Das Waffengesetz verschärfen?

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Das gute Gefühl der Sicherheit für einige wenige Männer rechtfertigt nicht einen einzigen Mordanschlag.

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Das gute Gefühl der Sicherheit für einige wenige Männer rechtfertigt nicht einen einzigen Mordanschlag.

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Der Sicherheitssprecher der ÖVP, Paul Kiss, triumphierte: "Mit uns waren und werden diese krausen Ideen nicht zu verwirklichen sein." Was ihn so frohlocken ließ, war das simple Faktum, daß die Volkspartei eine Verschärfung des Waffengesetzes verhindert hatte. Bravo! Österreich darf weiter die Opfer der legalen Schußwaffen mit Betroffenheit zählen.

Wie die jüngst veröffentlichte Studie des Kriminalsoziologischen Institutes (Pilgram, Hanak) zeigt, ist der Zusammenhang zwischen Waffenbesitz und Waffengebrauch evident. Vernünftige Argumente für ein Verbot von Privatwaffen wären genug gesammelt. Doch diesem Thema ist mit rationalen Argumenten nicht beizukommen. Die ÖVP zeigte sich selbst Meinungsumfragen gegenüber unbeeindruckt, die unter ihren Wählern eine Mehrheit für das Verbot orten können. Die Studie von Pilgram und Hanak zeigt hingegen deutlich auf, wie schmal die Basis ist, auf die sich die Lobby derer stützt, die eine Verschärfung der Waffengesetze oder gar ein Waffenverbot bislang so erfolgreich verhindert haben.

Während in etwa zehn Prozent der österreichischen Haushalte Feuerwaffen zu finden sind, wovon wiederum die Hälfte Faustfeuerwaffen sind, geben nur 20 Prozent der Waffenbesitzer an, "aufgrund von beruflichen oder sonstigen Gefährdungen (je zwölf Prozent) oder eines konkreten Bedrohungserlebnisses (vier Prozent) zur Anschaffung veranlaßt" gewesen zu sein. Bei rund der Hälfte der Befragten haben sich die Gründe seit der Anschaffung verändert. "Evident ist dies in jenen 19 Prozent der Befragten aus âWaffenhaushalten', die explizit keinen Grund für die Waffe im Haus mehr sehen." Dem entspricht, daß auch unter den Waffenbesitzern viele den Wunsch der Mehrheit nach strengeren Rechtsbestimmungen akzeptieren würden. Gerade einmal 17 Prozent würden Einschränkungen "mit allen Mitteln bekämpfen". Übertragen auf die Gesamtbevölkerung sind das nur 2,5 Prozent der Österreicher, die strikt gegen eine Verschärfung des Waffengesetzes sind. Eine kleine, aber sehr engagierte - und wie es scheint einflußreiche - Minderheit. Es ist erstaunlich, daß sich zwei so potente Parteien wie die FPÖ und die ÖVP, die breite Teile der Bevölkerung zu vertreten hätten, in dieser Frage zu Minderheitensprechern stylen.

Es geht um eine Glaubensfrage. Die Debatte um das Waffengesetz ist ein religiöser Diskurs, der darunter leidet, daß weder die theologische Reflexion noch die philosophische Religionskritik derzeit en vogue sind. Waffen sind Symbole von Macht, Autorität und Herrschaft. Woher erwarte ich mir Schutz? Was gibt mir im Leben Sicherheit? Woran hänge ich mein Herz? Diese Fragen sind es, die den Hintergrund zur Waffendiskussion bilden, auch wenn sie so nicht offen gestellt werden. Es sind Fragen, in denen es um Vertrauen, letztlich um den Glauben, geht. "Woran du dein Herz hängst, das ist eigentlich dein Gott", hat Luther in der Erklärung des ersten Gebots im Großen Katechismus formuliert. Die Sicherheit, die mir eine Waffe im Nachtkästchen gibt, ist schlußendlich purer Schein und Illusion. Doch das Gefühl des Waffenbesitzers ist echt.

Der glänzende Revolver wird zum modernen Hausgötzen, zum Fetisch der Stärke, der Macht und der Freiheit. Aus der Religionsgeschichte wissen wir: Götzen verlangen Opfer. Im Kult der Sicherheit bleibt kein Platz für eigene Verletzlichkeit: Niederlagen, Kränkungen und Verletzungen führen dazu, daß geopfert wird. Der betrogene Ehemann kann mit der Kränkung nicht mehr weiterleben, er erschießt seine Frau, deren Liebhaber und oft auch sich selbst. Der Götze Waffe triumphiert.

Der Götze Waffe verleiht seinem Besitzer die Illusion der Allmacht: an Gottes Stelle Richter sein. Im Menschenbild der Götzenverehrer ist das Leben nicht unantastbar. Wo Ehre, Besitz, Macht bedroht erscheinen, wird ein Opfer in Kauf genommen. Vergeltung wird zum selbstverständlichen Individualrecht.

Eines sollte uns Männern zu denken geben: Die Verehrung der Götzen Magnum und Pumpgun ist eine reine Männerreligion. Fühlen wir uns um so viel bedrohter als die Frauen, die fast immer zu den Opfern zählen?

Ein anderes Argument, das immer wieder zu hören ist: Würde man Waffen verbieten, müßte man auch Autos verbieten, denn sie forderten mehr Opfer als Schußwaffen. So weit, so richtig. Wir alle haben mit dem Götzen Mobilität unsere privaten Verträge gemacht, wenn wir mit 160 km/h über die Autobahnen brausen. Wir gestehen alle gemeinsam diesem Götzen, besser Moloch, über Tausende Menschenopfer im Jahr zu. Es stellt sich die Frage: Sollen wir dieses Modell des freiwilligen gesellschaftlichen Menschenopfers auch für den Götzen Schußwaffe anwenden? Oder sind nicht auch 17 Mordanschläge mit legalen Schußwaffen im Jahr (1996) zuviel, um einigen wenigen Männern ein gutes Gefühl der Sicherheit zu vermitteln?

Mag. Michael Chalupka ist evang. Pfarrer und Direktor der Diakonie Österreich, Mag. Roland Werneck evang. Pfarrer in Wien Gumpendorf.

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