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„Wenn 20 Jahre nichts geschehen Ist, so ist ein solcher Vorschlag ein ganz bedeutendes Konzept“, erklärte Bundesminister für Verkehr Dr. Weiß den versammelten Journalisten dm Concordla-Presseklub, umgeben von seinen Regierungskollegen Kotzina, Mitterer und Pisa, zum Gesamtverkehrskonzept der österreichischen Bundesregierung. Da ein solches Gesamtverkehrskonzept jedoch auch praktische Auswirkungen haben muß, wird man in den nächsten Monaten und Jahren diverse Gesetze auf Bundes- und Landesebene verabschieden müssen, um Minister Kotzinas Worte wahr zu machen — „wenn man diese Arbeit ernst nimmt, wird man auch ernste Konsequenzen daraus ziehen müssen".

Zwei Millionen Kraftfahrzeuge, davon eine Million Personenkraftwagen und rund 106.000 Lastkraftwagen, hatten der Bundesregierung ebenso wie 164.000 in der Verkehrswirtschaft beschäftigten Personen bewiesen, daß nun endlich nach 20jährigem Flickwerk auch auf dem Verkehrssektor ein Gesamtkonzept erarbeitet werden müßte. Denn schließlich kann man es sich auch in Österreich nicht leisten, 19 Milliarden Schilling — so hoch ist nämlich der Anteil der Verkehrswirtschaft am Bruttonationalprodukt — zu vergeuden. Und sollte die Verkehrsentwicklung ähnlich fortschreiten, wie in den vergangenen Jahren, würden es nämlich alle sieben Millionen Österreicher zu spüren bekommen, wenn noch mehr Sand ins Verkehrsgetriebe gerät.

Die Lage Österreichs erfordert aber auch noch, neben dem inländischen Verkehr den sogenannten Transitverkehr auf Straße und Schiene zu berücksichtigen, so daß man auch mit dem Anwachsen des Kraftfahrzeugbestandes und dem Ausbau der Eisenbahnnetze der Nachbarländer Schritt halten muß. Und hier hat Österreich durch das 20jährige Dahinprobiefeh ‘ ohnehin schon einen Rückstand gegenüber sefnen westlichen Nachbarn.

Leerläufe im Konzept

Der am 12. Dezember 1966 beschlossene Auftrag an die Bundesregierung, ein Gesamtverkehrskonzept auszuarbeiten, stützte sich dabei hauptsächlich auf die angeführten Probleme.

In dem nunmehr vorliegenden Konzept sind allerdings noch viele Leerläufe zu verzeichnen. Einerseits deswegen, weil die legislativen Schritte fehlen, um das Konzept zur Realität werden zu lassen, anderseits weil es auf dem Sektor des Ausbaues der Verkehrseinrichtungen an Geld mangelt.

So kündigte Kotzina selbst an, erst wenn eine Reform der Bundesstraßenfinanzierung zu einem einheitlichen Fonds erfolgen würde, in dem die notwendigen Mittel gesammelt werden und wo weitschauend und kontinuierlich finanziert würde, könnte man damit rechnen, daß der Straßenbau bessere Fortschritte als derzeit mache.

Verkehrsminister Weiß dagegen braucht ebenfalls erst ein Bundesbahngesetz und eine entsprechende Sanierung der Bundesbahn und deren Tarife, um die ÖBB nach oben führen zu können.

Und Handelsmini’Ster Mitterer meinte, eine neue Gewerbeordnung, die demnächst herauskomme, würde vor allem auf dem Lastfuhrwerkssektor durch Neuordnung der Konzessionen Abhilfe schaffen.

Hauptproblem Lkw

Denn zu den Hauptproblemen der Straße, als der derzeit wichtigsten Verkehrsader, zählt der Lkw. Haben doch erst kürzlich anläßlich eines Symposiums in München und ähnlicher Veranstaltungen in Wien Fachleute nachgewiesen, daß ein schwerer Lastwagenzug die Straße ähnlich strapaziere wie zehntausende Pkw. Die neue Konzessionsordnung innerhalb der novellierten Gewerbeordnung soll nunmehr Lastfuhrwerke zulassen, die bis 80 km Entfernung fahren dürfen und solche, die das Recht haben, auch über weitere Strecken Transporte durchzuführen.

An Autobahnbenutzungsgebühren und dergleichen denkt man dagegen weiterhin nur bei Mautstraßen wie der Brennerautobahn.

Im ganzen gesehen wird das Konzept als Bestandsaufnahme und Maßnahmekatalog vorgestellt, der vor allem dem Gedanken einer sinnvollen Verkehrsteilung entsprechen söll. Erreicht werden soll mit derartigen Maßnahmen dabei;

• Den berechtigten Forderungen der Bevölkerung und der Wirtschaft nach modernen, sicheren, leistungsfähigen und nachfragegerechten Verkehrsdiensten, bei freier Wahl des Verkehrsträgers, zu entsprechen; • die Wirtschaftslage der einzelnen Verkehrsträger so au gestalten, daß sie auf läng&re Sicht gesunden und aus eigener Kraft die ihnen im Rahmen der österreichischen Volkswirtschaft übertragenen Aufgaben erfüllen können; insbesondere ine Verbesserung der wirtschaftlichen Gestion der seit vielen Jahrein defizitären österreichischen Bundesbahnen wiederherzustellen;

die arteigenen Vorteile der einzelnen Verkehrsträger zu aktivieren und die einzelnen Unternehmen auf ihre zukünftigen Aufgaben auszu- richten;

die institutionellen Voraussetzungen für eine befriedigende Koordination der Verkehrsmärkte zu schaffen;

die Verkehrsträger vor Eingriffen zu schützen, die ihre Eigenwirtschaftlichkeit nachteilig beeinflussen können;

die technische Entwicklung des Verkehrs in Österreich sinnvoll allen Lebensbereichen einzuordnen und eine bestmögliche Produktivität der vorhandenen und noch zu schaffenden Infrastruktur zu gewährleisten.

Wie schwierig es allerdings sein wird, geht aus Minister Weiß’ Äußerung hervor, als er vom „Bahnhofzusperren“ und „Haltestellenauflas- sen“ bei den ÖBB sprach. Denn wenn man dort richtig vorgeht, müßte man nämlich aus Rationalisierungsgründen an gewissen Strecken bis zu 50 Prozent der Stationen zusperren. Denn die wenigen Schwarzfahrer mehr kosten der Bundesbahn nicht die Hälfte dessen, was das Besetzungspersonal an Kosten bringt. Da der Verkehr aber nach Mitterer ständig in Entwicklung ist, wird es schwer sein, trotz inseitigem Ge- samtverkehrskonzept die Weichen vorausschauend richtig zu stellen.

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