche gesellschaftlichen Änderungsprozesse gesetzlich und finanziell zu rahmen und zu leiten. Wie diese Funktion aber die österreichische Bundesregierung versteht, ist schnell erklärt: „Ein jeder von euch bekommt einen kleinen Haufen Geld, was ihr damit tut, ist uns eigentlich vollkommen egal.“ Das hat etwas von der Selbstauffassung eines Geldschiebers. Ob das nun der ÖVP oder den Grünen geschuldet ist, ist unerheblich. Denn egal, ob die Reform konservativ, wirtschaftlich, ökologisch oder sozial gedacht sein sollte – sie macht in keinem dieser Zusammenhänge viel Sinn.

Die Österreicher haben die Corona-Pandemie in den ersten Monaten – geleitet von einer stringenten Politik der Bundesregierung – vorbildlich gestemmt. Sie konnten zu recht stolz sein auf das Erreichte. Das war, bevor sich Gezauder, Klientilismus und Chaos der Regierenden in Bund und Ländern durchsetzten. Nun ist es beim Klima ganz ähnlich: Die Österreicher wollen nach Umfragen tatsächlich mit breiter Mehrheit (88 Prozent) etwas für das Klima tun und wären bereit, diese Last für ihre Kinder und Enkelkinder zu stemmen. Aber sie dürfen nicht. Die Regierung traut es ihnen nicht zu. Das ist das eigentliche Armutszeugnis dieser Steuerreform und auch dieser Regierung.

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