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Ein Brief an einen Waffenhändler...

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Unlängst las ich in der Zeitung ein von Ihnen bestelltes Inserat, in dem Sie — der steigenden Kriminalität wegen — Handfeuerwaffen zum Selbstschutz angeboten haben, Revolver und Pistolen verschiedenen Kalibers, aber sicherlich führen Sie in Ihrem Laden auch Jagd- und Sportgewehre zu verschiedenen Preisen, zu verschiedenem Zweck und in verschiedener Ausführung, Dutzendware, aber auch Prachtstücke der Präzision.

Sie sind Händler, Geschäftsmann, Sie versorgen schießfreudige Menschen mit dem dazu nötigen Material, das Geschäft floriert sicherlich, die Kriminalität steigt, und mit ihr — in steilerer Kurve, steigt auch die Angst; speziell in Österreich hat sich eine außerordentlich gefährliche Art des -Waffengebrauchs entwickelt, die motivlose Schießlust auf bewegliche Ziele, das motivlose Morden.

Sie mögen einwenden: Was geht das mich an, ich bin Händler, ich handle mit einer wohl ein wenig außerordentlichen Ware, aber es liegt, außerhalb meiner Möglichkeiten, die Berechtigung zum Waffenbesitz nachzuprüfen, dazu habe ich nicht die notwendige Zeit, nicht die Möglichkeiten und auch nicht die Lust, das ist doch Sache der Polizei ...

Damit mögen Sie ja recht haben, auch mit der Behauptung, daß die Waffe an sich nicht gut und nicht schlecht ist. Es kommt auf den Besitzer an.

Aber warum veröffentlichen Sie Inserate? Ihnen, dem Waffenhändler, muß doch mehr als anderen Menschen bekannt sein, daß Waffen kaum je erfolgreich zum Selbstschutz dienen, daß sie fast ausschließlich zur aktiven Gewalttätigkeit verführen. Natürlich gibt es eine große und immer mehr steigende Zahl von Bürgern, die sich eine Waffe besorgt hat, um sich in der Öffentlichkeit oder im eigenen Heim sicher zu fühlen und sie meint es so und nicht anders, wenn sie den Antrag auf Ausstellung eines Waffenscheines stellt. Sie bekommt ihn auch, sie kauft sich ein Schießeisen und damit hat sich's. Es ist anzunehmen, daß nur ein winziger Bruchteil der zahlreichen Waffenbesitzer die amtlich bewilligte Waffe auch wirklich überall mit sich herumschleppt, in den meisten Fällen wird ein Revolver in die Wäschekommode gelegt, wo er ruhen bleibt, jähre-, ja jahrzehntelang, bis ihn ein vierzehnjähriger Sohn aufstöbert, um unter Altersgenossen damit zu prahlen. Im Ernstfall, in dem man die Waffe wirklich brauchen würde, um Leben und Eigentum zu schützen, fehlt sie gewöhnlich. In jeder Bank, in jedem wichtigen

Amt gibt es bewaffnete Männer, die in der Regel nie dazu kommen, während eines Banküberfalls auch von der Waffe Gebrauch zu machen und die drohende Gefahr zu bannen. Ja, eine Waffe bei sich zu tragen, um beim abendlichen Spaziergang einem Räuber nicht wehrlos ausgeliefert zu sein, ist eine außerordentlich riskante Gewohnheit, die schon manchmal mit dem Tode des Überfallenen geendet hat, was ursprünglich gar nicht in der Absicht des Aggressors lag.

Es ist ja schon Jahre her, daß wir etwas über „positiven Selbstschutz“ gelesen haben — damals gab es einen körperbehinderten Nachtwächter, der auf dem Heimweg von zwei Jugendlichen überfallen wurde, die er dann beide erschossen hat — immerhin waren diese beiden nur mit Knüppeln und nicht mit Schießwaffen bestückt. Sonst aber wird fast täglich in den Zeitungen über den Mißbrauch von Waffen berichtet. Jeden Tag und jede Nacht wird irgendwo geschossen, ein Mensch, ein ahnungsloser Passant, mag er bewaffnet sein oder nicht, wird umgebracht. Das stellt die Zweckmäßigkeit des Waffenbesitzes in Zweifel — eine Waffe, mag sie mit dem besten Willen zum Selbstschutz erworben worden sein, dient — soweit sie überhaupt je in Gebrauch genommen wird, fast ausschließlich Aggressionszwek-ken. Eine Waffe, die Verteidigungszwecken und nur diesen dienen soll, ist in der Regel ein toter Gegenstand.

Offiziell sind alle gesetzmäßig erworbenen Waffen zur Selbstverteidigung erworben worden. Aber die Mehrzahl der wirklich benutzten Waffen, ob legal oder illegal erworben, dient dem Angriff auf die Sicherheit des Bürgers.

Es wäre interessant, zu erfahren, inwieweit erst der Waffenbesitz für die steigende Kriminalität bestimmend ist. Oder gibt es auch mit Messer und Knüppeln bewaffnete Bankräuber?

Natürlich sieht dieses Problem in der Sicht eines in Angst vor der Kriminalität lebenden Bürgers anders aus. Er mag sich sagen: Gut, meine Waffe kann meinetwegen bis zu meinem Lebensende in der Nachttischlade unbenutzt liegen bleiben, aber es ist doch ein besseres Gefühl, sie in Griffnähe zu wissen. An dieser Sicherheitsillusion ist kaum etwas auszusetzen, wenn sie auch von der Praxis großteils widerlegt wird. In der Praxis erfüllt die Waffe den Selbstschutzzweck nämlich nur in den seltensten Fällen, in denen es nicht zur Konfrontation zweier ebenbürtiger Waffen kommt. Wenn man es mit einem mit Revolver bestück-

ten Angreifer zu tun hat. hebt man bmv beide Hände, es wäre auch Wahnsinn, es nicht zu tun, auch dann, wenn die Waffe des Angreifers sich als Schreckpistole entpuppen sollte.

Natürlich würde das Nichtvorhandensein der Feuerwaffen die Kriminalität nicht beseitigen, der Verbrecher würde an Stelle einer Pistole für seine unlauteren Zwecke das Messer, den Knüppel oder etwas Ähnliches benützen, immerhin mit dem Unterschied, daß ein Messer, soferne es sich nicht in der Hand eines geschulten Messerwerfers befindet, nicht die lähmende Wirkung eines Revolvers hat und nur als körpernahe Waffe gefährlich ist.

Bitte, verstehen Sie mich richtig, ich möchte nicht Ihr Geschäft ruinieren durch mein naives, unrealistisches Verlangen nach dem Verbot, der Vernichtung, der Beseitigung von Schießwaffen. Dies zu erreichen, erscheint mir als unmöglich. Nicht einmal die von den Nazis verhängte Todesstrafe für illegalen Waffenbesitz hat deren Vorhandensein beseitigt. Ein Waffenbesitzverbot würde das kein Gesetz und kein Verbot respektierende Verbrechertum nur noch ermuntern und vermehren.

Aber Sie sind der Waffenhändler. Sie sollten besser als ich Laie Bescheid wissen, wie es um den Waffenbesitz bestellt ist. Mir geht es auch nicht um das Geschäft, mir geht es um das Inserat.

Sollte es den von Ihnen gewünschten Erfolg haben, dann würden noch mehr Waffen in Umlauf kommen, und mehr Waffen führen zu einer Steigerung der Kriminalität. Sie sind Waffenhändler, Sie wollen also Waffen und nicht irgend etwas anderes verkaufen. Dies aber durch die Spekulation mit der Angst und mit der steigenden Verunsicherung des Bürgers angesichts der steigenden Kriminalität zu tun, ist unredlich. Wer anders als Sie, der Waffenhändler, sollte es besser wissen, daß die Waffe in der Tasche oder in der Nachttischlade keine Sicherheitsgarantie, höchstens eine Sicherheitsillusion zu bieten vermag? Waffenhandel ist ein nicht zu beseitigendes Obel. Er ist nicht zu vermeiden, aber warum muß er noch durch unwahre Werbung ermutigt werden?

Ich wünsche es niemandem, auch Ihnen nicht, aber eines Tages könnten Sie selbst mit Ihrem Inserat konfrontiert werden, Auge in Auge mit der Mündung einer von Ihnen zu Verteidi-gungs- und Sicherheitszwecken verkauften Pistole. Denn auch die Verbrecher können sich ausrechnen, daß in Zeiten der steigenden Kriminalität der Waffenhandel gute Einnahmen verbürgt ...

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