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Der Glanz der Wahrheit

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Die Wahrheit sei heute in Gefahr, verfälscht, ja abgelehnt zu werden, stellt der Papst fest. Dies bedürfe einer grundsätzlichen Antwort des Lehramts. Zitate aus der am 5. Oktober vorgestellten Enzyklika.

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Die Wahrheit sei heute in Gefahr, verfälscht, ja abgelehnt zu werden, stellt der Papst fest. Dies bedürfe einer grundsätzlichen Antwort des Lehramts. Zitate aus der am 5. Oktober vorgestellten Enzyklika.

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Der Mensch von heute muß sich aufs neue an Christus wenden., um von ihm die Antwort darauf zu erhalten, was gut und was schlecht ist. Er ist der Meister, der Auferstandene, der das Leben in sich hat und der in seiner Kirche und in der Welt immer gegenwärtig ist. Er erschließt den Gläubigen das Buch der Schrift und lehrt durch die volle Offenbarung des Willens des Vaters die Wahrheit über das sittliche Handeln.

10. (...) Auf den „zehn Gebotstafeln" des Bundes mit Israel und im ganzen Gesetz gibt sich Gott als der zu erkennen, der „allein gut ist"; als der, der trotz der Sünde des Menschen weiterhin das „Modell" des sittlichen Handelns bleibt, seiner eigenen Aufforderung entsprechend: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig" (Lev 19, 2); alsder, der seiner Liebe zum Menschen getreu, ihm sein Gesetz schenkt (vgl. Ex 19, 9-24 und 20, 18-21), um die ursprüngliche Harmonie mit dem Schöpfer und mit der ganzen Schöpfung wiederherzustellen, und noch mehr, um ihn in seine Liebe einzuführen: „Ich gehe in eurer Mitte; ich bin euer Gott, und ihr seid mein Volk" (Lev 26,12). Das sittliche Leben erscheint als geschuldete Antwort auf die freien Initiativen, die Gottes Liebe dem Menschen unbegrenzt zuteil werden läßt.

13 (...) Die Gebote (...) sind dazu bestimmt, das Wohl der Person, Ebenbild Gottes, durch den Schutz seiner Güter zu wahren. „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen", sind sittliche Regeln, die als Verbote formuliert sind. Die negativen Vorschriften bringen besonders kraftvoll die ununterdrückbare Forderung zum Ausdruck, das menschliche Leben, die Personengemeinschaft in der Ehe, das Privateigentum, die Wahrhaftigkeit und den guten Ruf zu schützen.

15. (...) Jesus zeigt, daß die Gebote nicht als eine nicht zu überschreitende Minimalgrenze verstanden werden dürfen, sondern vielmehr als eine Straße, die offen ist für einen sittlichen und geistlichen

Weg der Vollkommenheit, deren Seele die Liebe ist ...

25. (...) Die von Gott im Alten Bund auferlegten und im Neuen und Ewigen Bund in der Person des menschgewordenen Gottessohnes erfüllten sittlichen Gebote müssen treu bewahrt und in den verschiedenen Kulturen im Laufe der Geschichte immer wieder aktualisiert werden. Die Aufgabe ihrer Interpretation war von Jesus den Aposteln und ihren Nachfolgern mit dem besonderen Beistand des Geistes der Wahrheit übertragen worden: „Wer euch hört, der hört mich"

32. So ist man in manchen modernen Denkströmungen so weit gegangen, die Freiheit derart zu verherrlichen, daß man sie zu einem Absolu-tum machte, das die Quelle aller Werte wäre. In diese Richtung bewegen sich Lehren, die jeden Sinn für die Transzendenz verloren haben oder aber ausdrücklich atheistisch sind. Dem Gewissen des einzelnen werden die Vorrechte einer obersten Instanz des sittlichen Urteils zugeschrieben, die kategorisch und unfehlbar über Gut und Böse entscheidet.

Zu der Aussage von der Verpflichtung, dem eigenen Gewissen zu folgen, tritt unberechtigterweise jene andere, das moralische Urteil sei allein deshalb wahr, weil es dem Gewissen entspringt. Auf diese Weise ist aber der unabdingbare Wahrheitsanspruch zugunsten von Kriterien wie Aufrichtigkeit, Authentizität, „Übereinstimmung mit sich selbst" abhanden gekommen, so daß man zu einer radikal subjektivistischen Konzeption des sittlichen Urteils gelangt.

35. Im Buch Genesis lesen wir: „Gott der Herr gebot dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn wenn du davon ißt, wirst du sterben" (Gen 2, 16-17).

Mit diesem Bild lehrt uns die Offenbarung, daß die Macht über Gut und Böse zu entscheiden, nicht dem Menschen, sondern allein Gott zusteht. Gewiß, der Mensch ist von dem Augenblick an frei, in dem er die Gebote Gottes erkennen und aufnehmen kann. Und er ist im Besitz einer sehr weitgehenden Freiheit, denn er darf „von allen Bäumen des Gartens" essen. Aber es ist keine unbegrenzte Freiheit: Sie muß vor dem „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" haltmachen ... Gott, der allein gut ist, erkennt genau, was für den Menschen gut ist, und kraft seiner eigenen Liebe legt er ihm dies in den Geboten vor.

Das Gesetz Gottes mindert also die Freiheit des Menschen nicht und noch weniger schaltet es sie aus, im Gegenteil, es garantiert und fördert sie.

76. (...) Die Gläubigen sind verpflichtet, die spezifischen, von der Kirche im Namen Gottes, des Schöpfers und Herrn, vor-' gelegten und gelehrten sittlichen Gebote anzuerkennen und zu achten. Wenn der Apostel Paulus die Erfüllung des Gesetzes in dem Gebot zusammenfaßt, den Nächsten zu lieben wie sich selbst (vgl. Böm 13, 8-10), schwächt er damit nicht die Gebote ab, sondern er bestätigt sie vielmehr, da er deren Forderungen und Gewicht offenlegt.

88. (...) Es ist dringend notwendig, das wahre Antlitz des christlichen Glaubens zurückzugewinnen und wieder bekannt zu machen; dies ist ja nicht lediglich eine Summe von Aussagen, die mit dem Verstand angenommen und bestätigt werden müssen.

Er ist vielmehr eine gelebte Kenntnis von Christus, ein lebendiges Gedächtnis seiner Gebote, eine Wahrheit, die gelebt werden muß. Ein Wort wird schließlich nur dann wahrhaft angenommen, wenn es in die Handlungen übergeht, wenn es in die Praxis umgesetzt wird. Der Glaube ist eine Entscheidung, die die gesamte Existenz in Anspruch nimmt.

101. (...) Nach dem Niedergang der Ideologien in vielen Ländern, die die Politik mit einem totalitären Weltbild verbanden - unter ihnen vor allem der Marxismus - zeichnet sich heute eine nicht weniger ernste Gefahr ab angesichts der Verneinung der Grundrechte der menschlichen Person und der Auflösung der im. Herzen jedes Menschenwesens wohnenden religiösen Frage in politische Kategorien: Es ist die Gefahr der Verbindung zwischen Demokratie und ethischem Relativismus, die dem bürgerlichen Zusammenleben jeden sicheren sittlichen Bezugspunkt nimmt, ja mehr noch, es der Anerkennung von Wahrheit beraubt. Denn „wenn es keine letzte Wahrheit gibt, die das politische Handeln leitet und ihm Orientierung gibt, dann können die Ideen und Überzeugungen leicht für Machtzwecke mißbraucht werden. Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus".

104. (...) Während es menschlich ist, daß der Mensch, nachdem er gesündigt hat, seine Schwäche erkennt und wegen seiner Schuld um Erbarmen bittet, ist hingegen die Haltung eines Menschen, der seine Schwäche zum Kriterium der Wahrheit vom Guten macht, um sich von allein gerechtfertigt fühlen zu können, ohne es nötig zu haben, sich an Gott und seine Barmherzigkeit zu wenden unannehmbar. Eine solche Haltung verdirbt die Sittlichkeit der gesamten Gesellschaft ...

110. (...) Den Moraltheologen fällt die Aufgabe zu, die Lehre der Kirche darzulegen und bei der Ausübung ihres Amtes das Beispiel einer loyalen, inneren und äußeren Zustimmung zur Lehre des Lehramtes sowohl auf dem Gebiet des Dogmas wie auf dem der Moral zu geben.

116. Wir haben als Bischöfe die Pflicht, darüber zu wachen, daß das Wort Gottes zuverlässig gelehrt wird. Meine Mitbrüder im Bischofs amt, es gehört zu unserem Hirten amt, über die getreue Weitergabe dieser Morallehre zu wachen und die passenden Maßnahmen zu ergreifen damit die Gläubigen von jeder Lehre und Theorie, die ihr widersprechen, geschützt werden. In dieser Aufgabe werden wir alle von den Theologen unterstützt; die theologischen Meinungen bilden jedoch weder die Regel noch die Norm für unsere Lehre. Ihre Autorität beruht, mit dem Beistand des Heiligen Geistes, und in der Gemeinschaft cum Petro et sub Petro, auf unserer Treue zu dem von den Aposteln empfangenen katholischen Glauben. Als Bischöfe haben wir die schwerwiegende Verpflichtung, persönlich darüber zu wachen, daß in unseren Diözesen die „gesunde Lehre" des Glaubens und der Moral gelehrt wird.

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