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Der neue Plan

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Durch Zufall — unsere Firma besitzt eine Niederlassung in München — erfuhr ich, daß die katholische Wochenzeitung „Volksbote“, die in München von einem kleinen sudetendeutschen, katholischen Presseverein herausgegeben wurde, an einer Wende seines Daseins stand. Die ältere Generation der Sudetendeutschen wurde an Zahl immer geringer, die jüngere interessierte sich immer weniger für sudetendeutsche Belange. Blieb der „Volksbote“ eine rein sudetendeutsche Wochenschrift, so war die Gefahr vorhanden, daß er eines Tages eingehen müßte. In Gesprächen mit Mitgliedern des Pressevereins schlug ich ihnen deshalb vor, den „Volksboten“ mit der „Furche“ derart zu vereinigen, daß wir in Wien eine süddeutsche Ausgabe der „Furche" mutierten und diese dann in Deutschland vertrieben, wobei der „Volksbote“ in dies süddeutsche „Furche“ übergehen und vor allem seine Abonnenten übernehmen sollte. Diese süddeutsche Ausgabe r Tte nur eine mutierte Wiener Ausgabe sein, aus der lediglich alles ausgeschieden werden sollte, was zu sehr nur österreichische Interessen berührte. Herausgegeben werden sollte diese „Furche“ in München durch eine Gesellschaft, an der der Wiener Herold-Verlag und der sudetendeutsche Presseverein München sowie höchstens noch der evangelisch Furche-Verlag, Hamburg, beteilig!

sein sollten, und zwar letzterer aus folgenden Gründen: Als Dr. Funder im Jahre 1945 die „Furche“ gründete, war er in Unkenntnis gewesen, daß es schon lange Zeit in Deutschland eine Zeitschrift gleichen Namens gegeben hatte, die von einem evangelischen Verlag in Hamburg herausgegeben worden war. Dr. Funder wählte den Namen „Furche“ wahrscheinlich in Erinnerung an die seinerzeit sehr berühmte katholische Zeitschrift Frankreichs „Le sffllon“. Das NS-Regime hatte die deutsche „Furche“ sehr bald eingestellt. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches trat auch der evangelische Furche-Verlag wieder ins Leben und gab seine Zeitschrift neuerlich heraus. Durch die damaligen schlechten Postverbindungen erfuhren die österreichische und die deutsche „Furche“ sehr spät von der beiderseitigen Existenz. Es kam dann zu einem Gentleman’s \greement, gemäß welchem die österreichische „Furche“ ihren Namen behalten konnte, aber sich verpflichtete, ihr Blatt nicht in Deutschland offiziell zu vertreiben.

Ansonst sollte an dieser Gesellschaft niemand beteiligt sein. Alle Gerüchte über westdeutsches Kapital, über einen angeblichen Einfluß von Franz Josef Strauß, der CDU und sonstiger Kapitalgruppen, die bei der sogenannten Franzel-Kam- pagne auftauchten, waren völlig aus der Luft gegriffen. Der „Furche“-

Verlag, den ich in diese Gesellschaft hineinnehmen wollte, um auch die süddeutsche Ausgabe der österreichischen „Furche“ unter dem Namen „Furche“ vertreiben zu können,

sagte aber ab, und so hätten diese süddeutsche Ausgabe unter einem inderen Namen erscheinen müssen.

Absicht und Plan

Mit diesem Plan verfolgte ich in erster Linie materielle Zwecke: Die Auflage der „Furche“ sollte mit sinem Schlag um mindestens 15,000 Exemplare erhöht werden. Aber daneben verfolgte ich auch einen ideellen Plan: Seif Jahren wurde Österreich von deutschen Zeitschriften und Zeitungen überschwemmt. Durch die süddeutsche Ausgabe der „Furche“ sollten österreichisches Gedankengut nach Deutschland getragen werden und Propaganda für Österreich getrieben werden. In der sogenannten Franzel-Affäre wurde behauptet, daß die „Furche“ nach Deutschland „emigrieren“ wolle. Die Idee des Planes war dagegen eine völlig andere, wie der Leser erkennen kann. Die katholischen „Zürcher Nachrichten“, diie sich in derFranzel- Kampatgne besonders hervortaten und da® Stichwort vom Ausverkauf Österreichs prägten, kamen hierbei in eine tragikomische Situation. Denn zur gleichen Zeit, da versucht werden sollte, mit einer süddeutschen Ausgabe der „Furche“ für Österreich in Deutschland Propaganda zu machen, wurde der Plan laut, die „Wiener Wochenpresse“ mit der „Züricher Weltwoche“ zu fusionieren. Also der gleiche Plan, den ich mit der „Furche“ hatte — nur umgekehrt. Eine solche „Furche“ mit einer mutierten süddeutschen Ausgabe sollte als Herausgeber — nicht als Chefredakteur — einem Publizisten unterstehen, der sowohl in Österreich wie in Deutschland einen guten Namen hatte. Ich schlug drei Namen vor: den damaligen Chefredakteurstellvertreter des „Rheinischen Merkur“ Dr. Anton Böhm, den damaligen Chefredakteur der Wiener „Kathpress“ Dr. Richard Barta und den in München lebenden sudetendeutschen Publizisten Dr. Emil Franzei. Auf Dr. Anton Böhm hatte mich Dr. Roman Herle via Prälat Rudolf ausmerksam gemacht.

Diesen Plan und diese Namen nannte ich in der Generalversammlung des Vereins Herold. Er fand die Zustimmung der Herren. Ich wurde beauftragt, zunächst mit Dr. Böhm zu verhandeln, und falls diese Verhandlungen fehlschlagen sollten, mit Dr. Franzei. Dr. Barta wurde vorderhand nicht ins Kalkül gezogen; die Herren des Vereins Herold glaubten dem Herrn Kardinal diesen wertvol len Mitarbeiter auf dem publizistischen Sektor nicht nehmen zu können. Bei der Generalversammlung versäumte ich nicht, auf die politische Vergangenheit sowohl von Dr. Böhm wie von Dr. Franzei hinzuweisen. Dr. Franzei hatte sich von einem Sozialisten zu einem Konservativen gewandelt und von einem religiös indifferenten Menschen zu einem strenggläubigen Katholiken. Doktor Böhm war kurz nach 1938 kommissarischer Leiter der „Reichspost“ gewesen.

Es mag vielen merkwürdig erscheinen, daß ich diese beiden Namen genannt habe. Ich selbst, der niemals die geringste Sympathie für den Nationalsozialismus hatte und ihn immer schärfstens ablehnte, habe aber immer die Meinung vertreten, daß ein Mensch das Recht auf Entwicklung habe und auch die Möglichkeit zu irren besitze. In den letzten 50 Jahren haben viele Österreicher politische und geistige Entwicklungen durchgemacht. Extreme Austro- marxisten wurden tolerante Labour- sozialisten, Anhänger des Dollfuß- Regimes überzeugte Demokraten, Monarchisten wurden Republikaner. Auch Dr. Funder hatte gewisse Wandlungen durchgemacht. Jener Dr. Funder, wie er im Andenken der Nachwelt lebt, unterscheidet sich wesentlich von jenem Funder, der in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts seine journalistische Karriere begann. Der junge Funder war einst ein radikaler Antisemit gewesen, ein Gegner der Protestanten, ein Feind der Sozialisten von „erbarmungsloser Härte“ (Oskar Pol- lak). Dr. Funder nach 1945 nahm gegenüber den Sozialisten eine ire- nische Haltung ein, gegenüber den Protestanten nicht nur eine tolerante, sondern geradezu eine brüderliche. Und den Antisemitismus hatte er in jeder Form abgelegt.

Warum sollte deshalb einem Menschen nicht das Recht zuerkannt werden, sich vom Nationalsozialisten , zum Nichtnationalisten zu entwickeln, und warum sollte ihm auf

!Wtg sein Eintreten iur aen iNauo- talsozialismus vorgeworfen .werden, ,venn er sich keinerlei krimineller Handlungen schuldig gemacht hatte? Einmal muß die Vergangenheit bewältigt werden. Glücklicherweise hat sich in Österreich diese Anschauung iurchgesetzt, so daß heute, da sich shemalige Nationalsozialisten, ehemalige SA-Männer, ehemalige HJ- Angehörige, ehemalige Anhänger des Ustascha-Regimes zu treuen und überzeugten Österreichern gewandelt haben, diese auch hohe und weniger hohe Posten bekleiden können.

Dr. Anton Böhm, heute Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“ und Mitherausgeber von „Wort und Wahrheit“, war aus der österreichischen Neulandbewegung gekommen. Wie viele Mitglieder dieser Bewegung hatte auch er geglaubt, daß Adolf Hitler seine Sehnsucht nach dem heiligen Dritten Reich, das schon Joachim von Fiore geweissagt hatte, erfüllen werde. Aber bereits kurze Zeit nach der Okkupation Österreichs mußte er erkennen, daß er einem verbrecherischen Scharlatan hineingefallen war, und wurde bald ein überzeugter Gegner des Nationalsozialismus. Wer seine Artikel im „Rheinischen Merkur“ oder in „Wort und Wahrheit“ liest, weiß, daß er ein Publizist von Format ist, ein überzeugter Österreicher und Europäer und ebenso ein überzeugter Christ. Sicher wäre er geeignet gewesen, den von mir vorgelegten Plan von der Herausgeberseite her durchzuführen. Die Herren des Vereins bestätigten mir ausdrücklich, ich möchte Dr. Anton Böhm versichern, daß ihm seine Rolle im Jahre 1938 in keiner Weise im Haus Herold nachgetragen werde, hatte doch zu Beginn des Jahres 1953 sogar eine Aussöhnung zwischen Dr. Böhm und Dr. Funder stattgefunden.

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