Der Ausschuss wirkt, noch ehe er beginnt

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Am Freitag begann die Arbeit im Untersuchungsausschuss, der sechs verschiedene Polit-Affären unter die Lupe nimmt. Die Diskussion darüber könnte stärkere Konsequenzen haben als der tatsächliche Ausgang.

Auch der Bundespräsident spricht davon. In seiner Nationalfeiertags-Ansprache widmete Heinz Fischer ein knappes Drittel seiner Rede dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Er betonte dessen große Verantwortung für die politische Kultur in Österreich. Und er appellierte deutlich an die Parlamentarier, "den Untersuchungsausschuss nicht zu einem Instrument des gegenseitigen Verunglimpfens zu machen“.

Nie zuvor hat ein U-Ausschuss so viel an Aufmerksamkeit erregt, haben sich so viele zu Wort gemeldet, wie bei jenem zum Thema Korruption, der vorige Woche startete. Sechzehn Parlamentarier untersuchen in den nächsten Monaten sechs Affären. Viele teilen die Sorge des Präsidenten, der U-Ausschuss könnte in parteipolitischer Vernaderung enden. Denn: Alle Parteien außer den Grünen sind in die Skandale verwickelt.

Die Wirkung des U-Ausschusses

Deren Abgeordnete Gabriele Moser, nach zähem Ringen zur Ausschussvorsitzenden ernannt, versprach jedenfalls einen "seriösen Arbeitsstil ohne Wadlbeißerei“. Die Bedeutung des Ausschusses für den Stellenwert des Parlamentarismus wird stets betont. Parlamentspräsidentin Barbara Prammer sieht sogar die letzte Chance für die Akzeptanz des Kontrollinstrumentes Untersuchungsausschuss. "Es ist jedenfalls ein Prüfstein für die Wirksamkeit des Instruments“, meint auch Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus.

Bisherige Untersuchungsausschüsse waren nämlich nicht immer erfolgreich: Der letzte U-Ausschuss sollte 2009 eine Reihe an Spitzel- und Spionageverdächtigungen im Bereich des Parlaments klären. Gegen den Willen der Opposition wurde er von den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP abgebrochen. Ein ähnlich abruptes Ende ohne gemeinsamen Schlussbericht wäre auch diesmal denkbar, sollten Details ans Licht kommen, die vor allem die Koalitionspartner kompromittieren. Zögernitz, der seine Erwartungen an den U-Ausschuss als "mitteloptimistisch“ bezeichnet, erhofft sich aber einen anderes Ergebnis: "Alle Parteien waren dafür, und alle werden versuchen davon zu profitieren. Es darf nur kein politischer Kleinkrieg daraus werden.“

Die Gefahr, dass der Ausschuss vor allem der politischen Inszenierung dient, besteht. Aber allein die Tatsache, dass die Untersuchung der Skandale in Parlament und Öffentlichkeit so einen hohen Stellenwert hat, wertet Zögernitz als positiv: "Die Diskussion über den U-Ausschuss hat wahrscheinlich mehr Wirkung als das Endergebnis. Politisches Handeln wird unter einem neuen Gesichtspunkt diskutiert, das Transparenzgesetz wird beschleunigt.“

Sollte tatsächlich das Gefühl seriöser Arbeit vermittelt werden, könnte der Untersuchungsausschuss das Image der Politik an sich verbessern. Und das hätte diese dringend nötig: 74 Prozent der Österreicher interessieren sich nicht für innenpolitische Vorgänge, bescheinigte eine IMAS-Umfrage vom September. Politikwissenschaftler sehen die zahlreichen Korruptionsaffären als eine der Ursachen der starken Politikverdrossenheit in Österreich. Andererseits könnte bloße gegenseitige Vernaderung im U-Ausschuss das Vertrauen in die Politik weiter schwächen.

Ein wesentlicher Aspekt, der über Gelingen oder Scheitern entscheidet, ist laut Zögernitz, ob es gelingt, den "Tribunalcharakter“ abzulegen. In der Vergangenheit waren Zeugen, im Ausschuss als "Auskunftspersonen“ bezeichnet, oft wie Beschuldigte behandelt worden. "Und bereits jetzt sind Vorverurteilungen im Gange“, warnt Zögernitz.

Schlüssel-Thema der nächsten Zeit

Die Zusammenarbeit mit der Justiz werde ein weiteres Qualitätskriterium sein, erwartet Zögernitz. Denn in einigen Affären wird auch strafrechtlich ermittelt, man darf sich bei den Ermittlungen nicht in die Quere kommen. "Vor allem darf sich der Ausschuss nicht wichtiger nehmen als die Gerichte“, mahnt er.

Bis zum Sommer 2012, vielleicht sogar länger wird der Ausschuss an Zeit in Anspruch nehmen. Die Kosten trägt das Parlamentsbudget. Eine halbe Million Euro wird der U-Ausschuss mindestens kosten, realistisch sind Gesamtkosten von mehreren Millionen Euro. Nicht nur aus budgetären Gründen hofft Zögernitz auf zügige Arbeit der Parlamentarier: "Der U-Ausschuss wird in der nächsten Zeit die übrige parlamentarische Arbeit aus der Öffentlichkeit verdrängen. Es wird zwei große Parlamentarierinnen geben - die Ausschussvorsitzende und die Präsidentin - und andere wichtige Themen werden in den Hintergrund treten“, fürchtet Zögernitz. Am längsten dauerte bisher übrigens der Untersuchungsausschuss über Heeresflugzeugeinkäufe in den 1970er-Jahren: drei Jahre und neun Monate. Es ist also möglich, dass der Untersuchungsausschuss den Bundespräsidenten auch an den nächsten Nationalfeiertagen beschäftigen wird.

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