Ein Jahr ohne Frieden
DISKURSStefan Brunnhuber: „Wer kann es besser?“
Stefan Brunnhuber sieht die Zukunft im Zeichen globaler Schocks: ein Gespräch über die Kunst der Transformation und den aktuellen Systemkonflikt zwischen offenen und autokratischen Gesellschaften.
Stefan Brunnhuber sieht die Zukunft im Zeichen globaler Schocks: ein Gespräch über die Kunst der Transformation und den aktuellen Systemkonflikt zwischen offenen und autokratischen Gesellschaften.
Impulse zur nachhaltigen Veränderung waren bei den „Tagen der Transformation“ herzlich willkommen – egal, ob sie aus der Wissenschaft, der Kunst oder der Zivilgesellschaft stammen. Stefan Brunnhuber wählte dafür eine integrative Perspektive: Der Vollzug eines solchen Wandels sei in sich schon eine Kunst, erläuterte der Psychiater und Wirtschaftssoziologe in seinem Vortrag bei der „Globart“-Veranstaltung, die am 30. September und 1. Oktober im inspirierenden Rahmen des Stifts Melk stattfand.
Brunnhuber ist ärztlicher Direktor an einem Fachkrankenhaus in Colditz (Sachsen), der sich in zahlreichen Gremien für eine ökologische Transformation und offene Gesellschaft engagiert. Das zeigt sich auch in seinen Buchpublikationen. Der Dahrendorf-Schüler ist ein Vertreter des Kritischen Rationalismus. Er fungiert u. a. als Vollmitglied im „Club of Rome“ und sitzt als Mitglied der FDP im Beirat der deutschen Bundesregierung für Finanzen und Nachhaltigkeit. Die FURCHE bat ihn im Rahmen der „Globart“-Tage zum Interview.
DIE FURCHE: Mit dem Ukraine-Krieg zeigt der russische Präsident Wladimir Putin in aller Deutlichkeit, welches Projekt er seit Langem verfolgt: die gewaltsame Rückabwicklung von Weltgeschichte. Wirkt es da nicht zunehmend seltsam, wenn wir in den westlichen Gesellschaften weiterhin von Fortschritt und Transformation sprechen, während sich die globale Situation zunehmend verdüstert?
Stefan Brunnhuber: In allen Autokratien wird die Zivilgesellschaft unterdrückt. Im Ukraine-Krieg sehen wir jetzt aber gerade die Wirkmächtigkeit der Zivilgesellschaft: So ist sie für die Ukraine zu einem wichtigen Teil des militärischen Erfolgs geworden. Die Teilmobilisierung in Russland hingegen hat viele Männer zum Auswandern bewegt. Und werfen Sie einen Blick auf die aktuelle Protestwelle im Iran: Dort schneiden sich die Frauen die Haare ab, weil sie endlich frei sein wollen. Prinzipiell lässt der Begriff der Transformation ein Bild in zwei Richtungen zu: einerseits die Progression, hin zu mehr Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, andererseits die Regression in die geschlossene Gesellschaft. Der aktuelle Systemkonflikt verläuft nicht zwischen linken und rechten Narrativen, sondern zwischen offenen und autokratischen Gesellschaften. Im Hinblick auf die nötige Transformation stellt sich somit eine entscheidende Frage: Wer kann es besser?
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