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Erneuerung von Fronleichnam

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Der Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, Protessor Dr. Joset Andreas Jung mann SJ. — wohl der bedeutendste Liturgiker der Gegenwart — hielt am 27. Mai im Katholischen Bildungswerk Innsbruck einen beachtenswerten Vortrag über .Die Fronleichnamsprozession im Uebergang“.

Prolessor Jungmann stellte fest, daß gerade die Fronleichnamsprozession geeignet sei, in ihren Formen die Pracht der Schöpfung mit einzubeziehen und daß die Kirche aui diese Weise ihren inneren Reichtum in äußeren Formen sichtbar mache; doch erhebe sich die Frage, inwieweit dieses Gepränge ins Weltliche hinausgreiten dürfe. In der Vergangenheit, besonders in der Zeit des Barocks, seien die Grenzen etwas zu weit hinausgerückt worden. .In einer religiösen Prozession“, so erklärte der Vortragende, .kann nur das als Beitrag zugelassen werden, was sich noch betend, anbetend in die Feier einreihen läßt.“ Professor Jungmann streifte auch die Beteiligung militärischer bzw. militärähnlicher Formationen, wie z. B. Schützen usw., an der Fronleichnamsprozession. Die Beifügung kriegerischer Elemente hätte zur Zeit der Gegenreformation einen gewissen Sinn gehabt, heute wollen wir jedoch, soweit damit eine wehrhalte Haltung ausgedrückt werden soll, auf dieses kriegerische Symbol verzichten, denn .Christus will herrschen durch den Glauben der Glaubenden“. Zur Frage des Flursegens sagte Professor Jungmann: .Die einseitige Einführung gerade des Flursegens ist seinerzeit nicht von der Kirche, sondern von der ackerbauenden Bevölkerung betrieben worden und ist zum Teil zu verstehen aus der damaligen Hilflosigkeit den Naturgewalten gegenüber. Zu allen Zeiten bleibt es richtig, daß wir unser irdisches Tun unter den Segen Gottes stellen, schon damit wir nicht durch die Last des Materiellen in die Tiefe gezogen werden.“ Die Fronleichnamsprozession müsse jedoch der Tatsache Rechnung tragen, daß wir nicht mehr in einer bäuerlichen Kultur leben. Demgemäß müsse und werde auf die veränderten sozialen Verhältnisse Rücksicht genommen werden. Es sei auch durchaus richtig, sagte der Vortragende, wenn die öffentlichen Gewalten ihre Bemühungen um das Gemeinwohl unter den Schutz Gottes stellten. .Bei einer religiösen Feier aber muß erwartet werden, daß die öffentliche Gewalt sich in solchen persönlichen Vertretern beteiligt, die auch in der Lage sind, die religiöse Feier innerlich mitzuvollziehen.“ Die Fronleichnamsprozession sei keine bürgerliche Angelegenheit, sondern eine religiöse Feier.

.Wir müssen uns bewußt sein“, so führte Professor Jungmann weiter aus, .daß das religiöse Bewußtsein nicht mehr — wie im Mittelalter — von der gesamten Volksgemeinschaft getragen wird, sondern von der persönlichen Entscheidung des einzelnen. Die Kirche ist heute von einem Prozeß der inneren Aushöhlung bedroht, sie kann sich deshalb nicht mehr auf morsch gewordene Elemente in ihrem Organismus stützen, sondern muß sich innerlich regenerieren. Die Erneuerung vom Altar aus ist seit Pius X. das Motto der kirchlichen Seelsorge.“ Bereits seien neue Formen des Gottesdienstes sichtbar geworden und beginnen schon Früchte zu tragen. „Wir leben in einer Zeit des Neuwerdens, zwischen Starre und neuem Autbruch. Dieses Neuwerden muß auch die Fronleichnamsprozession erfassen. Daher muß gefordert werden: N i cht me hr Schauprozession, sondern Bekenntnisprozession!' Diese notwendige Regeneration könne natürlich nicht nur durch Abstriche erfolgen, sondern müsse sich auch in einer fortschreitenden Neugestaltung des Ritus selbst auswirken. Zum Schluß erklärte Professor Jungmann: Ein im Auftrag der österreichischen Bischöfe fertiggestellter Entwurf sieht vor, daß aus den vier Evangelien nicht mehr, wie bisher, die Anfänge in lateinischer Sprache, sondern passende Ausschnitte aus den Evangelien in deutscher Sprache vorgelesen werden. Ferner werden die mit dem Segen verbundenen Gebete nicht mehr, wie bisher, nur für eine gedeihliche Witterung verrichtet werden, sondern für die Kirche, für das Volk und die Regierenden, für das Gedeihen der Feldfrüchte und die Werke der menschlichen Technik und Industrie und schließlich für den betreffenden Ort und seine Bewohner. „Die Kirche darf sich“, so schloß Professor Jungmann, „an kein Zeitalter so anklammern, daß sie sich nicht wieder davon lösen kann. Die Kirche muß ewig jung bleiben — auch in der Fronleichnamsprozession!'

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