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„Ihr sollt die lieben, die ihr feuern müßt”

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Ein starkes Ich, die Kraft des Handelns und das Geheimnis des Miteinander sind die entscheidenden Haltungen des neuen Managers.

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Ein starkes Ich, die Kraft des Handelns und das Geheimnis des Miteinander sind die entscheidenden Haltungen des neuen Managers.

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Wer folgende Sätze liest, wird neugierig: „Vielleicht ist unsere geistige Stummheit und Taubheit der Dämon, der unsere Zukunft und die unserer Kinder zunichte macht.” „Wenn Männer nur über ihre Geldtasche und Frauen über ihr Aussehen definiert werden, haben wir noch einen weiten Weg vor uns, in unseren Kindern einen Sinn für wahre Werte heranzubilden.” „Nur im tiefen Wasser ist ein wirklich guter Fang zu machen.”

Diese Sätze stehen nicht in einer Anleitung für Sonntagspredigten, sondern in einem Handbuch für Manager. Die Autorin, Laurie Reth Jones, Gründerin eines amerikanischen Marketingunternehmens, hatte reiche Erfahrung mit den „Machtmaschinen und Hungermaschinen”, den „Immer-schön-an-die-Regel-halten-Maschinen”, den „Kommen-wir-auf-den-Punkt-Ma-schinen”. Oder wie es in einem anderen Managerbuch heißt, mit der Kunst, „die Konkurrenz zum Wahnsinn zu treiben”. Das nennt die Autorin geistige Stumpfheit und 'Taubheit und einen Dämon.

Dann die Überraschung: Mrs. Jones schreibt keine neue Unternehmerethik mit klugen Zitaten aus Aristoteles, Thomas von Aquin oder John Naisbitt. Und noch weniger ein Ruch „zum schnellen Geld”. Sie ist geprägt von einem Erlebnis: „Jesus beeindruckte mich als erhabenstes Reispiel einer Führungspersönlichkeit. ” In ihm entdeckt sie die drei entscheidenden Grundhaltungen einer Führungspersönlichkeit von heute. Es lohnt sich, ihre eigenen Worte zu hören:

Das starke Ich: „Was wäre geschehen, hätte Jesus nicht sofort gewußt, wer er war und was für Gaben er in sich hatte.” Dann der lockere Satz: „Jesus wußte, wer sein Roß war und er war täglich mit ihm in Verbindung.” Aus diesem Wissen verfügte er über eine unwahrscheinliche Selbstsicherheit und Entschiedenheit. Als ihm der Versucher in der Wüste „mehrere Geschäftsmöglichkeiten” anbot, reagierte er schlagfertig. Sein Ziel war klar: „Er kam, um uns zu lehren, was Himmel bedeutet... und noch wichtiger, wie man ihn erreichen kann.” „Er hätte die Erde beherrschen können. Aber sein Reich war nicht von dieser Welt.” Dieses Ziel war seine Leidenschaft. Da er eine starke ßersönlich-keit war, konnte er auch ganz Mensch.sein und Gefühle zeigen: Er weinte über den Tod eines Freundes und wurde zornig über die Tempelschänder. Er war eine unverwechselbare Persönlichkeit.

Die Kkait des Handelns: Auch hier ein markanter Satz: „Jesus war unabhängig davon, ob seine Crew ihm zur Seite stand oder nicht. Er hätte den ihm zugewiesenen Job auch ohne Petrus oder Maria Magdala getan.” Sein Leitwort war: „Mein Vater wirkt bis jetzt und auch ich wirke.” 'Trotzdem wußte er um die Redeutung eines 'Teams. Er wählte seine Mannschaft nicht aus der erstarrten Hierarchie und Rürokratie, sondern aus den unverbrauchten Reserven des Volkes. Natürlich mit allen Risiken. Er schulte sie, sich den Modetrends quer zu legen und Maßstäbe zu verändern. „Es steht zwar geschrieben ... ich aber sage euch” ... „Will einer Erster sein, so sei er Letzter von allen und aller Diener.” „Vergessen Sie pompöse Zeremonien und laute Gebete auf dem Marktplatz und demonstrativ im Fernsehen überreichte Schecks. Nach Aussage Jesu soll man seine Liebe zu Gott zeigen indem man jede Seele, der man begegnet, so behandelt als ob sie Gottes eigenes Kind sei.” Und das Entscheidende: Jesus verlangte von seiner Mannschaft nicht nur die Radikalität des Handelns. Was er verlangte, tat er selber überzeugend. Er war glaubwürdig.

Das Geheimnis des Miteinander: Eines überrascht die Autorin an der Führungspersönlichkeit Jesu: Obwohl er ein starkes Selbstbewußtsein und eine überzeugende Kraft des Handelns hatte, war er alles andere als selbstbezogen. Er ging auf die mmmmmmmmmmmmmmm'. Menschen zu und sie spürten, „daß eine Kraft von ihm ausging”. „Jesus verbrachte viel Zeit mit seinen Mitarbeitern.” Er schenkte ihnen Vertrauen und konnte delegieren. „Alles, was ihr binden werdet auf Erden, wird auch gebunden sein im Himmel.” Er lobte die Seinen bei Erfolgen, richtete sie auf bei Mißerfolgen.

Das Miteinander beschränkte sich aber nicht auf die eigene Mannschaft. Jesus hatte ein ausgesprochenes soziales Re-wußtsein. Er hatte durchaus auch Kontakte zur Oberschicht, aber seine Liebe galt jenen „die ihr Dasein auf der Schattenseite des Lebens fristeten ... den Mauerblümchen, Aussätzigen, mit denen niemand tanzen wollte. Die Reichen mögen Jesus begraben haben, die Einfachen schenkten ihm jedoch Liebe, Freude und Freundschaft.” „Jesus konnte Menschen führen, weil er sie liebte.”

Eine Alternative zum „Turbomanager”? Das starke Ich, die Kraft des Handelns und das Geheimnis des Miteinander sind nach Mrs. Jones nicht nur die entscheidenden Haltungen der „Omega-Persönlichkeit Jesu”, sondern auch des modernen Managers. Auch dafür formuliert sie keine abstrakten Thesen, sondern handfeste Anfragen und Imperative. Einige Reispiele: „Die Führungspersönlichkeit, die nicht bereit ist, aus der Reihe zu tanzen, verdient diese Rezeichnung nicht, denn sie ist nur eine Marionette, die den Status quo aufrecht hält.” „Eine Führungspersönlichkeit, die nicht delegiert, wird schnell von einem Grüpp-chen von Ja-Sagern umgeben sein, das ihr schlußendlich den Todesstoß versetzen wird.” „In einigen Manager-Rüchern ist zu lesen, man sollte mit seinen Angestellten keine allzu enge Verbindung eingehen, da man sonst beinhart ausgenützt wird ... Ich möchte Kunden, die ihren Vertrag nicht erneuern, dennoch lieben, ebenso die Menschen, die ich feuern mußte oder die mich feuern mußten.” „Stellen Sie sich vor, wie das Management unserer Welt aussehen würde, wenn Geschäftsführer genau so viel Zeit damit verbrächten, über die Entwicklung ihrer Mitarbeiter nachzudenken und für sie zu beten wie sie für ihren Rudgetbericht investieren.” „Wenn wir ein Volk der Mittelmäßigkeit geworden sind, dann nur deshalb, weil wir aufgehört haben, uns um Gott zu bemühen.”

Riblische Weisheiten - visionäres Management. Wer die hier eingebrachten biblischen Weisheiten mit der Lupe der wissenschaftlichen Exegese zu überprüfen versucht, wird eine Fülle kritisch-gescheiter Anmerkungen machen können, verfehlt aber das Anliegen der Verfasserin. Ihr geht es darum, in die scheinbar so zementfeste Mauer der modernen Management-Dogmatik eine Rresche zu schlagen. Sie will in die so spröde Welt des Managements Dimensionen einbringen, die, wie Wilhelm Röpke sagte, „jenseits von Angebot und Nachfrage” liegen und trotzdem bedeutsam sind. Denn davon ist Mrs. Jones überzeugt, daß die geistige Stummheit und Taubheit im Management nur dadurch durchbrochen werden können, wenn neben einem hohen Sachverstand auch das persönliche Gewissen, das Verantwortungsbewußtsein und das soziale Ethos zur Geltung kommen.

Damit befindet sich die Autorin durchaus in guter Gesellschaft. Der Nobelpreisträger für Nationalökonomie, Friedrich von Hayek, der diesen Zugang zu den biblischen Weisheiten nicht hatte, formulierte das gleiche Grundanliegen folgendermaßen: Heute kommt es darauf an, „verständlich zu machen, daß Dinge, die kausal nicht zu erklären sind, trotzdem gültig sein können und sogar die unabdingbare Grundlage für eine Ordnung der menschlichen Zusammenarbeit bilden können, die uns allein in die Lage versetzt, die heutige Menschheit am Leben zu erhalten.”

Der Autor war viele Jahre Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wirkt heute an der Katholischen Sozialakademie Österreichs in Wien.

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