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Ratschläge einer Kaiserin

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DIE MUTTER UND DIE KAISERIN. Briefe der Maria Theresia an ihre Kinder und Vertrauten. Aus dem Französischen von Carl Rothe. Herold-Verlag, Wien 1968, 364 Seiten, Leinen S 238.—, bei Subskription bis 31. Dezember 1968 S 198.—.

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DIE MUTTER UND DIE KAISERIN. Briefe der Maria Theresia an ihre Kinder und Vertrauten. Aus dem Französischen von Carl Rothe. Herold-Verlag, Wien 1968, 364 Seiten, Leinen S 238.—, bei Subskription bis 31. Dezember 1968 S 198.—.

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Der 250. Geburtstag Maria Theresias hat 1967 eine erfreuliche Bereicherung der biographischen Literatur gebracht, die Briefsammlung Carl Rothes konnte wegen dessen Erkrankung erst 1968 erscheinen, und zwar als 2. Auflage der vor zwei Jahrzehnten gedruckten und vergriffenen Erstauflage. Es handelt sich um keine „kritisch-wissenschaftliche Arbeit“, sondern um den Versuch, an 216 Briefen, gerichtet von 1741 bis 1780 an Familienangehörige, Staatsmänner und Diplomaten, Feldherren und Personen des Vertrautenkreises die Vielfalt der Gedanken, Interessen, Sorgen und Ratschläge auf allen nur denkbaren Gebieten zu zeigen. Vieles ist zeitgebunden, vieles aber zeitlos gültig, bemerkenswert der kulturgeschichtliche Einblick in das Leben in Paris, Parma, Florenz, Neapel, Modena und Köln-Münster, wo überall Kinder der Kaiserin Kronen trugen oder regierten.

Der große Wert der Briefauslese liegt in der Betonung der noch heute belehrenden Äußerungen Maria Theresias: Die Kaiserin war bestrebt, „aus den christlichen Übungen alle übrigen Tugenden zu schöpfen“, betrachtete „im rechtschaffenen Lebenswandel den einzigen Weg, etwas zu erreichen“, und meinte, es gäbe „kein Mittel gegen den Tod, wenn unsere Stunde geschlagen hat“. Im Mitmenschen sehe man nicht bloß die Fehler, sonst verkennt man seine wirklichen Qualitäten, man höre seine Meinung und glaube nicht, „alle anderen hätten unrecht und verdienen keine Beachtung… man muß klarsehen, alsdann kann man seinen Entschluß fassen.“ Nie handelte die Kaiserin „gegen Gewissen und Überzeugung“, immer „ohne zu hoffen, jemals die Früchte meiner Tätigkeit zu pflücken, ohne Rücksicht, wieweit mein Dasein davon betroffen werden könnte“.

In der Ehe — schreibt die Mutter ihren zum Teil „als Opfer der Pflicht“ bezeichneten Töchtern — komme es neben der Liebe auf wahre Freundschaft an und „alles hängt von der Frau ab“. Maria Theresia konnte an „der unglücklichen Du- barry“ nicht vorbeisehen, sie beugte sich der Staatsräson, wünschte aber „ihren Namen nicht mehr zu hören“. Der König möge ihr Los mildern, „soweit es Menschlichkeit gebietet“ — welche großmütige Selbstüberwindung der sittenstrengen Monarchin! Die für die Erziehung Josefs dem Fürsten Batthyäny erteilten Richtlinien sind ewige Grundregeln für Unterricht und Strafe. Der jüngste Sohn, Maximilian, bekam eine Unterweisung über die „Freiheit von allem Zwang, dem Zauberwort, das man an die Stelle der Religion setzen will — man verurteilt die Vergangenheit wegen ihrer angeblichen Unwissenheit, ohne über Vergangenheit und Gegenwart wirklich Bescheid zu wissen. Diese Irrlehre leistet den gierigen Leidenschaften vortrefflich Vorschub“. In der Politik wünschte Maria Theresia gute Beziehungen zu den Ungarn, „denen ich die Rettung des Thrones verdanke“, man komme ihnen mit Vertrauen und Liebe entgegen und man werde erkennen, „wieviel von dieser Nation zu erwarten ist“. Ihren Kindern in fernen Ländern empfahl sie, sich „den Bräuchen des dortigen Volkes anzupassen, auch die gleich-

gültigsten Dinge zu verstehen“, was „die Verehrung aller einträgt“. Die Vorliebe der Kaiserin für das Militär scheint in vielen Briefen auf, voll Weisheit sollte die Landesverteidigung wohl stark sein, aber nicht die Kräfte des Staates übersteigen. Heutzutage wird Maria Theresia als Friedensfanatikerin gepriesen, weil sie im chancenlosen Bayrischen Erbfolgekrieg rechtzeitig den Frieden erzwang; 1740 und 1756 mußte sie mit gleicher Entschlossenheit das Schwert führen. Selbstverständlich haßte sie den Krieg, war er aber unvermeidlich, dann drang sie auf humanen Kampf, und deshalb ermahnte sie Josef „wegen dem Brandzeug… Gott bewahre uns vor dergleichen Erfindungen, die das Menschengeschlecht aus weiten Entfernungen vernichten sollen“.

Rothes ungemein gefällig ausgestattete Publikation war notwendig, denn niemand könnte sich in Arneths 20 Bänden, auf die sich der Herausgeber größtenteils stützt, so rasch, so einfach und so angenehm in die Persönlichkeit der Kaiserin vertiefen, wie sie mit eigenen Worten ihrer ganzen Regierungszeit Lebendigkeit und Beispielkraft verleiht.

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