Jesus war eher doch nicht verheiratet

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Ein Stückchen Papyrus soll Hinweise darauf geben, dass Jesus verheiratet war. Der Hype um diese "Sensation“ dürfte aber bewusst inszeniert worden sein.

D er Ort hätte nicht besser gewählt sein können: In einem Vortragssaal direkt vor den Toren des Petersdoms in Rom wurde am 19. September ein "häretischer“ Papyrus publik gemacht. Karen King stellte ihn auf dem 10. Internationalen Kongress für Koptologie vor. Dass viele Medien Beiträge zu diesem Thema zeitgleich veröffentlichten, während just zu dieser Zeit auf der Homepage der Harvard-Universität eine Edition des Papyrus erschien, zeigt, dass gezieltes Marketing im Vorfeld geplant worden war.

Luther nagelte seine Thesen noch in Wittenberg an die Kirchentüren, heute steht historische Wissenschaft ganz real vor den Toren des Vatikans: Kann sie mit Dokumenten zeigen, dass Jesus verheiratet war - oder dass man zumindest bereits im zweiten Jahrhundert in dieser Frage geteilter Meinung war? Hatte Dan Brown doch recht mit seinem Roman "Sakrileg“, in dem er angebliche "historische Recherchen“ verarbeitete und eine Ehe zwischen Maria von Magdala und Jesus postulierte?

Die Fragwürdigkeit der Sensation

Die Wissenschafterin, die den Papyrus veröffentlicht hat, möchte zwar nicht mit Dan Brown in Verbindung gebracht werden. Der Professorin wie dem Bestsellerautor ist es jedoch gelungen, mit ihren Thesen eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Die Reaktionen beim Koptologenkongress waren geteilt. Die Art, wie die "sensationelle Entdeckung“ der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde, erweckte den Eindruck, es habe sich um eine Inszenierung gehandelt. Das Stückchen Papyrus stammt aus Privatbesitz, der jetzige Besitzer wird nicht namentlich genannt, auf obskure handschriftliche Notizen wird verwiesen. Kein Wunder, dass auch die Hypothese einer möglichen Fälschung auf dem Kongress die Runde machte. Doch, einmal angenommen, dass das Objekt selbst "echt“ ist, so bleibt noch immer derart viel fragwürdig, dass man als Wissenschafter nur staunen kann, dass der Text in dieser Form publik gemacht wurde.

Die Datierung ist provokant: Es handelt sich um eine sehr merkwürdige Handschrift mit meist gut lesbaren Buchstaben, die jedoch keiner bekannten Handschrift aus koptischer Zeit so ähnlich sind, dass eine verlässliche Datierung aufgrund eines Vergleichs der Handschriften möglich scheint. Als Wissenschafter kann man bei leichter datierbaren koptischen Handschriften rasch um ein oder zwei Jahrhunderte danebenliegen, die Kollegin aus den USA datiert hier sicher und bestimmt: zweite Hälfte viertes Jahrhundert. Eine vorsichtigere Datierung - um ein paar Jahrhunderte später - würde sich natürlich nicht so gut verkaufen. Und eine gewisse Unschärfe bei der Datierung würde selbstverständlich den Eindruck erwecken, dass alles andere auch nicht ganz so sicher ist, wie es verkauft wird.

Doch nun zum Inhalt: Es gibt eine ganze Reihe von Texten aus der Antike, die Interessantes, Heiteres oder auch Befremdliches über Jesus berichten: So soll der kleine Jesus Tontauben das Leben eingehaucht haben, ein anderer Text berichtet minutiös darüber, wie der Auferstandene aus dem Grabe tritt. Das sind bekannte Texte, die längst ihren Neuigkeitswert verloren haben, und so benötigt offensichtlich die Mediengesellschaft einmal mehr den Rummel um einen angeblich verheirateten Jesus, der mit einer Frau namens Maria ein Eheleben geführt hätte. Selbst wenn dieser Text aus dem vierten Jahrhundert stammen sollte, wäre der Zeugniswert für die Zeit Jesu nicht existent. Auch ist nicht erwiesen, ob die darin bezeugte Tradition wirklich, wie behauptet, auf das zweite Jahrhundert zurückgeht.

An ehelichen Beziehungen Jesu hatte man in der Spätantike und dem Mittelalter eigentlich kein Interesse, in einigen antiken Texten glaubt man Hinweise hierfür entdecken zu können, diese sind jedoch nicht eindeutig.

Liest man die biblischen Texte, so fällt auf, dass Petrus verheiratet war (Mk 1,30f) - und damit wäre es biblisch begründbar, dass Päpste verheiratet sein sollten. Doch, das ist keine Nachricht wert. Man kann argumentieren, dass Jesus als "Rabbi“ Frau und Kinder gehabt haben müsse. Er hatte keine Ausbildung als Rabbiner, sodass fraglich ist, ob diese Anrede als Argument für eine Ehe Jesu gewertet werden kann.

Wissenschaftlich bleibt vieles offen

Dass Jesus seine Mutter vom Kreuz herab dem Jünger anvertraute, "den er liebte“ (Joh 19,26f), scheint nun doch eher darauf hinzudeuten, dass er unverheiratet war. Sonst hätten ja entweder allfällige unmündige Kinder und die Frau Jesu ebenfalls jemandem anvertraut werden müssen oder es hätte sich, wenn zumindest ein Sohn bereits mündig gewesen wäre, die Familie um Maria kümmern können. Und so zeigen viel frühere und damit wohl doch auch zuverlässigere Textzeugen, dass zumindest ein Teil der Jünger verheiratet war, während Jesus selbst wohl nicht verheiratet war. Wissenschaftlich bleiben viele Fragen offen. Vielleicht wäre es besser gewesen, auf den inszenierten Medienrummel zu verzichten.

* Der Autor arbeitet im Rahmen eines FWF-Projekts an der Uni Wien an koptischen Handschriften des Johannesevangeliums

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