Ich möchte kein Heiliger sein, mit ihnen lebt es sich so schwer", schrieb die (dennoch heilig gesprochene) Mystikerin Teresa von Avila in ihrem "Abendgebet einer Nonne", einem Lieblingstext von Kardinal König.
Von den Päpsten Johannes XXIII. und Johannes P aul II. liegen keine diesbezüglichen Erwartungen vor - jetzt sind auch sie zur Heiligkeit aufgestiegen. Was immer das bedeuten mag.
Die gut tausendjährige Geschichte christlicher Heiligsprechungen (seit dem Jahr 993) ist voll von Frage-und Rufzeichen; untrennbar verbunden mit kirchen-und machtpolitischen Interessen, auch mit einer bemerkenswert dünnen Scheidelinie zwischen jenen, die dann entweder zu Ketzern oder zu Heiligen wurden.
"Wozu Heilige?" fragten große Medien angesichts der Zeremonien des vergangenen Sonntags eher ratlos. Ein schwieriges Thema. Unbestritten ist: Auch die Kirchen wissen um unser Urbedürfnis nach Vorbildern und unsere Sehnsucht, am Beispiel anderer zu lernen -um besser zu werden, als wir jetzt sind.
Außerkirchlich wären da etwa Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela, Claus Graf Stauffenberg und andere zu nennen.
Das Christentum legt noch eines drauf. Es ehrt das "Glaubenszeugnis", also die Frömmigkeit, Barmherzigkeit, den Bekennermut -all das möglichst im Übermaß. Und es adelt Mittler, die uns helfen, Brücken zum fernen, unsichtbaren Gott zu bauen. Im Mittelalter reichte allein die Volksverehrung zur Heiligkeit. Erst der Rationalismus wollte auch Beweise -Wunder - sehen; zwei als Voraussetzung für die Heiligkeit. Papst Franziskus hat diese Bedingung beim Konzilspapst Johannes XXIII. klug unterlaufen (siehe auch FURCHE Nr. 17). Ein Schritt zum Guten. Denn: Dass Gott konkret -und durch Menschen -in die Naturgesetze eingreift, befremdet heute nicht nur ein verbreitetes Lebensgefühl, es ist auch theologisch umstritten.
Die Heiligkeit alles Geschaffenen
Nichtkatholiken und säkulare Menschen stehen den Heiligsprechungen Roms oft kritisch gegenüber. "Das Christentum hat nichts mit Monotheismus zu tun: 3000 Heilige -das ist Polytheismus der offensichtlichen Art", ärgerte sich George Steiner, der jüdische Universalgelehrte, kürzlich in der deutschen Zeit. Der Unterschied zwischen "anbeten" und "verehren" ist ihm offenbar nicht vertraut.
Für den heiligen Paulus war die Sache klar: Heilig, weil von Gott geliebt und zum Heil berufen, ist -trotz aller Fehler -jeder Christ. Aus dieser Sicht ist auch an eine Mönchstradition zu erinnern, die ungeachtet klösterlicher Heiligenverehrung darauf beharrt, dass wir die "Heiligkeit" nicht nur auf eine kleine Zahl von Menschen, Orten, Augenblicken etc. beschränken sollten, um alles andere als "weltlich" abzustempeln. Nein, alles von Gott Geschaffene -auch jeder Mensch -sei wesenhaft heilig, heißt es da. Ein Weltbild, das uns manche Konflikte und Unmenschlichkeiten ersparen könnte.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!