6535979-1946_16_02.jpg
Digital In Arbeit

Unterrichtsfreiheit oder Schulmonopol?

Werbung
Werbung
Werbung

Unter dem Titel: „Neugestaltung des österreichischen Schulwesens“ macht die Wiener Tageszeitung, die früher sich als das gemeinsame Organ aller drei Parteien bezeichnete und seitdem der äußersten Linken zu dienen scheint, in ihrer Nummer vom 12. April Mitteilungen über die geplante Schulreform: „Schon in den Zeiten der provisorischen Regierung Renner wurden im Unterriditsmini-sterium Richtlinien für das Schulwesen ausgearbeitet. Bewährte Schulmänner wie .Sektionschef Gassner und Ministerialrat Fadrus waren an der Arbeit besonders aktiv beteiligt. Diese Richtlinien wurden von den Vertretern aller Parteien gebilligt. Ihre Grundgedanken: ein einheitlicher Schultypus bis zum- 14. Lebensjahr, gründliche Reform des Unterrichtes in Geschichte und Literaturgeschichte, breiter Raum für moderne Fremdsprachen, Pflege der manuellen und künstlerischen Begabung, Erziehung zu aufrechten Demokraten und Österreichern. — Alle diese trefflichen Grundgedanken wurden auch in der Diskussion im Budgetausschuß des Nationalrates neuerlich vorgebracht und stießen auf keinen Widerspruch. Selbstverständlich gibt es daneben auch strittige Frage n“, sagt der Verfasser des Artikels, der mit der Chiffre e. f. zeichnet, „so vor allem die Frage der konfessionellen Privatschu-1 e n.“

Da nun diese Privatschulen in ihrem Lehrplan . an die staatlichen Gesetze gebunden sind, ihre Lehrkräfte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und sich auch „Österreichbewußtsein“ und „echten Humanismus“ nicht erst jetzt aneignen müssen, kann es sich bei dieser „strittigen Frage“ offenbar nur um die .Existenz upd das Daseinsrecht dieser Schulen handeln. Unter einer falschen Auffassung der „Geschlossenheit“ des Österreichbewußtseins auch auf dem Gebiet des Schulwesens sind hier scheinbar Bestrebungen im Gang, Österreich in ein staatliches Schulmonopol hineinzuführen.

Solchen Bestrebungen gegenüber ist festzustellen, daß die Katholiken für sich grundsätzlich das Recht in Anspruch nehmen, Schulen aller Unterrichtszweige zu errichten, wie dies auch das kirchliche Gesetzbuch des Codex Juris Canonici in ean. 1375 formuliert hat. Dem Diözesanbischof ist darin zur Pflicht gemacht, dort, wo es not tut, für die Errichtung solcher Schulen Sorge zu tragen.

Darunter sind auch katholische Lehrerund Lehrerinnenbildungsanstalten zu verstehen, die in Wien nach dem Ende der Hitlerherrschaft bis jetzt noch nicht eröffnet werden durften. Niemand wird das Recht des Staates bestreiten, Schulen aller Art zu errichten, aber die Katholiken nehmen dasselbe Recht für sich in Anspruch; wie es ja auch anderen anerkannten Konfessionen zustehen muß. Die Kirche hat das Schulwesen jahrhundertelang gepflegt, bevor sich der Staat damit eingehender befaßt hat, und es lag bis tief in die Neuzeit in ihren Händen allein. In dem historischen Text seiner

Enzyklika Deus scientiarum Dominus vom 24. Mai 1931 erinnert Pius XI. an die Verdienste der Kirche um das Schulwesen und die Geistesbildung. Von 52 Universitäten, die vor dem Jahre 1900 durch Stiftungsbriefe errichtet wurden, sind nicht weniger als 29 durch die Päpste allein, 10 außerdem durch kaiserliche und landos-fürstliche Dokumente auf Grundlage der Apostolischen Konstitutionen gemeinsam gegründet worden. Es finden 'sich in ihrer Liste diis Namen sehr berühmter Pflegestätten der Wissenschaft. Damit allein hätte der Papst den Beweis erbringen können, daß die Kirche Bahnbrecherin für alle Zweige der Wissenschaft seit jeher gewesen ist. Diese kulturschöpfende Kraft haben Kirche und haben die katholischen Völker bis heute bewahrt.

Das klassische Land der Demokratie und der Freiheit, wie wir sie verstehen, die Vereinigten Staaten von Amerika, lassen wahrhaftig nicht zum Nachteil dieses führenden Staates der allgemeinen Bildung und der Technik, gerade zufolge ihrer echten Demokratie, der privaten Initiative des Staatsvolkes auch auf dem Gebiet des Schulwesens den weitesten Spielraum. Das private Schulwesen der 23 Millionen Katholiken der Vereinigten Staaten ist von der Elementarschule bis zur Hochschule besonders hoch entwickelt.

Das staatliche Schulmonopol wäre eine undemokratische Einrichtung, eine Erinnerung an'den totalen Nazi-s t a a t. Könnte es geschehen, daß einer solchen Erinnerung von Mitgliedern der äußersten Linken gehuldigt wird? Als am Beginn der Sommerferien des Jahres 1938 mit einem Federstrich das ganze konfessionelle Privatschulwesen ausradiert wurde, wußte jeder Katholik in Österreich einwandfrei, woran er war, und hat dem Nationalsozialismus wenigstens von diesem Moment an kalte Ablehnung gezeigt.

Leute, die etwa glauben, dem verarmten, von Hungersorgen gequälten und um seine Selbständigkeit schwer ringenden Österreich das konfessionelle Privatschulwesen nehmen zu können, dürfen sich keiner Täuschung hingeben. Sie unternehmen einen Angriff auf die Einheit des österreichertums. Man darf erwarten, daß die großen Staatsparteien sich in ihrem mühevollen Staatsaufbau nicht durch störende Unternehmungen werden beirren lassen und daß sie falsche Vorstellungen von der Schulreform auf das verdiente Maß zurückführen werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung