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Damenwäsche unerwünscht

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Ein Ministerratsbeschluß vom 8. Mai 1968 brachte eine Front der Bundeskammer mit sozialistischer Presse auf die Beine. „Wir fühlen uns vor den Kopf gestoßen und überdies noch verhöhnt“, sollen Funktionäre der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft dem sozialistischen Boulevardblatt „Express“ erklärt haben. Grund für diesen Sturm im Wasserglas war die Einigung des Ministerrates über die Reform der Gewerbeordnung. Sofort mobilisierte man alle der Kammer nahestehenden Abgeordneten des Wirtschaftsbundes und auch die des ÖAAB und deklarierte, man werde notfalls auch im Parlament eine Beschlußfassung über d?e neue Gewerbeordnung zu verhindern wissen. Die Raiffeisengenossenschaften, ob solcher parlamentarischer Pression empört und durch ihre starke Lobby an dem Regierungsbeschluß nicht ganz unbeteiligt, mobilisierten ihre Parlamentsgarde, die Nationalratsabgeordneten des Bauernbundes.

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Ein Ministerratsbeschluß vom 8. Mai 1968 brachte eine Front der Bundeskammer mit sozialistischer Presse auf die Beine. „Wir fühlen uns vor den Kopf gestoßen und überdies noch verhöhnt“, sollen Funktionäre der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft dem sozialistischen Boulevardblatt „Express“ erklärt haben. Grund für diesen Sturm im Wasserglas war die Einigung des Ministerrates über die Reform der Gewerbeordnung. Sofort mobilisierte man alle der Kammer nahestehenden Abgeordneten des Wirtschaftsbundes und auch die des ÖAAB und deklarierte, man werde notfalls auch im Parlament eine Beschlußfassung über d?e neue Gewerbeordnung zu verhindern wissen. Die Raiffeisengenossenschaften, ob solcher parlamentarischer Pression empört und durch ihre starke Lobby an dem Regierungsbeschluß nicht ganz unbeteiligt, mobilisierten ihre Parlamentsgarde, die Nationalratsabgeordneten des Bauernbundes.

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Die Gemüter beruhigten sich keineswegs, ja man warf dem sonst kammerfreundlichen Minister Otto Mit-terer vor, er habe die Interessen derer verraten, denen er sein Mandat und seinen Ministerposten zu danken hat. Ja, es gab nicht wenige, die trotz häherrückender Wahltermine sogar die Ablösung des neuverfemten Mitterer forderten. Allerdings war man mit derartigen Schüssen gegen den Handelsminister fehl am Platz. Denn der nunmehr Angegriffene hatte in der Regierung selbst seinen Posten zur Verfügung stellen wollen, als er merkte, daß die „Agrarier“ wieder einmal die Oberhand behalten würden. Zu diesem Streit, der die nach Wahlniederlagen ohnehin nicht einige ÖVP erneut aufzusplittern drohte, war es gekommen, als bereits vor einem Jahr die Kammern der gewerblichen Wirtschaft erklärt hatten, sie seien nur bereit, einer Reform der Gewerbeordnung zuzustimmen, wenn es gleichzeitig zu einer ihren Interessen entsprechenden Lösung der Genossenschaftsfrage komme. Tatsächlich schien und scheint noch immer die Reform der Gewerbeordnung daran zu scheitern, obwohl diese Verordnung einen der wesentlichsten Punkte des wirtschaftspolitischen Konzepts der Bundesregierung und des „Koren-Planes“ darstellt. Den landwirtschaftlichen Genossenschaften aber wirft man vor, daß sie ihre ursprünglichen Pflichten und auch Rechte heute bei weitem überschreiten und damit jedem gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb entgegenarbeiten.

Ständig haben die Genossenschaften in den letzten Jahren auch ihren Tätigkeitsbereich erweitert. Ursprünglich gegründet für die Beschaffung von Saatgut, Maschinen und Traktoren, kann man heute fast alles wie in einem Warenhaus kaufen: Vom Fernsehgerät bis zur Damenwäsche, von Luxuslimousinen bis zur Waschmaschine erstreckt sich heute das reichhaltige Sortiment der Genossenschaften. Man wirft aber auch den Genossenschaften von seiten des Gewerbes vor, daß sie dazu noch handwerkliche Betriebe und Reparaturwerkstätten für diverse Maschinen und Autos den Lagerhausgenossenschaften abgliedern und so dem ohnehin seh wachen gewerblichen Mittelstand weitere Konkurrenz machen. Nicht genug mit der genannten Anschuldigung gegen das Imperium nach Idee von „Vater Raiffeisen“, glauben besondere Kenner der Entwicklung auch behaupten zu können, daß derartiges Treiben noch mit Mitteln aus dem Grünen Plan subventioniert wird.

Daß aber Negliges mit Agrarsufoventionen gefördert werden, schien den sonst zurückhaltenden Bundeskam-merleuten doch zu stark. Als daher am Donnerstag, dem 8. Mai 1969, der Ministerrat nicht nur den bisherigen Status beließ, sondern für die Genossenschaften noch eine Besserstellung brachte, da platzte den Leuten am Stubenring der Kragen. Noch nie zuvor war die Bundeskammer so scharf auf Antiregierungskurs gegangen.

Schon am 9. Mai 1969 folgte der Rückzug der Bundesregierung. Die eilig einberufene Funktionärskonfe-renz des Wirtschaftsbundes und die Bundeskammer erreichten mit ihrer harten Haltung, daß Vizekanzler Hermann Withalm am Mittwoch nach der auslösenden Ministerratssitzung den Regierungskraftakt für beendet erklärte. Withalm: „Der Gewerbeordnungsentwurf wird nicht in der vom letzten Ministerrat beschlossenen Form dem Parlament zugeleitet werden.“

Scharfe Worte gab es weiter für Mitterer. Der aber machte das beste, was ein Minister in einer solchen Lage tun kann, er begab sich auf Auslandsreise nach den USA, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Die Offensive in Richtung neue Aufgabenbereiche aber bleibt vom Raiffeisensektor bestehen:

• So erhofft man sich von der Liberalisierung der Zweigstedlengrün-dungen — gegen die die Raiffeisen-kassen in ländlichen Bereichen im übrigen starke Opposition machen, ein noch stärkeres Eindringen in großstädtisches Gebiet

• und verweist in immer stärkerem Maße, wie stark man gerade an der Gewerbefinanzierung beteiligt sei.

Damit aber trifft man wieder die gewerblichen Kreditgenossenschaften und Volksbanken, denen eine Liberalisierung für Zweiigstellengründun-gen sehr am Herzen liegt, um endlich gegenüber dem Raiffeisensektor in der Zahl der Institute aufholen zu können. Denn derzeit stehen 2000 Raiffeisenkassen 200 Volksbanken gegenüber.

Der verstärkte Konkurrenzkampf auf dem Geld- und Warensektor zwischen Gewerbe und Landwirtschaft bleibt also. Und daß die Frage der landwirtschaftlichen Genossenschaften noch in dieser Legislaturperiode gelöst wird, scheint auch sehr fraglich. Denn auch die Bauern-bundabgeordneten erheben nun drohend den Finger, sind sie doch größtenteils führende Funktionäre im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen.

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