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Wie familienfreundlich sind die Sozialisten?

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Aus Anlaß des nun zu Ende gehenden Jahres der Familie hat die FURCHE zwei Autoren eingeladen, noch einmal die Argumente in zwei Themenkreisen zusammenzufassen, die immer wieder in den Mittelpunkt der Familienpolitik geraten sind: In einen Fall ist es die Frage nach der Einstellung der Sozialisten zur Familie in Theorie und Praxis, was angesichts des erst heuer beschlossenen neuen Programmes der Sozialisten besonders aktuell erscheint. Der zweite Artikel behandelt die Stellung der Familien im Steuerrecht und kommt zum Schluß, daß Ledige und Kinderlose vom Fiskus bevorzugt werden.

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Aus Anlaß des nun zu Ende gehenden Jahres der Familie hat die FURCHE zwei Autoren eingeladen, noch einmal die Argumente in zwei Themenkreisen zusammenzufassen, die immer wieder in den Mittelpunkt der Familienpolitik geraten sind: In einen Fall ist es die Frage nach der Einstellung der Sozialisten zur Familie in Theorie und Praxis, was angesichts des erst heuer beschlossenen neuen Programmes der Sozialisten besonders aktuell erscheint. Der zweite Artikel behandelt die Stellung der Familien im Steuerrecht und kommt zum Schluß, daß Ledige und Kinderlose vom Fiskus bevorzugt werden.

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Schon rein quantitativ mißt das SPÖ-Programm der Familie eine bemerkenswert geringe Bedeutung zu. In Worten gemessen sind es nicht einmal 3 Prozent. Von den rund 18.000 Worten des Programmes werden nur an die 400 der Familien im engeren und weiteren Sinne gewidmet.

Im 222 Worte umfassenden Kapitel „Schule“ kommt das Wort „Eltern“ ein einziges Mal vor, das Wort „Lehrer und Erzieher“ zweimal, das Wort „Familie“ überhaupt nicht, was bezeichnend ist.

Aber auch in qualitativer Hinsicht sind die wenigen Aussagen dürftig. Zum Teil sind es Gemeinplätze. So heißt es im Kapitel „für eine familien-und kinderfreundliche Gesellschaft“ eingangs, daß die SPÖ neben „anderen positiven Formen des Zusammenlebens“ (!) sich zur demokratischen, partnerschaftlichen Familie bekennt, -„die ein wichtiges Bindeglied zwischen den Generationen darstellt und den einzelnen Familienmitgliedern Solidarität, Anteilnahme und Schutz bietet“. So war es im Programmentwurf zu lesen, im definitiven Programm steht jetzt: daß sie „als Brücke zur Gesellschaft“ wirkt und daß „die Entwicklung der Familie wesentlich von den sozialen und ökonomischen Verhältnissen in der Gesellschaft abhängt.“

Eine seltsame Mischung einer Feststellung von Banalem und Falschem. Falsch ist, wenn man meint, daß Familie sich nur als irgendein Teil der Gesellschaft oder besser gesagt der menschlichen Gemeinschaft

„Eine seltsame Mischung einer Feststellung von Banalem und Falschem“

versteht; die Familien sind vielmehr der wesentliche Teil, ja das Fundament derselben

Auch der Partnerschaftscharakter der Familien ist so alt, wie die Familie selbst. Im gesunden Normalfall heiraten Mann und Frau einander natürlich deshalb, um sich in der Ehe Partner sein zu können, was denn sonst? Ein ähnliches Verhältnis gibt es zwischen den Eltern und ihren Kindern.

Wenn aber mit „partnerschaftlich“ eine Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Familienmitglieder im Sinne einer Gleichschaltung gemeint ist, dann ist dies einfach ein Irrtum. Man schaue sich doch eine Familie an: Gleich ist wohl die Grundwürde aller einzelnen Familienmitglieder, aber wie verschieden ist schon ihre Verantwortung? Wie verschieden ihr Beitrag zum Wohle der Familie?

Gleichberechtigte Kinder wären sehr arme Kinder. In Wirklichkeit genießen in einer normalen Familie Kinder Sonderrechte. Nicht Verwöhnung meine ich, sondern ein Mehr an Liebe, ein Mehr an Schutz, ein Mehr ah Zuwendung, ja oft auch ein Mehr an Brot.

Da heißt es im Programm: Die SPÖ bekennt sich zu „einer kinderfreundlichen Gesellschaft, die es sich zur Aufgabe macht, allen Kindern die volle Entwicklung ihrer Fähigkeiten und damit die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen“. Warum, so fragt man sich, geht in dieser kinderfreundlichen Gesellschaft die Zahl der geborenen Kinder in den letzten Jahren immer mehr zurück? Seit 1963 um 50 Prozent bezogen auf die Gesamtbevölkerung!

Die Anstrengungen von Gesundheitsminister Ingrid Leodolter sind anzuerkennen. Aber sie stehen im Widerspruch zu den Aktivitäten von Justizminister Christian Broda, durch die sie mehr als neutralisiert werden. Wer hat die „Fristenlösung“ beschlossen und wer hat das, von 900.000 Stimmbürgern unterschriebene Referendum gegen die Fristenlösung glatt abgelehnt?

Zu einer familienfreundlichen

„Gesellschaftspolitik“ paßt auch nicht die Zunahme der Ehescheidungen und ein Ehescheidungsrecht, das der Annullierung einer Ehe Hilfestellungen gibt, die die Bedeutung ehelicher Treue und Beständigkeit untergräbt und dieser in einer Weise Vor-läufigkeitscharakter gewährt, daß Ehen schon mit der Absicht geschlossen werden, sie einfach wieder zu lösen, „wenn sie eben nicht geht“, oder „wenn man sich geirrt hat“.

In den letzten Jahren wurden in Österreich jedenfalls mehr Ehen durch Tod und Scheidung gelöst als geschlossen, im Jahre 1977 waren es 50.000 gegenüber 45.000 Eheschließungen.

Wenn dem Gesetzgeber wirklich am guten Gelingen einer Ehe und am Glück der Familien seiner Bürger mehr liegt als an der Scheidung, dann müssen die Gesetze auch so sein, daß sie die Ehepartner ermuntern beieinander zu bleiben und ihnen helfen, die Familie zu erhalten, und nicht das Gegenteil. Jedenfalls christliche Staatsbürger und alle, denen menschliche Ordnung ein Anliegen ist, wünschen sich ein derartiges Familien- und Ehescheidungsgesetz.

Der einfache Mensch möchte frei wählen und frei entscheiden können. Dabei hilft ihm sein persönliches Gewissen und nicht ein Kollektivgewissen.

So sehr er weiß, wie wichtig eine gesunde materielle Basis zum Leben ist, so genau weiß er auch, daß sie allein zum Leben nicht ausreicht, daß der Mensch auch Nahrung für sein Gemüt und seinen Geist braucht.

Diese Lebensgrundlagen, möchte er sich selbst erwerben können und dürfen und jede Überbefürsorgung empfindet er als Einschränkung seiner Freiheit.

Er will keine widersprüchliche Politik, die von der „Familie als Form dauernden Zusammenlebens“ wohl spricht, aber versucht, die Bande der Ehe zu lösen und die Bindung der Kinder an ihre Eltern zu sprengen, nur um die einzelnen Menschen damit besser an eine zentralisierte Staatsmacht oder eine anonyme Gesellschaftsmacht ketten zu können.

.Er möchte einen gerechten Staat, in dem es nicht zweierlei Recht gibt. Wenn er auch die Versuchung nicht verkennt, so will er, daß auch das ungeborene Kind wie jeder andere Mensch Rechtsschutz genießt und nicht der Willkür ausgesetzt ist. Er fordert auch den Rechtsschutz der Ehe und des bei eventueller Scheidung unschuldigen Ehepartners.

Er will keine penetrante Einmischung der „Gesellschaft und des Staates“ in die private Familiensphäre und keine Diskrimierung der

„Er will keine penetrante Einmischung in die private Familiensphäre“

Eltern und ihrer Verantwortung für die Familie, denn das verträgt sich nicht mit Freiheit und Familienfreundlichkeit, wohl aber will er Gesetze, die der Bedeutung der Familie gerecht werden und sie anerkennen, dies auch in Form einer Steuergerechtigkeit.

Er will eine wirkliche und wahre kinderfreundliche Einstellung und er lehnt politische Tendenzen ab, die darauf abzielen, die Eltern den Kindern und die Kinder den Eltern zu entziehen. Er wünscht sich eine Ar--beit, die es ihm ermöglicht, ihn und seine Familie zu ernähren und die ihm Freude macht.

Er weiß, daß zum vollen Menschsein Religion gehört und lehnt deshalb eine religionsarme oder religionsfeindliche Gesellschaft ab, weil diese ihm kein Garant für Wahrheit und individuelle menschliche Freiheit ist.

(Der Autor ist Vorstand der Universitätskinderklinik in Innsbruck) ,

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