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Ein österreichischer Urweltforscher

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Als „an einem grauen Märztage dieses Jahres bei Salzburg ein kleiner stiller Mann das Ende seiner Erdenbahn gefunden hatte — Opfer der schlechten Transportverhältnisse, da man ihn nicht zu der notwendigen Operation ins Spital hatte bringen können —, da wußten wenige in der Umgebung, daß der bescheidene und freundliche Mensch, der nun auf der Bahre lag, einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Geologen Österreichs gewesen war, Träger eines in der Fachwelt berühmten Namens: Dr. E. N o w a c k hatte als Erdbebenforscher am Balkan gearbeitet, sein Spezialgebiet war hier Albanien gewesen. Er kannte das seltsame Land wie wenige, zu seinen Menschen hatte er wertvolle Beziehungen gefunden. König Zogu hatte ihm sein besonderes Vertrauen geschenkt. Das Buch, das der österreichische Gelehrte über Albanien schrieb, gehört zu den wissenschaftlichen Standardwerken, die über das Land Auskunft geben. Im Auftrage der türkischen Regierung bereiste Nowack weite Gebiete Kleinasiens zur Erkundung der Bodenschätze.

Sein bedeutendstes Arbeitsgebiet wurde jedoch O s t a f r i k a. Dr. E. Nowack kam im Jahre 1934 mit Professor Henning der Universität Tübingen nach dem britischen Mandatsgebiet Tanganjika-Territorium, um zunächst die Fundstellen am Tandaguru im Lindi-Distrikt zu besudien. Dort waren vor dem ersten Weltkrieg die Riesensaurier ausgegraben worden, deren Entdeckung damals großes Aufsehen erregt hatte. Während des Aufenthaltes im Tanganjika-Gebiet ging er über den Grenzfluß Rowuma hinüber in die portugiesische Kolonie Mozambique, um vergleichende Unterlagen zu den geologischen Verhältnissen auch dieses Landes zu bekommen.

Die Hauptaufgabe war der Expedition jedoch weit im Innerr Ostafrikas im Songea-Distrikt gestellt, wo die Karruformation des Ruhuhugrabens nach fossilen Knochen aus der Perm-Keuper-Periode untersucht werden sollte. Da man vermutete, daß in jener Erdepoche der Entwicklungsgeschichte unserer Erde die Uranfänge der Säugetiere zu suchen seien, wurden in wissensdiaftlichen Kreisen die Ergebnisse der Ausgrabungen mit größtem Interesse erwartet. Kurz zuvor hatte eine englische Expedition unter Führung des bekannten Paläontologen Dr. Barrington vorübergehend in diesen Gebieten gearbeitet und auf die Ergiebigkeit dieses Fundortes hingewiesen. Dr. Nowack setzte nach der Rückkehr Professor Hennings, der nur einige Wochen im Lande tätig sein konnte, die Forschungen und Grabungen drei Jahre lang fort, die eine große Fülle von Material, die Reste von ungefähr 120 Sauriern, zutage förderten. Möglich gemacht wurden diese Erfolge durch finanzielle Unterstützung seitens deutscher und vornehmlich englischer Kreise, vor allem englischer Universitäten. Da bisher immer nur einzelne Knochen und Schädelteile von Vertretern der Tierwelt jener Zeitepochen gefunden und bekannt geworden sind, so müssen die Erfolge der Nowacksdien Grabungen als ganz besonders wertvoll und bisher einzig dastehend bezeichnet werden. Nowack konnte zunächst feststellen, daß die Fundstellen zwei verschiedenen Schichten angehören, einer oberen und einer unteren t knochenführenden Schichte, die jedoch durch eine gut 100 Meter mächtige Sandsteinzone voneinander getrennt sind, in der es keine Knochen gibt. Die obere knochenführende Schicht entstammt einem jüngeren Zeitabschnitte der Karruformation (Ober-Trias), aus der bisher nur in Südafrika spärliche Funde gemacht wurden.

Die Schwierigkeiten, die der Gelehrte zo überwinden hatte, waren ungeheuer. Gearbeitet konnte nur la drei bis vier Monaten der Trockenzeit werden, wenn nach Austrocknung der Grasvegetation diese durch Feuer vernichtet worden war, bis zum Wiederbeginn der Regenzeit. Erst nach den Bränden wird der Boden sichtbar und kann auf das Vorhandensein von knapp unter der Oberfläche liegenden Knochenresten untersucht werden. Wenn an der Oberfläche Anzeichen von versteinerten Knochen gefunden wurden, mußte der Platz von jedem Grase gereinigt werden und dann erst konnte Nowack an die eigentlidien Grabungsarbeiten schreiten, dabei leistete ihm seine Frau wertvolle Dienste. Die Hand der Eingeborenen ist für die feinen Arbeiten nicht geeignet, auch fehlt ihnen das nötige Verständnis, mit welcher Genauigkeit und Sorgfalt die leicht brüchigen Knochen von jeder anhaftenden Erde gereinigt werden müssen und mit welcher Sorgfalt der Zusammenhang ganzer Skelettpartien erhalten bleiben muß. Es mußte mit Pinsel und feinen Bürsten gearbeitet werden, jede unvorsichtige Gewaltanwendung hätte den Zusammenhalt zerstört. Die Knochen durften nur bis zur oberen Hälfte ausgegraben werden, während die untere Hälfte noch im ursprünglichen Erdreich verblieb. Die sichtbar gewordenen Teile der Knochen wurden dann mit Schellack getränkt, hierauf mit feinem japanischem Reispapier überklebt und schließlich mit Lehm eingedeckt, der durch gespaltene Bambusstäbchen noch verstärkt wurde. Das alles sollte verhindern, daß bei einem Transport die zu Lehmklötzen verpackten Trägerlasten in Brüche gingen. Zum Abschluß wurde an der Grabungsstelle der so gebildete Klotz behutsam vom Untergrunde gelöst, sorgfältig verpackt und in Kisten durch Trägertagmärsche weit zur nächsten Autoverbindung getragen.

Die ganz heiklen Arbeiten mußten von Dr. Nowack und seiner Frau persönlich verrichtet werden. Was es heißt, bei 45 Grad Hitze den ganzen Tag in stauberfüllter Luft zu arbeiten, keine erfrischenden Getränke zu haben, ganz primitiv in Grashütten zu leben, kann nur der ermessen, der die Forscher bei ihrer Arbeit gesehen hat. Aber Nowack war für die Strapazen der geschaffene Mensch. Er war einer der ganz wenigen Europäer, die es wagen durften, sich auch in den Tropen in der Mittagszeit mit ungeschütztem Haupte den sengenden Sonnenstrahlen auszusetzen. Jeder andere Europäer wäre unfehlbar einem Sonnenstiche tödlich erlegen.

Bei der neu einsetzenden Regenzeit mußten die Arbeiten eingestellt werden, da die Wassermassen der Tropengewitter die Arbeitsgräben sofort ausfüllten und ein Weiterarbeiten unmöglich machten.

Die Ergebnisse dieser aufopferungsreichen und nur mit bescheidenen Mitteln durchgeführten Arbeiten waren überraschend. Unter anderem wurden mehrere vollständige Gerippe von Rhynchosauriern geborgen, von denen bisher nur einzelne Knochen gefunden wurden. Es wurden ferner ausgegraben pflanzenfressende Echsen von Marder- bis Büffelgröße, verschiedene Raubechsen mit furchtbaren Gebissen (Gorgonopsiden), Dicynodon-tier und viele andere Lebewesen, die in fern zurückliegenden Erdepochen gelebt haben und über deren Aussehen wir erst durch die Grabungsergebnisse dieses österreichischen Forschers Kunde erhielten.

In den Monaten, in denen Nowack nicht graben konnte, bereiste er das ganze Land bis weit hinauf nach Norden zum Kilimandscharo, bis zum zentralafrikanischen Graben. Überall stellte er durch sinnreiche Beobachtungen fest, welche Zusammenhänge zwischen Geologie nud Landwirtschaft bestehen. Viele rätselhafte Erscheinungen, die beim Wachstum verschiedener Kulturpflanzen auftreten, löste er nach Studium der geologischen Verhältnisse; erst durch seine Untersuchungen wurden Wege gewiesen für die Weiterentwicklung verschiedener Pflanzungsgebiete Ostafrikas.

Große Reisen führte er nach seiner Rückkehr aus Ostafrika als Leiter einer italienischen Forschungsexpedition in Abessinien durch, bei denen er Gebiete durchzog, die vor ihm wohl kaum ein anderer Europäer besucht hatte.

Eine Reihe von Büchern, eine große Zahl von Publikationen in Zeitschriften und Sonderausgaben sind der Feder Nowacks entsprungen, der selbst auf seinen strapazenreichen Reisen die literarische Arbeit nicht ruhen ließ. Es ist schmerzlich, daß dem Werk dieses großen Forschers ein frühzeitiger Tod

— er stand erst im 55. Lebensjahre — das unerbittliche Ende diktiert hat. Die österreichische naturwissenschaftliche Forschung der Gegenwart verlor in Dr. E. Nowack einen ihrer erfolgreichsten und liebenwürdigsten Vertreter.

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