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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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SCHATTEN UBER DER ÖSTERREICHISCHEN PRESSE. Der Aufsalz in der letzten Nummer der „Furche“ über „Moskau springt über den Schatten“ hat reichen Widerhall gefunden. Dieser zeigt, wie sehr uns alle, in der freien und in der christlichen Welt, die neue Moskauer Weltoffensive angeht. Als ein Appell angesichts dieser Entbindung gigantischer Kräfte, nun doch endlich einmal auch im Abendland und im Westen die eingeeisten Kräfte zu befreien und zu wirksamer positiver Entfaltung kommen zu lassen, wurde unser Mahnruf von vielen verstanden und begrüfjf. Es blieb einem Wiener Boulevardblatt vorbehalten, den Sinn in den Widersinn zu verkehren. „Die Kommunisten dürfen sich ehrlich freuen über diesen verheerenden Artikel, der genau jene neutralen Furchen zieht, in die der Bolschewismus so gern seine Aussaat bettet.“ Dann folgen einige un-qualifizierbare Verdrehungen und Anschuldigungen gegen den Autor. Dann spottet der namentlich zeichnende Chefredakteur besagten Blattes: „Gemach, gemach, mit der Springerei. . . Vor allem aber: Wie heißt eigentlich der Schatten, über den uns Friedrich Heer springen lassen will?“ — Auf den groben Klotz eine freundliche Antwort. Was dieser Schatten im grofjen heifjt, mag jeder an der politischen und seelischen Misere unserer Welt ablesen. Was er für die Kirche und über der Kirche bedeutet, mag man an den zahlreichen Aufsätzen der „Furche“, etwa aus der Feder des führenden Missionsfachmannes P. Hoffinger, nachlesen. Was dieser Schaffen im kleinen und besonderen im hier angesprochenen Falle bedeutet, mag jedermann an einem Jahrgang besagten Blattes ablesen, das sich gern als Verteidigerin „des Abendlandes“ und der Menschenrechte gegen den „Bolschewismus“ geben möchte, in Wahrheit aber eine Rückkehr zur Boulevardpresse minderster Garnitur darstellt. Neid, Hafj, Ressentiment und eine üble Spekulation auf die Sensationsgier der Massen sind hier die Tagesregenten, Es wäre ein Verdienst für Oesterreich, über diesen Schatten zu springen. Und um Ostern Besinnung zu halten. Für den Herrn Chefredakteur, der sich seit Jahren als Kafholik deklariert, würde der Sprung über den eigenen Schaffen ungeahnte positive Arbeitsmöglichkeifen erschließen: den Zugang zu fairen Auseinandersetzungen mif Glaubensbrüdern, die man nicht versteht oder nicht verstehen will.

LUFTGEFECHTE. Wenn immer der schon reichlich abgehärtete Oesterreicher von den Plänen über die österreichische Zivilluftfahrt wieder etwas Neues erfährt — ist es bestimmt nichts Gutes. Da gibt es einmal die „Air Ausfria“. Ihre Proponenfen haben schon sehr früh die Fragen einer österreichischen Luftfahrt studiert, interessierte Personen erfaßt und Vorverhandlungen mif der holländischen Fluggesellschaft KLM eingeleitet, die dann sogar zu einem regelrechten Vertragsabschluß geführt haben. Dieser Gesellschaff fehlt nur eines zum Fliegen — die Konzession. Diese bekommt sie nicht, weit der Verkehrsminister auf sie böse ist. Aber es blieb nichf allein bei diesem Groll. Eine zweite Gruppe verstärkte ihre Bemühungen. Zum Unterschied von der ersten, deren personelle Bindungen zur Volksparlei nichf bestritten weiden sollen, sind hier die Bande zum sozialistischen Lager sehr eng. Am vergangenen Wochenende wurde das bisher namenlose Kind „Ausfrian Airways“ gefauft. (Die nicht ge.ade logische Abkürzung ASA erläuterte der Volksmund sogleich als Austrian Socialisfic Airways.) Gleichzeitig wurde der Abschluß der schon lange bekannfen Verhandlungen dieser Gruppe mif der skandinavischen Fluggesellschaft SAS bekanntgegeben und ein Flugprpgramm für die nahe Zukunft verlaut-bart. Auch diese Gesellschaft hat noch keine Konzession. Diese zu erhalfen dürfte ihr aber dank ihrer Beziehungen zum Verkehrsminister, nicht schwer sein. Zum vollen Glück und damit zum Fliegen fehlt aber auch hier das einstimmige Plazet des Ministerrates zu einem bilateralen Luftfahrfabkommen. Womif beide Startbahnen blockiert sind und das „Gut Luft!“ weder für die Air Austria noch für die Ausfrian Airways ertönen kann. Wie soll das weifergehen? Bis zum 13. Mai wahrscheinlich gar nichf. Trotzdem wäre ein Round-fable-Gespräch aller zuständigen Stellen und ein großer Ausgleich der vielfältigen Interessen das Gebot der Stunde. Abgesehen davon, daß die einmalige Chance des Ostflugverkehrs Oesterreich durch die Lappen gehf, wenn nichf bald gehandelt wird, so wird es immer peinlicher, gut renommierte ausländische Gesellschaffen im Dunst der großen Koalitionsschmutzwäsche zu sehen. Ob wir uns vor dem Ausland lächerlich machen: das ist uns allen doch alles andere als Luft.. .

DER NEUE „PRIMUS“. Am 21. März wählte das Zentralkomitee der Vereinigten Polnischen Arbeiferpartei Edward Och ab einstimmig, als den Nachfolger des verstorbenen Boleslaw Bierut, zum Ersten Sekretär des ZK. Die offizielle Mitteilung war knapp und erfolgte ohne Kommentare. Keine Lobeshymnen zu Ehren des nunmehrigen „Kommunisten Nummer Eins“, nichf einmal sein Lichtbild zierte die Spalten der Presse. Doch als Chruschtschow, der zur Beisetzung Bierufs nach Warschau gekommen war,die polnische Hauptstadt verließ, erschien Ochab an der Spitze der Persönlichkeiten, die dem sowjetischen Gast das Abschiedsgeleite gaben; der frischgebackene Ersie Sekretär hafte bereits den Vorrang vor Staatsoberhaupt und Ministerpräsident. Ande'Seits wird von Anfang an der Grundsatz der kollektiven Führung beton). Dadurch, daß nicht einmal ein genauerer Lebenslauf des neuen Mannes veröffentlicht wird, soll die Entstehung eines Personenkults ausgeschlossen werden. Genosse Ochab ist nur, so heißt es,der erste Diener von Partei, Staat und Volk, der „primus inter pares“ unter den Häuptern der Parteihierarchie. Tatsächlich galt Ochab eingeweihten Kreisen schon seit geraumer Zeit als designierter Nachfolger Bieruts; sein Ansehen, seine Autorität bleiben jedoch hinter denen des Vorgängers zurück. Edward Ochab, heute knapp fünfzigjährig, alfer KP-Kämpfer, entstammt kleinbürgerlichen Verhältnissen und hat sich in der Partei stufenweise hinaufgedienf. Offizier und politischer Kommissar in der Kosciuszko-Division während des Krieges, wird er nach der Machtergreifung durch das Lubliner Komitee zu einem der wichtigsten Männer in der zweiten Garnitur. Er leitet das Ministerium für öffentliche Verwaltung (Inneres ohne Polizei). Nach einer Pause findet man ihn 1948 als Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes, mit der Aufgabe, den Einfluß der Sozialisten und des „polnischen Tito“ Gomulka zu liquidieren. Ein Jahr darauf wechselt Ochab ins Verleidigungminisferium hinüber, wo er als erster Vizeminisfer den in Ungnade gefallenen Freund Gomulkas, Spychalski, ersetzt. In dieser Eigenschaff erhält er den Generalsrang. Ende 1950, nachdem er an Rokossowskis Seite zur völligen Gleichschaltung der Armee beigetragen hatte, kehrt Ochcb zur reinen Parteiarbeit zurück. Ins Politbüro aufgenommen, fritf er als Sekretär des ZK, neben dem Ersten Sekretär Bierut, an die zweite Stelle in der KP-Hierarchie. Parteiideologe im streng marxistischen, zunächst daher im stalinistischen Sinne, führt Ochab den. politischen Kampf gegen die Kirche. Es heißt, er trage einen Großteil der Verantwortung für die Gewalfmaßnahmen gegen Kardinalprimas Wyszynski. Vorsitzender der Gesellschaft für polnisch-sowjetische Freundschaft, besitzt er — neben Rokossowski — unter allen Kommuntstenführern die engsten persönlichen Bindungen an Rußland. Ochab, der in stetem Aufstieg groß aewordene Kommissar und „Ap-parafschik“, fällt nur ungern auf; er trägt ein einfaches Wesen zur Schau und ist im Umgang mit Menschen stets liebenswürdig. Trotzdem gehört er zu den unerbittlichen Verfechtern der jeweiligen Generallinie (und Generalslinie). Auch wenn er die Macht rriH Rokossowski, Zawadzki, Cyrankiewicz, Berman und inigen weiteren Parfeigrößen teilen muß, wird er — gleich seinen Genossen im Führungskollekiiv — dafür sorgen, daß sich weder an der Monopolstellung der KP noch an der völligen Abhäng'gkeit Polens von der UdSSR etwas ändere.

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