"FPÖ dünnt Rechtsextremismus- Ermittlungen aus"

Werbung
Werbung
Werbung

"Dass die Polizei intime Details von mir weiß, ist für sich alleine noch nicht das große Thema. Die entscheidende Frage ist: Was passiert mit diesen Informationen?"

Der prominente Verfassungsrechtler Heinz Mayer hat höchstens eine "vage Hoffnung", dass Ermittlungen der Geheimdienste nicht einschlägig von den Wünschen des Ministeriums beeinflusst werden.

DIE FURCHE: Innen-und Verteidigungsministerium sind unter der neuen Regierung in Hand derselben Partei. Für wie heikel halten Sie, dass damit auch alle drei Geheimdienste von einer Partei kontrolliert werden?

Heinz Mayer: Aufgabe der Geheimdienste ist es, den Grund unserer Gesellschaft zu beobachten, den man öffentlich nicht sieht. Denn er kann allenfalls zu einer Gefahr für die Republik werden. Die Dienste operieren hier relativ frei. Es gibt keine genauen Regelungen, wie sie wann und wo vorgehen sollen, sondern sie beobachten. Entscheidend ist jetzt natürlich: Was sehen sie? Was nehmen sie überhaupt in den Blick? Was wollen sie sehen? Und welche Konsequenzen gibt es für das, was sie gesehen haben? Da besteht die Gefahr, dass eine Partei wie die FPÖ, die doch relativ am Rand des politischen Spektrums steht und eine sehr bedenkliche Nähe zum Rechtsextremismus aufweist, gewisse Dinge ausblendet und nicht so deutlich sieht, die aber sehr sehenswert wären. Insofern ist die Situation anders als unter den Alleinregierungen zwischen 1966 und 1983, als zunächst ÖVP und dann SPÖ ebenfalls alle drei Geheimdienste in ihrer Hand hatte. Denn diese Parteien waren mehr in der Mitte der Gesellschaft positioniert und es war nicht zu befürchten, dass sie rechts oder links nichts sehen. Bei der FPÖ liegt das Problem dagegen auf der Hand -und das ist die Gefahr.

DIE FURCHE: FP-Innenminister Herbert Kickl hat etwa Alexander Höferl als Kommunikationschef an zentrale Stelle in sein Kabinett geholt. Höferl war maßgeblich an der extrem rechten Website unzensuriert.at beteiligt, die unter kritischer Beobachtung des Verfassungsschutzes stand. Ebendiesem Verfassungsschutz steht Kickl jetzt als oberster Chef vor. Muss man Verschwörungstheoretiker sein, um zu erwarten, dass Ermittlungen im Bereich Rechtsextremismus nun stark zurückgefahren werden?

Mayer: Nein, dafür muss man kein Verschwörungstheoretiker sein, sondern das liegt auf der Hand! Die einzige Hoffnung, die man haben kann, ist, dass die Beamten dieser Geheimdienste sich nicht vollständig gängeln lassen; dass sie ihr Know-how auch weiter ähnlich verwenden, wie sie es bisher getan haben. Das allerdings ist nur eine sehr vage Hoffnung. Denn wenn der Vorgesetzte und seine Mitarbeiter über längere Zeit versuchen, Einfluss zu nehmen, dann wird die eine oder andere Stelle wahrscheinlich früher oder später nachgeben. Den Beamten selbst kann man das nicht unbedingt verdenken, denn die müssen gegenüber der politischen Führung loyal sein. Und wenn diese nicht offensichtlich, sondern nur verdeckt Missbrauch treibt, werden die Beamten sich den Wünschen ihrer Vorgesetzten schwer entziehen können. Mit ausgedünnten Ermittlungen im Bereich Rechtsextremismus ist also jedenfalls zu rechnen.

DIE FURCHE: Hinzu kommt: Man erwartet, dass in den Geheimdiensten personell umgerührt wird. Und Neubesetzungen erfolgen nach parteipolitischen Erwägungen.

Mayer: Damit ist selbstverständlich zu rechnen und das erhöht die Gefahr enorm. Sollten tatsächlich leitende Beamte in diesen Diensten durch "Blaue" ersetzt werden, dann wird das zuvor Angesprochene zur offenen Gefahr.

DIE FURCHE: Eine zentrale Sorge ist auch, dass zusammengeführte Informationen von drei Diensten Missbrauch deutlich erleichtern. Welche möglichen Szenarien sehen Sie?

Mayer: Ende der Neunzigerjahre hat sich Jörg Haider damit gebrüstet, alle geheimen Informationen aus dem Polizeicomputer EKIS zu bekommen, die er haben will. Viele Informationen über bestimmte Personen hat er dann auch öffentlich im Parlament thematisiert. Es hat sich herausgestellt, dass ein blauer Polizeigewerkschafter ihm diese Daten zuvor illegal aus dem Polizeicomputer zur Verfügung gestellt hat. Ein beispielloser Skandal. Ich sehe nicht, dass sich in der FPÖ so viel geändert hätte, dass diese Gefahr nicht mehr bestünde.

DIE FURCHE: Die neue Regierung plant einen großflächigen Ausbau elektronischer Überwachung. So könnte etwa der berühmte "Bundestrojaner" kommen. Wie schätzen Sie generell das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse

an Schutz von Privatsphäre und dem öffentlichen Interesse an Prävention von Straftaten ein? Mayer: Auf der einen Seite brauchen wir eine effiziente Überwachung, das ist unbestritten. Auf der anderen Seite: Wenn die Ergebnisse dieser Überwachung nicht in wirklich verlässlichen Händen landen, ist Missbrauch natürlich umso stärker zu befürchten. Das Schlimme sind ja nicht die Überwachungsmaßnahmen an sich, sondern die Gefahr des Missbrauchs. Dass die Polizei intime Details von mir weiß, ist für sich alleine noch nicht das Thema. Die Frage ist: Was passiert mit diesen Informationen?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung