Gegen Internetzensur

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Das jüngste vatikanische Dokument "Ethik im Internet" überrascht als Plädoyer für die Freiheit.

Am 28. Februar veröffentlichte der Päpstliche Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel in Rom das Dokument "Ethik im Internet". Nachfolgend wesentliche Passagen daraus:

III. Einige Problembereiche

10. [...] Eines der wichtigsten Probleme des Internet betrifft, was heute als "digital divide" (digitale Kluft) bezeichnet wird [...] Der Ausdruck betont die Tatsache, dass einzelne, Gruppen und Nationen Zugang zu der neuen Technologie haben müssen, um Anteil an den verheißenen Vorteilen der Globalisierung und Entwicklung zu haben und nicht weiter zurückzufallen. Es ist unbedingt nötig, "dass die Kluft zwischen den Nutznießern der neuen Informationsmedien und -technologien und jenen, die noch keinen Zugang zu ihnen haben, nicht zu einer weiteren ständigen Quelle von Ungerechtigkeit und Diskriminierung wird". Man muss Wege finden, um das Internet auch den benachteiligteren Gruppen zugänglich zu machen [...]

11. Besondere Sorgen machen wir uns um die kulturellen Aspekte der gegenwärtigen Vorgänge. Gerade in ihrer Eigenschaft als machtvolle Werkzeuge des Globalisierungsprozesses tragen Informationstechnologie und Internet zur Vermittlung ... einer Struktur kultureller Werte bei - Ansichten über zwischenmenschliche Beziehungen, Familie, Religion, die Existenz des Menschen -, deren Neuheit und Reiz die traditionellen Kulturen in Frage stellen und verschütten können [...]

Wir treten entschlossen für freie Meinungsäußerung und für einen freien Ideenaustausch ein. Die Freiheit, nach der Wahrheit zu suchen und sie zu erkennen, ist ein Grundrecht des Menschen, und die Ausdrucksfreiheit ist ein Eckstein der Demokratie [...]

Im Lichte dieser Forderungen des Gemeinwohls missbilligen wir die Versuche seitens öffentlicher Stellen, den Zugang zu Informationen - sei es im Internet oder in anderen Medien der sozialen Kommunikation - zu blockieren, weil sie in diesen eine Gefahr sehen, die Öffentlichkeit durch Propaganda und Desinformation zu manipulieren oder die legitime ... Meinungsfreiheit zu behindern [...]

13. In dieser neuen Umgebung erlebt der Journalismus tiefgreifende Veränderungen. Durch die Verbindung der neuen Technologien und der Globalisierung "wuchs die Leistungsfähigkeit der sozialen Kommunikationsmittel an, wodurch diese allerdings auch einem zunehmenden ideologischen und kommerziellen Druck ausgesetzt sind", und das gilt auch für den Journalismus.

Das Internet ist ein hochwirksames Werkzeug, um Nachrichten und Informationen schnell zu den Menschen zu bringen. Aber das wirtschaftliche Konkurrenzdenken und der 24-Stunden-Tag des Internet-Journalismus leisten auch ihren Beitrag zu Sensationsmache und Gerüchteküche, zu einer Vermengung von Nachrichten, Werbung und Unterhaltung und zu einer offensichtlichen Abnahme von seriöser Berichterstattung und Kommentaren. Redlicher Journalismus ist für das Gemeinwohl der Nationen und der internationalen Gemeinschaft von wesentlicher Bedeutung. Die Probleme, die gegenwärtig bezüglich der journalistischen Praxis im Internet auftreten, erfordern eine rasche Korrektur durch die Journalisten selbst. [...]

IV. Empfehlungen, Zusammenfassung

15. Wie wir gesehen haben, ist die Tugend der Solidarität das Maß der Dienstbarkeit des Internets für das Gemeinwohl. [...] Vielen Einzelpersonen und Gruppen kommt in dieser Sache Verantwortung zu, so zum Beispiel den supranationalen Einrichtungen, von denen vorher die Rede war. Alle Nutzer des Internets sind verpflichtet, es in einer gut unterrichteten und disziplinierten Weise und für sittlich gute Zielsetzungen zu verwenden; die Eltern sollten die Nutzung durch ihre Kinder anleiten und beaufsichtigen. Schulen und andere Erziehungseinrichtungen und -programme für Kinder und Erwachsene sollten Anleitungen zu einem kritischen Gebrauch des Internets liefern [...]

16. Vorherige Zensur durch die Regierung sollte vermieden werden [...] Aber das Internet ist genauso wenig wie die übrigen Medien von vernünftigen Gesetzen gegen Hassparolen, Verleumdung, Betrug, Kinderpornographie und Pornographie im allgemeinen oder anderen Straftaten ausgenommen. Kriminelles Verhalten in anderen Bereichen ist das gleiche wie kriminelles Verhalten im Cyberspace, und die weltlichen Behörden haben das Recht und die Pflicht, für die Einhaltung der entsprechenden Gesetze zu sorgen. Es könnten auch neue Regelungen nötig sein, wenn es sich um spezielle "Internet-Straftaten" handelt, wie z.B. die Verbreitung von Computerviren, den Diebstahl persönlicher, auf Festplatten gespeicherter Daten u.ä.

Eine Regulierung des Internets ist wünschenswert, und im Prinzip ist Selbstregulierung durch den entsprechenden Wirtschaftszweig das Beste [...]

17. Der supranationale und grenzüberschreitende Charakter des Internet und seine Rolle im Globalisierungsprozess erfordern internationale Zusammenarbeit in der Festlegung von Standards und in der Einführung von Mechanismen zur Förderung und zum Schutz des internationalen Gemeinwohls. Was nun die Medientechnologie - und vieles andere - betrifft: "Es gibt einen dringenden Bedarf an Gerechtigkeit auf internationaler Ebene". Es ist entschlossenes Handeln auf dem privaten und dem öffentlichen Sektor nötig, um die "digitale Kluft" zu schließen und schließlich ganz zu überwinden.- Viele schwierige und mit dem Internet zusammenhängende Fragen verlangen nach einem internationalen Konsens [...]

18. [...] Das Internet kann einen äußerst wertvollen Beitrag zum Leben der Menschen leisten. Es kann Wohlstand und Frieden, intellektuelles und ästhetisches Reifen und gegenseitiges Verständnis zwischen Völkern und Nationen auf Weltebene fördern.

Außerdem kann es den Männern und Frauen bei ihrer ewigen Suche nach dem Verständnis des eigenen Ich behilflich sein [...]

Vollständiger Text "Ethik im Internet":

www.vatican.va/roman_curia/pontifical_ councils/pccs/documents/rc_pc_pccs_doc_20020228_church-internet_ge.html

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