Underground Railroad - © Foto: Amazon Studios/Kyle Kaplan

Amazons Diversitätsrichtlinien: Identitätspolitik im Filmgeschäft

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Mit den kürzlich veröffentlichten Diversitätsrichtlinien der Amazon Studios setzt sich die Identitätspolitik auch in der Filmbranche fest. Mit weitreichenden Konsequenzen, die etwa die Philosophie des Schauspieler(innen)berufs ad absurdum führen. Ein Einwurf.

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Mit den kürzlich veröffentlichten Diversitätsrichtlinien der Amazon Studios setzt sich die Identitätspolitik auch in der Filmbranche fest. Mit weitreichenden Konsequenzen, die etwa die Philosophie des Schauspieler(innen)berufs ad absurdum führen. Ein Einwurf.

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Die Identitätspolitik erfasst immer weitere Bereiche von Kultur und Gesellschaft. Jüngstes Beispiel sind die Amazon Studios, eine nicht unbedeutende Filmproduktionsgesellschaft, die zuletzt mit zwölf Oscar-Nominierungen auch künstlerisch on sich reden machte.

„Es ist unsere Absicht, wann immer das möglich ist, Rollen mit Schauspielern zu besetzen, deren Identität der Identität des Charakters entspricht, den sie verkörpern“: So steht es in den kürzlich veröffentlichten Diversitätsrichtlinien, denen künftig alle Produktionen der Amazon Studios gehorchen müssen. In der dazugehörigen Gebrauchsanweisung werden explizit Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung und Behinderung als entsprechende Identitätsmerkmale genannt.

Gut gemeint ist längst nicht gut

Ziel der Richtlinien ist es, die Sichtbarkeit von Minderheiten und speziellen Communitys zu erhöhen und auch eine größere Authentizität bei der Darstellung von Figuren in Filmen und Serien zu erreichen. Auch soll dadurch Schauspielern, die solchen Gruppen angehören, eine Chance gegeben werden. Nach dem Motto: Transsexuelle beispielsweise haben es ohnehin schwer, Rollen zu bekommen – wenn also in einer Produktion eine transsexuelle Figur auftritt, dann soll diese bitteschön auch von einem transsexuellen Schauspieler verkörpert werden.

Das sind zweifellos hehre und im Prinzip unterstützenswerte Anliegen. Doch wie so oft gilt die Binsenweisheit: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Die Forderung, dass die Identitäten des Schauspielers und der von ihm verkörperten Figur eins sein sollen, steht bei genauerer Betrachtung im diametralen Widerspruch zu dem, was die Richtlinie eigentlich erreichen will, nämlich Inklusion. Denkt man Amazons Diversity-Richtlinien konsequent zu Ende, so führt dies zu haarsträubenden Konsequenzen.

Unter anderem wird der Beruf des Schauspielers in Frage gestellt, der ja gerade darin besteht, dass jemand für ein Publikum in einen Charakter schlüpft, der ein anderer ist als er selbst. Dass der Darsteller von Richard III. in Wahrheit weder König noch Mörder noch bucklig ist, ist jedem Zuseher klar und hat bislang zu Recht niemanden gestört. Ganz grundsätzlich ist ein Regelwerk wie Amazons „Inclusion Playbook“ natürlich auch ein massiver Eingriff in die Freiheit der Kunst.

Die Kehrseite der Richtlinien

Großartige Filme wie „Brokeback Mountain“ (zwei heterosexuelle Schauspieler verkörpern zwei homosexuelle Cowboys) oder „Mein linker Fuß“ (ein Nichtbehinderter spielt einen Behinderten) hätten unter diesen Vorgaben nicht realisiert werden dürfen. Vermutlich würden die Verantwortlichen der Diversity-Richtlinien sogar sagen: „Gut so! In diesen Filmen hätten homosexuelle bzw. ein behinderter Schauspieler zum Zug kommen sollen.“

Dabei scheinen sie aber die Kehrseite der Richtlinien zu übersehen: Wenn die Identitäten von Schauspieler und Rolle übereinstimmen müssen, dann dürfen zum Beispiel Homosexuelle nur homosexuelle Figuren oder Behinderte nur behinderte Figuren verkörpern. Darsteller, die einer dieser Gruppen angehören, sind also demnach für alle Zeiten auf bestimmte Rollen festgelegt. Inklusion aber sollte doch in diesem Fall bedeuten, dass ein Schauspieler, egal welcher Minderheit oder Community er angehört, die unterschiedlichsten Rollen spielen kann, ohne dass sich daran jemand stört.

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