Rückblende: In der Wiener Löwelstraße, der Zentrale sozialdemokratischen Machtbewusstseins, erklangen die Alarmglöckchen in den Tagen nach dem EU-Wahldebakel derart helle, dass gleich mehrmals Demoskopen ins Feld geschickt wurden, um der politischen Stimmung im Volk nachzuforschen. Dabei soll sich Erstaunliches ergeben haben: Die Befrager fanden nämlich heraus, dass die ÖVP die SPÖ erstmals in der Geschichte überholt hatte bei der Frage: „Welcher Partei trauen Sie die Sicherung der Arbeitslätze eher zu?“
Seither ist es vorbei – nicht nur mit der angeblich unsinkbaren Arbeitsmarkt-Kompetenz der SPÖ, sondern auch mit dem Grundvertrauen in die Steuerkraft Werner Faymanns. Denn der scheint die schallenden Ohrfeigen des Wählers mit zarten Streicheleinheiten zu verwechseln, und so auch Faymann aktuell zum trend: „Man darf nicht in Depressionen verfallen … So bereitet man vielleicht nächste Erfolge vor.“
Ungeduldige Genossen
Doch während der Bundeskanzler gutgelaunt auf die politische Erholung wartet, scharen sich die ungeduldigen Genossen zunehmend um den steirischen Landeshauptmann Voves, der einen radikal anderen Kurs auch in der Regierungsarbeit einfordert. Zuletzt stellte auch der einflussreiche sozialdemokratische Gewerkschaftsblock FSG der Bundespartei samt Kuschelkurs die Rute ins Fenster. FSG-Chef Wilhelm Haberzettl riet seinen Genossen dazu, einen „sehr klaren Kurs in der Vermögenssteuerdebatte zu formulieren“. Und drohend Richtung Kanzleramt meinte Haberzettl, die roten Arbeitnehmer könnten sich auch durchaus Eigenständigkeiten gegenüber der Bundespartei erlauben.
Auch im Wahlkampf in Oberösterreich werden die Forderungen für eine Reichensteuer immer radikaler. SPÖ-Oberösterreich-Spitzenkandidat Erich Haider meint nun, Kapitalgesellschaften – darunter fallen GesmbHs und Aktiengesellschaften – sollten zusätzlich zu den 25 Prozent Körperschaftssteuer (KöSt) während der Krise eine „Solidarabgabe“ von einem Prozent auf ihre Gewinnausschüttungen zahlen.
Dieser Ruf nach „echter“ Umverteilung lässt sich nur schwer mit Faymanns „eher rechtem als linkem“ wirtschaftspolitischem Kurs (Eigendefinition) vereinbaren. Erschwerend zu den Umfragen, die die SPÖ auch insgesamt mit steigendem Abstand hinter der ÖVP orten, kommt noch, dass die Kronen Zeitung statt für ihren ehemaligen Lieblingspolitiker nachhaltig für die Prölls an der Staatsspitze wirbt, wie täglich in Artikeln und Kommentaren nachzulesen ist.
Worauf setzt der Kanzler? Auf die Mobilisierung älterer Wähler, darauf, dass Hans-Peter Martin bei den nächsten Wahlen nicht um SPÖ-Stimmen buhlt – und auf Zeit. Letzteres könnte fatal sein: Historisch gesehen steigt innerhalb der ÖVP mit den Umfragewerten auch die Lust auf Neuwahlen – und das exponenziell. (tan)
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