6778746-1969_33_07.jpg
Digital In Arbeit

Toter Punkt am Suezkanal

Werbung
Werbung
Werbung

Die letzten Aktionen am Suezkanal, die mit der Eroberung der Green-Insel-Festung für einige Stunden ihren Anfang nahmen, die darauffolgende Bombardierung der ägyptischen Positionen am Suezkanal während 165 Minuten, ohne daß ägyptische Flugzeuge darauf reagierten, die später folgenden Luft-kämpfei und von da an der dauernde Einsatz der Luftwaffe am Suezkanal, sind die Folgen israelischer Initiative. Israels Regierung glaubte,- Gamal Abdel Nasser die Übermacht ihrer Armee beweisen zu müssen, um seine Kriegsträume abzukühlen. Es konnte beweisen:

• Die israelische Armee ist fähig, Ägypten nicht nur im Hinterland, sondern auch an seinen am besten befestigten Positionen zu treffen.

• Daraus ist zu folgern, daß die von Ägypten initiierte Eskalation an der Suezfront, welche mit Artillerieduellen begonnen hatte und mit Kommanidoangriffen weitergeführt wurde, sich für Ägypten nicht bezahlt macht.

• Die israelische Armee hat bewiesen, daß sie militärisch komplizierte Aktionen durchführen kann.

• Die israelische Luftwaffe behält weitei-hin die Oberhand in den Luft-kämpf.en.

• Die ägyptische Eskalation ist für Ägypten mit sehr viel Verlusten verbunden.

Doch das Hauptziel, das Israel mit diesen obgenannten Aktionen erreichen wollte, nämlich Ruhe an der Suezfront, wurde nicht erlangt. Die Hoffnung, daß der starke Arm Israels das Prestige des ägyptischen Staatsoberhauptes Gamal Abdel

Nasser untergraben wird, schlug auch fehl, denn die Propagandamaschine der Vereinigten Arabischen Republik konnte bisher jede Niederlage auf dem Schlachtfeld in einen Sieg verwandeln.

Hiermit ist die Lage wieder an dem totem Punkt gelangt, an dem sie sich bis vor kurzem befand. Gamal Abdel Nasser gab öffentlich zu, daß er kaum noch an eine politische Lösung des Mittelostproblems glaubt und Ägypten sowie die arabischen Staaten sich erst im Anfangstad'ium der Befreiungsphase der von Israel besetzten Gebiete befinden. Zur entscheidenden militärischen Auseinandersetzung soll es erst später kommen.

Ägypten holt auf

In Israel will man immer wieder darauf hinweisen, daß sich die wirtschaftliche Lage der arabischen Staaten, insbesondere von Ägypten, verschlechtert hat, so daß sie auf die Dauer die Bürde eines Kleinkrieges nicht auf sich nehmen können. Im Stillen hofft man, daß sich die israelische Besetzung auf Jahre und Jahre hinziehen wird, bis sie eines Tages als Tatsache von allen Seiten akzeptiert wird. Um dies zu erreichen, ist man sogar bereit, den hohen Bluteoll an den Grenzen zu zahlen. Man sagt Sich, ein Rückzug aus den besetzten Gebieten ist noch lange kein Frieden und vielleicht nur noch gefährlicher, denn dann kann man direkt mit den Kanonen die israelischen Großstädte beschießen.

Die Wirklichkeit jedoch ist nicht ganz so rosig. Die Vereinigte Arabische Republik hat 'ihre wirtschaftliche Lage in den letzten Monaten

stark verbessert. Das Sicherheitsbudget wurde zwar um vieles vergrößert, die Einnahmen aus dem Suezkanal gingen verloren, der Fremdenverkehr liegt darnieder, der Geburtenüberschuß geht weiter, dooh gerade in den letzten Monaten zeigte sich, daß trotzdem die wirtschaftliche Situation Ägyptens besser ist als vor zwei oder drei Jahren. Dank eines regenreichen Jahres gab es in diesem Jahr gute Ernten, mit Hilfe des Assuandammes wurden bereits die Anbaufelder vergrößert und die großen Entwicklungsinvestitionen der Jahre 1961 bis 1965 beginnen nun Früchte zu tragen. Außerdem haben die 250 Millionen Dollar pro Jahr, die von Kuweit und Saudi-Arabien an Ägypten bezahlt werden, um den Verlust des Suez-kanales wettzumachen, ihr Ziel erreicht. In den letzten Monaten wurden neue Petroleumvorkommen entdeckt, und bis zum Jahre 1970 wird Ägypten trotz Wegfall der Petroleumquellen in der Sinaihalbinsel ungefähr 500.000 Fässer im Tag produzieren. Es gibt in Ägypten zwar wenig ausländische Wate, doch dieses Jahr kann Ägypten seit 30 Jahren zium erstenmal eine positive Handelsbilanz vorweisen. Die Sowjetunion hat mit Hilfe der Luft- und Schiffsbrücke alle Verluste des Sechstagekrieges schon längst wettgemacht. Die Waffen wurden unentgeltlich geliefert, und die Investitionen des Ostblocks in Ägypten steigen von Jahr ziu Jahr. Das will nicht heißen, daß das Lebensniveau in Ägypten viel höher geworden ist. Das Durchschnittseinkommen eines ägyptischen Bürgers beläuft sich auf zirka 160 Dollar im Jahr1 im Vergleich m 1300 Dollar in

Israel, jedoch von einer Schwächung. Ägyptens kann nicht die Rede sein.

Keine Lösung in Sicht

Solange beide Seiten starrköpfig auf ihren Positionen ausharren, kann von einer Lösung im Mittleren Osten nicht einmal geträumt werden. Israel würde in solch einer Lage gezwungen sein, einen erneuten Präventivkrieg zu beginnen, um von der arabischen Übermacht nicht erdrückt zu werden. Es kann jedoch genauso gut sein, daß auch die arabischen Staaten von Eskalation zu Eskalation getrieben werden, bis sie sich eines Tages, und dies kann schneller geschehen als

man glaubt, in einem neuen Krieg gegen Israel befinden Weit davon sind wir sowieso nicht entfernt. Israel kann von einem neuen Krieg nichts gewinnen als eine weitere Atempause. Auch den arabischen Staaten blüht nur ein neuer Aderlaß von einer solchen Entwicklung, und so wartet jeder ohne Fähigkeit eines weitreichend politischen Beschlusses nach der alten Formel! Wo die Politiker versagen — triumphieren die Soldaten. Sie allein führen das Wort, und Tag für Tag fallen junge Sol-datenv die weinende Mütter hinterlassen; denn im Mittleren Osten gibt's nichts Neues.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung