Verfassungsrechtlicher Spießroutenlauf?

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Immer mehr private Sicherheitsfirmen werden im Staatsdienst eingesetzt. Wie heikel das sein kann, zeigte ein rechtsextremer Security im BVT-U-Ausschuss. Kommt nun eine eigene "Parlaments-Polizei"?

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Immer mehr private Sicherheitsfirmen werden im Staatsdienst eingesetzt. Wie heikel das sein kann, zeigte ein rechtsextremer Security im BVT-U-Ausschuss. Kommt nun eine eigene "Parlaments-Polizei"?

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"Security-Services" sind eine Boom-Branche. Die Angst vor Anschlägen und das Bedürfnis nach sichtbarer Sicherheit haben dazu geführt, dass sogenannte private Sicherheits-Agenten aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Sie kontrollieren Taschen vor Konzertbesuchen, hindern Störenfriede am Zutritt in Einkaufszentren, beenden Schlägereien in Diskotheken. Zum Einsatz kommen sie aber nicht nur in der Privatwirtschaft, Aufträge erteilt auch der Staat. Und das nicht zu knapp. Zunehmend werden öffentliche Sicherheitsaufgaben an diverse Spezial-Firmen ausgelagert. Ein Grund dafür ist etwa der Personalmangel im öffentlichen Dienst, verursacht durch eine Pensionierungswelle und der Tatsache, dass viele der Stellen nicht mehr nachbesetzt wurden. Erst ein Skandal beim BVT-Untersuchungsausschuss sensibilisierte die Öffentlichkeit für die Methode des "Beleihens von Sicherheitsbelangen", wie es im Fachjargon heißt. Wie berichtet, wurde im November 2018 ein im Parlament eingesetzter Security-Mitarbeiter als Rechtsextremist entlarvt. Bei dem Mann soll es sich um einen Vertrauten von Gottfried Küssel handeln, einem berüchtigten Neonazi, deutschnationalen Burschenschaftler und Holocaust-Leugner. Der mittlerweile vom Dienst freigestellte Sicherheitsmitarbeiter hatte während seiner Arbeit die Möglichkeit, an heikle Daten zu gelangen - ausgerechnet in einem U-Ausschuss, in dem auch Ermittlungen gegen die rechtsextreme Szene behandelt wurden. Eine Causa, die weit über Österreichs Grenzen hinaus für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Dass es Vorfälle wie diesen nicht mehr geben darf, darüber besteht parteiübergreifender Konsens. Allerdings bekommt dieser Risse, sobald es um die Frage geht, wie solche Fälle in Zukunft verhindert werden sollen. Mehrere Szenarien werden diskutiert.

Keine Grundlage für Überprüfung

So fordern manche, künftig überhaupt keine privaten Sicherheitsdienste mehr für Staatszwecke einzusetzen. Für den Alltag hieße das: Einlasskontrollen dürften nur noch von der Exekutive durchgeführt werden. Alexander Marakovits, Kommunikationschef im Innenministerium, hält diesen Vorschlag für undenkbar: "Das käme einer Personal-Verdoppelung gleich. Ich zweifle daran, ob es Aufgabe der Polizei ist, in Taschen hineinzuschauen. Schließlich kostet jeder Beamte dem Steuerzahler Geld."

Klingt plausibel. Ist allerdings (noch) nicht realisierbar. Denn es gibt schlichtweg keine gesetzliche Grundlage für eine Überprüfungspflicht wie diese. Was aber bereits möglich ist, im Falle des Küssel-Vertrauten allerdings versäumt wurde, ist das fallbezogene Ansuchen einer Überprüfung durch das Innenministerium. Das bestätigt auch Verfassungsrechtlerin Angelika Adensamer von "Epicenter Works":"Der Innenminister kann vom Nationalratspräsidenten ersucht werden, eine Sicherheitsüberprüfung bei einem speziellen Mitarbeiter durchführen zu lassen. Im Vorfeld des BVT-Untersuchungsausschusses ist das nicht passiert."

Tatsächlich kann Adensamer der Forderung nach einer "Parlaments-Polizei" etwas abgewinnen. Einige ÖVP-Abgeordnete hatten den Vorschlag nach Aufdeckung des Skandals ins Spiel gebracht. Gemeint sind Sicherheitsmitarbeiter, die weder von ei-

Laut Marakovits spricht man sich im Innenministerium eher für eine verpflichtende Sicherheits-Überprüfung für jeden privaten Sicherheits-Mitarbeiter aus. "Bevor einem zivilen Dienstleister eine öffentliche Sicherheitsangelegenheit übertragen wird, sollte dieser genauso überprüft werden. Vergleichbar wäre das mit dem Check, der bei Anwärtern auf den Polizei-Dienst gemacht wird." ner Privatfirma gestellt werden, noch klassische Polizisten sind -was bedeutet, sie wären nicht dem Innenministerium unterstellt. Stattdessen wäre der Sicherheitsdienst hauptberuflich für das Parlament zuständig. Für diesen Spezial-Fall wäre auch eine verpflichtende, umfassende Sicherheitsprüfung gesetzeskonform. In Deutschland wird nach diesem System vorgegangen und es scheint sich bewährt zu haben.

Laut Parlamentssprecher Karl-Heinz Grundböck wird die Einführung einer "Parlaments-Polizei" ernsthaft im Präsidium diskutiert. Grundböck: "Im Schnitt sind 20 bis 25 Personen im Parlament für Sicherheitsbelange eingesetzt. Derzeit aufgrund der Sanierung und der erweiterten Standorte sind es mehr. An Spitzentagen, wie etwa am Tag der offenen Tür, brauchen wir allerdings rund 80 Security-Mitarbeiter. Wie dieser Spagat mit einer Parlaments-Polizei geschafft werden kann, ist zu klären." Trotzdem gibt sich der Sprecher zuversichtlich und schätzt, dass spätestens nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen eine Lösung gefunden ist.

309 Pistolen, 58.000 Stichwaffen

Doch auch wenn private Security-Firmen aus dem Parlament verbannt werden, heißt das noch lange nicht, dass sie mit dem Staat keine Geschäfte mehr machen können. Schließlich werden sie nicht nur vom Parlament beschäftigt. Ganz im Gegenteil: Vor allem innerhalb des Justizwesens werden sie im großem Stil gebucht und auch das Innenministerium selbst tritt regelmäßig als Auftraggeber auf.

Auf Nachfrage der FURCHE beim Justizministerium erklärt Stabsstellenleiterin Britta Tichy-Martin: "Nach dem Amoklauf im Bezirksgericht Linz-Urfahr haben wir ab dem Jahr 2000 begonnen, österreichweit Zutrittskontrollen im Bereich von Gerichtsgebäuden einzuführen. Wir beschäftigen die privaten Sicherheitsfirmen G4S/ÖWD, Sodexo sowie Simacek."

Dass Zutrittskontrollen bei Gericht durchaus Sinn machen, zeigt eine Bilanz aus dem Jahr 2017: In Summe hatten die Kontrolleure den Besuchern 280.323 gefährliche Gegenstände abgenommen, darunter fielen 309 Pistolen, 58.147 Hieb-und Stichwaffen und 221.867 sonstige Gefahrengüter wie Pfeffersprays oder Schraubenzieher.

Laut Verfassungsrechtlerin Adensamer werden auch staatliche Hoheitsaufgaben im Verwaltungsbereich -von der Nationalbank, über Austro Control bis hin zu Begutachtungsplaketten für Fahrzeuge -sehr häufig ausgelagert. Die Expertin: "In einigen Punkten, wie etwa beim TÜV-Pickerl, macht das auch Sinn. Aber: Dort, wo es in den Zwangsbereich geht, also z. B eine unerwünschte Person aus dem Gerichtssaal geworfen wird, wird es verfassungsrechtlich problematisch." Denn der Staat würde durch die quantitativ hohe "Beleihung" in seinem Gewaltmonopol massiv geschwächt. Ganz besonders kritisch sieht die Verfassungsrechtlerin die Auslagerung von Sicherheitsaufgaben beim Thema Fremdenwesen.

Als Beispiel nennt die Juristin das umstrittene Anhaltezentrum Drasenhofen. Dort gehört es offenbar zur gängigen Praxis, dass Wachdienstleister die jugendlichen Geflüchteten bei ihren einstündigen Ausgängen begleiten. Kann der Fall Drasenhofen für das staatliche Gewaltmonopol gefährlich werden?

"Definitiv nicht", erklärt Christoph Pölzl, Ressortsprecher des Innenministeriums. "Die Mitarbeiter der Firma G4S tragen bei ihrer Tätigkeit zwar eine einheitliche Dienstkleidung, aber weder Waffen noch sonstige Ausrüstung. Sie verfügen über keinerlei Berechtigung zur Befugnisausübung. Zwangsgewalt ist ausschließlich den Exekutivbeamten vorbehalten."

Be-oder Entlastung für Steuertopf?

Sind "Security-Services" also gerade dank staatlicher Aufträge eine Boom-Branche? Zumindest sind die externen Dienstleister trotz angedachter Parlaments-Polizei, verfassungsrechtlicher Bedenken und den diversen Grauzonen beim Gesetz nicht mehr wegzudenken. Sie unterstützen die Exekutive und entlasten den Steuertopf. Das behauptet zumindest die Regierung. Es gibt auch Stimmen, die vom Gegenteil ausgehen. So hatte etwa die "Liste Pilz" errechnet, dass der Einsatz von privaten Security-Firmen dem Staat sogar 1,7 Millionen Euro mehr koste, als wenn Beamte für die Belange abgestellt werden würden.

Wer am Ende recht hat, das kann auch "Epicenter Works"-Juristin Adensamer nicht einschätzen. Dagegen bringt sie den Vorwurf der Vetternwirtschaft ins Spiel: "Wir hören immer wieder, dass Security-Firmen oft horrende Summen verlangen, nur weil sie mit Staatsbediensteten auf Du und Du sind." So bestünden hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Qualifikation des Security-Personals große Unterschiede und es wäre oft schleierhaft, warum teils immer wieder dieselbe Firma zum Zug kommt.

Gemeint ist unter anderen die Sicherheitsfirma "G4S", die in Vordernberg tätig ist. Was kann sie, was andere nicht können? Ministeriumssprecher Pölzl: "Es müsste nicht zwingend dieses Unternehmen den Auftrag bekommen. Aber die diesbezügliche Entscheidung liegt bei der Gemeinde vor Ort. Und die hat gute Erfahrungen mit G4S gemacht."

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