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Von lustigen, gefuhlvollen und schlimmen Damen

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In seiner fünften Oper wollte Bedfich S m e t a n a die „tieganz des Salons mit dem Adel der Musik'' vereinen. Der Salon der „Zwei Witwen“ ist ein böhmischer Gutshof, ähnlich jenem von Loucin, wo Smetana als Gast seines Schwiegersohnes oft weilte. Dieser war Gutsverwaltef beim Fürsten Thum und Taxis, dessen Nachkommen Rilke als Gast in Laut-chin sahen. Smetana, der nach „Dalibor“ beschuldigt wurde, den nationalen Stil zugunsten des Musikdramas verraten zu haben, wollte eine zweite „Verkaufte Braut“ schreiben und zugleich das erste tschechische Konversationsstück schaffen. Das letztere ist ihm glänzend gelungen: im flinken Dialog und dem sprudelnden Parlando, in der Feinheit und Pikanterie der Instrumentierung, in der leichten'und zarten Führung des Spiels. An dem Textbuch Emanuel Züngeis (nach einem Lustspiel J. P. Malle-filles) wird immer wieder heiumgedoktert. Es ist nett, aber primitiv; die deutsche Neutextierung wirkt etwas dümmlich. Aber die Musik ist um so netter und anmutiger, obwohl die melodischen Volltreffer der „Verkauften Braut“ fehlen. Von den „Dve vdovy“ war Ljuba W e 1 i t s c h die lustige, und die anmutige und schön singende Sonja M o 111 die trauernde. Durchaus begreiflich, daß sich der als Wilderer einschmuggelnde Gutsnachbar Ladislaus Podhajsky (Karl T e r k a 1) für die letztere entschied. Eine humoristische Charakterrolle ä la Kezal gab Oskar Czerwenka als Heger Mumlal. Leicht und präzis dirigierte Berislav K I o b u c a r. Lustige, bunte Bühnenbilder und Kostüme schufen Walter H o e ß-1 i n und Edith K r e s t a. Von Alfred J e r g e r, dem Spielleiter, stammt auch die deutsche Neutextierung, von Dia L u c a die abwechslungsreiche Choreographie. Wir hoffen, daß sich das anmutige Werkchen, das zuletzt 1936 im Stadttheater von Baden gespielt wurde, lang im Repertoire der Volksoper halten wird.

Rudolf Lustig und Gertrude Grob-Prandl angen die Titelpartien in „Tristan und Isolde“. Die rein physische Leistung, die dem überschwenglich-gefühlvollen Liebespaar zugemutet wird, ist so gewaltig, daß der Kreis der Interpreten von vornherein sehr eingeschränkt wird. „Wer spricht von Siegen? Ueberstehn ist alles!“ Das gilt ein wenig auch für den Zuhörer. Isolde hatte die gewaltigere Stimme, Tristan das leichtere Spiel. Weder an der einen noch an dem andern kommt der Regie ein Verdienst zu. Robert Kautskys Bühnenbilder — die gleichen, wie bei den letzten Aufführungen im Theater an der Wien — sind großräumig-monumcntal, aber reizlos. Vom neuen (Bayreuther) Stil noch keine Spur. In den übrigen Rollen: Ludwig Weber, Paul Schöffler (großartig), Eberhard Wächter und Elisabeth Höngen (die keinen guten Tag hatte). Leidenschaftlich, differenziert und genau: die musikalische Leitung Heinrich Hollreiserj.

Kaiser Wilhelm meinte, mit der „S a 1 o m c“, dieser fatalsten Tänzerin der Weltgeschichte, werde sich Richard Strauss schaden. Aber das Sensationsstück von 1905 ist 50 Jahre später zum zuverlässigen Kassenstück geworden; die peinliche, durch die Musik dreifach unterstrichene Mischung von lasziven Gesten und Prophetenworten ist um nichts weniger prekär geblieben. Strauss hat sich bekanntlich auf seine In-strumentations- und Bühnenroutine viel zugute getan. Aber von Oscar Wildes Text ist für die, die ihn gut kennen, etwa ein Drittel, für die andern noch weniger verständlich. Das liegt nicht an den Sängern. Christel Goltz gestaltet die Salome sehr bewußt und auf Wirkung. Ihr Tanz — diese unmöglichste Nummer der neueren Opernliteratur — ist mehr artistischgymnastisch als sinnlich-pervers. Dafür sind wir dankbar. Auch Salomes Liebestod singt und spielt sie ohne Ucbertreibung. Neu als Herodias war die junge Südamerikanerin Jean Madeira: interessant und originell, auf geradezu ablenkende Art mit einem jungen Pagen beschäftigt (Hilde Rössel-Majdan), Glaubwürdig als Herodes: Max Lorenz; in der schwer gestaltbaren Partie des Jochanaan: Alfred Poell (er kann weder für seine traditionell-abenteuerliche Ausstattung noch für das falsche Wagner-Pathos); seine hoffnungslose Liebe zur Prinzessin von Judäa in lyrischem Wohllaut verströmend: Anton Dermota. Bühnenbilder und Regie (Josef Witt) ließen nichts zu wünschen übrig. Das Salome-Orchester haben wir schon kammermusikalischer und farbiger gehört als unter Rudolf Moralt an diesem Abend.

Unter dem Motto „Ich steh' an deiner Krippe hier“ sang Irmgard Seefried Lieder zur Weihnacht; einen bunten Strauß Liedeiblumen mit einem kleinen Nachspruch über die Liebe, anstatt der Zugaben. Schwerpunkt des Programms war Hindemiths „Cum natus esset“ — es war auch Höhepunkt der Interpretation, während die Schlichtheit des „Stille Nacht“ oder auch des „Guten Abend, gute Nacht“ uns diesmal mehr aus dem Verstand und der Absicht als aus dem Herzen zu kommen schien. Aehnliche Eindrücke hinterließen die Lieder von Peter Cornelius, während man bei Hugo Wolf sogleich wieder den gewohnten Tiefgang spürte (Mörike-Lieder). An der nichtsdestoweniger beglückenden Kunst, Leichtes und Schweres, Altes und Neues zum einheitlichen Erlebnis zu gestalten, hatte Erik Werbas sehr profilierte Klavierbegleitung wohlgewogenen Anteil.

Wenn Paul Badura-Skoda und Jörg D e m u s vierhändig spielen, wird Kammermusik gleichsam zur Hausmusik geadelt. In Originalwerken von Mozart und Schubert lebte sich die musikantische Natur der beiden jungen Künstler aus, die selbst bei gelok-kerten Zügeln jenes Niveau hält, das man schlechtweg genial nennt. Es fällt schwer, den Höhepunkt des (ebenfalls aufgelockerten) Programms zu bestimmen. Unserem Gefühl nach dürfte er am Anfang, in der wuchtigen „Phantasie für eine Orgcl-walze“ von Mozart (Orgelstück für eine Uhr) gelegen haben, deren dichtes kontrapunktisches Gewebe tatsächlich — der geheimnisvollen Klarheit eines Räderwerks vergleichbar — in unbeirrter Präzision abrollte, indes nicht seelenlos, sondern von innen her erhellt und belebt: eben Mozart.

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