Heinz Mayer: „Ein aufgelegter Elfmeter“
Verfassungsrechtler Heinz Mayer über die Entscheidung, Sebastian Kurz durch einen Richter befragen zu lassen, politische Angriffe auf die Justiz und die Verhöhnung parlamentarischer Kontrollinstanzen.
Verfassungsrechtler Heinz Mayer über die Entscheidung, Sebastian Kurz durch einen Richter befragen zu lassen, politische Angriffe auf die Justiz und die Verhöhnung parlamentarischer Kontrollinstanzen.
Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Wunsch gewährt, im Rahmen der Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), sondern von einem Richter befragt zu werden. Die Opposition ortet „Zweiklassen-Justiz“. Zu Recht? Ein Gespräch mit Heinz Mayer, Verfassungsjurist sowie Mitinitiator des Anti-KorruptionsVolksbegehrens.
DIE FURCHE: Kann man sich grundsätzlich aussuchen, von wem man befragt wird?
Heinz Mayer: Die Strafprozessordnung sieht vor, dass die Befragung des Tatverdächtigen in gewissen Fällen von einem Gericht zu erfolgen hat. Das trifft bei Sebastian Kurz zu. Ausschlaggebend dafür sind ein hoher Bekanntheitsgrad sowie ein großes öffentliches Interesse an einem Fall. Die WKStA hätte dem Antrag nach dem Text des Gesetzes stattgeben müssen. Dass sie es nicht getan hat, liegt wohl daran, dass das bei Politikern noch nie getan wurde. Da hat man vermutlich die Ansicht vertreten, wir behandeln den Kanzler wie alle Politiker vor ihm auch. Das war aber leider im Ergebnis nicht besonders klug.
DIE FURCHE: Man könnte aber auch sagen: Das Verfahren führt ja weiter die WKStA, nur die Befragung führt eben ein Richter.
Mayer: Genau. Es ist ein Streit um des Kaisers Bart. Im Ergebnis ist das egal. Selbst wenn der Richter dem Kanzler den roten Teppich ausrollen sollte – was nicht passieren wird –, bleibt es ja der WKStA vorbehalten, Anklage zu erheben oder nicht. Die Aussage des Tatverdächtigen hat da nicht viel Gewicht. Er hat ja auch die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. Es besteht auch keine Wahrheitspflicht. Nicht für den Tatverdächtigen. Und eben auch keine Pflicht zur Aussage. Er kann auch lügen. Kein Beschuldigter muss sich selbst belasten.
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