6808471-1972_21_01.jpg
Digital In Arbeit

Wer mit wem, warum, wozu?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Zeiten haben sich sehr geändert. Vorbei die Tage, da ein Bundeskanzler und Parteiführer „sein Organ” brauchte und dieses Organ, ein Faß ohne Boden (und fast auch ohne Leser), nahezu 120 Millionen verschlang, ehe es plötzlich verschwand. Vorbei auch die Tage, da eine Redaktion unter Führung ihres Chefredakteurs sozusagen „über Nacht” den Verlag wechselte und aus dem (eher „schwarzen”) „Bild-Telegraf” der (eher „rote”) „Express” wurde. Das alles war einmal, so wie die „Neue Zeitung” einmal gewesen ist, in welche die Wiener SPÖ Unsummen steckte und prompt verlor, wie es ja auch den „Express” nicht mehr gibt.

An dessen Grab wurde ein bedeutsames Lied gesunden, natürlich vor der Fernsehkamera; nach dem Spektakel von halbem Streik und gänzlicher Versöhnung schritten Vorsitzender Kreisky, Journalistengewerkschaftler Nenning und ein Schock Redakteure zur Tat. Heraus kam der Entwurf eines „Offenle-gungsgesetzes” und — als berühmte „flankierende Maßnahme” — ein Entwurf einer Novelle zum Journalistengesetz, die künftig verhindern sollten, was eben passiert war und die vor allem ein für allemal „transparent” machen sollten, was der reifen, demokratischen Öffentlichkeit bisher (angeblich) verborgengehalten wurde. Die Entwürfe liegen vor. Aber sie liegen eben. Was aus ihnen werden wird, ist noch unbekannt. So eilig, scheint es, wie man es damit ursprünglich hatte, hat man es jetzt nicht mehr ...

Hingegen bahnen sich Entscheidungen an, die man sehr gut auch solche „vor Morgengrauen” nennen könnte und die weit über den Wiener Zeitungsmarkt hinaus den gesamten österreichischen betreffen werden.

So hört man, daß die BAWAG, beziehungsweise deren (auch mit bundesdeutschem Kapital versehene) Tochter INGEBE ihren 51-Prozent-Anteil am „Pressehaus” an ihre Minderheitsgesellschafter „Dichand & Falk” (derzeit 49 Prozent) verkaufen wollen. Dem lägen, heißt es in der BAWAG, „rein wirtschaftliche Überlegungen zugrunde”.

Nun mag es ja sein, daß die BAWAG (oder INGEBE) sich seinerzeit mit Steyrermühl-, Elbemühl- und Pressehaus-Engagements ein wenig übernommen hat. Sein mag auch, daß das sich damals abzeichnende, phantasievolle neue „Zeitungsimperium” an jenen „inneren Widersprüchen” scheiterte, die zum Dogma des Sozialismus schlechthin gehören. Aber man sollte, auf Deutungen angewiesen, wo die vielberufene „Transparenz” noch nicht existiert, nicht übersehen, wer da mit wem aus welchen Gründen neuerdings handelseins wird.

Schließlich waren es die der BAWAG nicht ganz fernstehende SPÖ, der ÖGB und die „Arbeiter-Zeitung”, welche der Firma „Dichand & Falk” einst das „Ausräuchern” wünschten und sich anschickten, solches auch zu tun. Sie mögen dafür gute Gründe geltend gemacht haben. Einmal sozusagen „rechtliche” — doch die hat man mittlerweile „verglichen”, wenn auch in erster Linie mit Olah, aber „Dichand & Falk” waren, wie man von Dr. Rosenzweig hörte, die hochherzigen Zahler. Teils aus alter Anhänglichkeit an den Geburtshelfer, teils als A-Contisten für dessen Memoiren, auf welche man aber unter den obwaltenden Umständen vielleicht noch etwas wird warten müssen. Denn eigentlich kann es in der SPÖ, im ÖGB, im Parteiverlag „Vorwärts” und auch in der BAWAG, ja vielleicht sogar bei „Dichand & Falk”, niemanden geben, der sich das rasche, ungekürzte und unfrisierte Erscheinen der wirklichen Memoiren der „Unperson” Olah brennend wünschen möchte.

Die „Kronen-Zeitung” hatte einst sogenannte „Buh-Männer”, die sie zu solchen „der Nation” aufblies: etwa Minister Dr. Broda, ÖGB-Prä-sident Benya, BAWAG-Chef Klen-ner und natürlich auch Felix Slavik. Seit sie mit der BAWAG in einer Firma sitzt, sind die meisten davon sozusagen „ersatzlos” abgebaut worden. Das ist, rückblickend auf den „Buh-Eifer”, einigermaßen erstaunlich.

Erstaunlich ist auch, mit wie unvoreingenommener Tatkraft die BAWAG (oder die INGEBE) jetzt ihren Minoritätspartner „Dichand & Falk” den ganzen Pressehauskomplex übergibt und, wie man hört, auch noch den dafür nötigen Kreditanteil beisteuert.

Vieles daran mag wirklich „bloß Geschäft” sein; aber man wäre ein hoffnungslos ungelernter Österreicher, schlösse man nicht auch auf Politik. Denn daß eine so tiefgreifende „politische Feindschaft”, wie sie einst bestand, angesichts von Millionen rasch in ihr Gegenteil umschlägt, möchte man zugunsten der SPÖ, ihres Vorsitzenden und der da nicht abseitsstehenden BAWAG gar nicht erst annehmen.

Die Firma „Dichand & Falk” erhält,, wenn sie das Pressehaus bekommt, auch einige wirkliche Renommierkundschaften: zum Beispiel „Die Presse” und die „Wochenpresse”, und so besehen, sind „Dichand & Falk” dann nicht nur die Machthaber über Österreichs größte Zeitung (die auch zu den größten Zeitungen Europas zählt), sondern auch über Österreichs größtes Zeitungsdruckhaus.

Die BAWAG, so darf man schließen, erhält dafür, wenn auch nicht sogleich, so doch im Zuge einer geplanten Abstattung, viel Geld. Und vielleicht auch die Sicherheit, daß, solange man ihr etwas davon schuldet, der Debitor den Kreditor nicht justament madig machen wird, was wohl auch noch für einige Freunde des Kreditors gelten könnte.

In Wien stehen sich dann eigentlich nur noch „Kurier” und „Kronen-Zeitung” auf dem Markte gegenüber, denn „Die Presse” leidet schwer, wie man weiß, und mit ihr leidet der österreichische Wirtschaftsbund, beziehungsweise wohl auch die Bundeskammer. Auch die „Arbeiter-Zeitung” leidet, aber das könnte sich ändern, wenn sie einmal ins Pressehaus übersiedelt, wogegen man derzeit an der Rechten Wienzeile noch einigermaßen hinhaltend Widerstand leistet. Es soll dort Männer geben, die recht wenig von den großzügigen Plänen halten.

Man wird nicht fehlgehen, wenn man — zumindest was die Wiener Zeitungsverlage betrifft — auch bezüglich des Kreiskyschen TV-Einfalles ein heftiges Gezerre zwischen

Fortsetzung auf Seite 2

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung