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1975 mit Atomstrom
Als „überfällig“ bezeichnet man im Verkehrsministerium die Gründung der Bau- und Betriebsgesellschaft für das erste österreichische Atomkraftwerk, dessen Baubeginn für 1970 festgesetzt werden mußte, damit es — die mehr als vierjährige Bauzeit berücksichtigt — 1975 in Betrieb genommen werden kann. Ab diesem Zeitpunkt nämlich wird eine Inlandsdeckung des bis dahin stark angestiegenen Strombedarfes nur noch durch ein so leistungsfähiges Kraftwerk möglich sein, wie es ein Atomkraftwerk ist.
Als „überfällig“ bezeichnet man im Verkehrsministerium die Gründung der Bau- und Betriebsgesellschaft für das erste österreichische Atomkraftwerk, dessen Baubeginn für 1970 festgesetzt werden mußte, damit es — die mehr als vierjährige Bauzeit berücksichtigt — 1975 in Betrieb genommen werden kann. Ab diesem Zeitpunkt nämlich wird eine Inlandsdeckung des bis dahin stark angestiegenen Strombedarfes nur noch durch ein so leistungsfähiges Kraftwerk möglich sein, wie es ein Atomkraftwerk ist.
Die Überfälligkeit resultiert aus der Uneinigkeit der beiden großen Stromversorgungsgruppen Österreichs — der Verbundgruppe und der Landesgesellschaften — über eine mögliche Rechtsform einer solchen Gesellschaft und die Art und Stärke der Beteiligung daran. Die Lösung der Gesellschaftsformfrage ist aber auch deshalb dringlich geworden, weil die Vorbereitungsarbeiten für den Bau des ersten österreichischen „Kernenergiemeilers“ schon weit gedieheh sind. Bereits Ende Mai wurde auf internationaler Ebene eine Ausschreibung für das Kraftwerksprojekt auf General-unteroehmerbasis durchgeführt; die Anbotsfrist ist mit 1. September abgesteckt. Bis zu diesem Zeitpunkt
müßte die Bau- und Betriebsgesellschaft arbeitsfähig sein, da sie kompetenter Verhandlungspartner für bewerbende Unternehmen ist.
Internationale Unternehmen
In eingeweihten Kreisen rechnet man mit der Bewerbung von Firmen aus mindestens fünf Nationen, die bereits langjährige Erfahrungen auf dem Sektor Kernkraftwerksbau aufweisen können: Der BNDC — British Nuclear Design Contraction Lim., aus Großbritannien, das mit derzeit 130.000 Millionen Kilowattstunden erzeugten Atomstrom bisher mehr Kernenergie produziert hat als die übrige Welt, drei bis vier großen Unternehmen, darunter We-stinghouse und General Electric, aus
den gleichfalls auf dem Kernkraftwerkssektor hochentwickelten Vereinigten Staaten von Amerika, die möglicherweise in Zusammenarbeit mit den Schweizer Brown-Boveri-Werken das Projekt durchführen wollen, der kanadischen Atomic Energy of Ganada Lim., der schwedischen ASEA-Atom und der deutschen von Siemens und AEG gebildeten Kraftwerks-Union. Es ist kaum anzunehmen, daß sich bis Ablauf der Ausschreibungsfrist am 1. September noch weitere Firmen aus anderen Staaten um das Projekt bewerben werden, die erfah-rungs-, leistungs- und preismäßig mit den genannten Unternehmen Schritt halten können. Auch die Frage des endgültigen Standortes des Atomkraftwerkes muß bis Herbst geklärt sein. Bisher wurde der Standort lediglich auf das Gebiet zwischen Tulln und Krems südlich der Donau eingeengt, exakt jedoch noch nicht festgestellt, weil noch Bodenuntersuchungen durchgeführt werden müssen. Bis Frühjahr kommenden Jahres wird sodann die Entscheidung über die Auftragsvergabe auf Grund der eingelangten Anbote getroffen und anschließend das Detailprojekt in
der Planung fertiggestellt werden. Uran für Schwerwasserreaktoren könnte Österreich auf dem freien Markt auf Grund von Preisangeboten einkaufen wie beispielsweise in Südafrika, in Kanada oder im Kongo. Brennstoff für Leichtwasser-und Gasreaktoren — ein mit dem Isotop „Uran 235“ leicht angereichertes Uran — kann derzeit nur aus den USA bezogen werden, mit denen aber Österreich bereits ein auf 30 Jahre laufendes Abkommen über Lieferung dieses Kernbrennstoffes geschlossen hat, der auch schon in den österreichischen Forschungsreaktoren wie beispielsweise Seibersdorf verwendet wird. Der Kernteil des Atomkraftwerkes wird übrigens der einzige Anteil des mit rund drei Milliarden Schilling Gesamtkosten veranschlagten Kernkraftwerkes sein, der aus dem Ausland bezogen werden muß. Die meisten Bau- und Lieferverträge werden an österreichische Unternehmen vergeben werden können. Eine Studie des österreichischen Atomforums beschäftigt sich damit und weist nach, daß die heimische Industrie ohne weiteres in der Lage ist, auch für diesen ihr völlig neuen Liefersektor mehr als 70 Prozent des Lieferwerkes selbst zu fertigen.
Unberechtigte Proteste
Die Interessentenliste umfaßt vorläufig 50 österreichische Unternehmen aller Produktionssparten sowohl der verstaatlichten als auch der privat geführten Industrie. Diesen Betrieben könnten im Rahmen des Kernkraftwerksbaues rund 2,1 Milliarden Schilling an Auftragsvolumen zufließen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, Erfahrungen auf dem Gebiet des Atomkraft-
werksbaues zu gewinnen, die ihnen zweifellos in Zukunft zugute kommen werden, da nach Vorausschätzungen der Wissenschaft auch in Österreich der Kemkraftwerksaus-bau innerhalb der nächsten Jahre rasch zunehmen wird. Allein bis 1985 rechnet man mit Bauaufträgen im Gesamtwert von rund 30 Milliarden Schilling, wobei diese Prognose von der niedrigst möglichen Strombedarfszuwachsrate hochgerechnet wurde.
Atomstrom hat nicht nur den wirtschaftlichen Vorteil, billiger als jeder in anderen Kraftwerken produzierte Strom erzeugt werden zu können; mit dem Bau von Kernkraftwerken sind auch gesundheitspolitische Erfolge zu erzielen: Im Gegensatz zu der niederösterreichischen Ärztekammer und ähnlichen „Gesundheits-schützem“, die mit kaum ernstzunehmenden Argumenten gegen das Atomkraftwerk Bedenken angemeldet haben, steht auf Grund der Erfahrungswerte anderer Länder fest, daß diese Kraftwerksart weit weniger Gesundheitsschäden verursacht als beispielsweise die Kraftwerke herkömmlicher Bauart, die durch Fluß- und Luftverunreinigungen äußerst gesundheitsschädigend sind. Die Meinung, daß die „Ausstrahlung“ von Kernkraftwerken nicht nur die Bevölkerung der umliegenden Siedlungen direkt gesundheitlich schädigt, sondern sogar Erbschäden hervorrufen kann, hat die Wissenschaft bereits längst als Irrglauben entlarvt. Auch bei einer am 3. Juli von Verkehrsminister Weiß veranstalteten Enquente über die Sicherheit von Atomkraftwerken haben Fachexperten der Strahlenmedizin aus drei Ländern diesen Umstand eindeutig festgehalten.
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