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Die Finnen stürmen den EG-Markt

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Wenn sich Japaner in euro -päische Betriebe einkaufen oder wenn Golfstaaten Petrodollars investieren, so kommt das nicht weiter überraschend. Wenn man aber liest, daß zum Beispiel bekannte deutsche Unterhaltungselektronikriesen oder schwedische Elektronikkonzerne von den kleinen Finnen geschluckt werden, so horcht man auf.

Auch in Übersee schlagen die Finnen zu. So stehen sie beispielsweise still und leise hinter weltberühmten amerikanischen Sportartikelmarken. Es dreht sich also auch keineswegs nur alles um Saunas

und Papier, da haben sie ohnedies schon seit langem das große Sagen.

Bis zum Zweiten Weltkrieg exportierte Finnland im wesentlichen Produkte der Holzverarbeitung. In den fünfziger und sechziger Jahren gewann dann die Metall- und Maschinenbauindustrie zunehmende Bedeutung und wurde zum zweiten wichtigen Träger der finnischen Ausfuhren. Der für das kleine Land wichtige Außenhandel erhielt durch die Assoziierung an die EFTA1961 und durch den Abschluß des Freihandelsabkommens mit der EG 1974 deutliche Impulse. Erst in den siebziger Jahren begann die finnische Industrie damit, die wichtigsten Märkte nicht nur zu beliefern, sondern sich auch dort selbst zu etablieren. Eine Internationalisie-rung größeren Stils setzte dann in den achtziger Jahren ein.

Was sind die Triebfedern dieser Internationalisierung?

Das kleine Land ist in hohem Maße auf den Außenhandel angewiesen. Andere Deviseneinnahmen, etwa wie im Falle Österreichs aus dem Fremdenverkehr, fallen weitgehend aus. Knapp ein Viertel der Exporte und schon über die Hälfte der Papierausfuhren laufen über finnische Auslandstöchter. Große Stückzahlen, Voraussetzung für rationelle Produktionen, sind auf dem Fünf-Millionen-Markt Finnland nicht abzusetzen. International konkurrenzfähig ist man nur, wenn man sich spezialisiert, wozu man ebenfalls große Märkte benötigt. Um zu diesen Märkten aus der geograf ischen Randlage Brücken zu schlagen, um Kundennähe zu gewinnen, um Finanzierungsmöglichkeiten und technologischen Anschluß zu finden und um das geschäftliche Risiko zu streuen, ist die Internationalisierung der beste

Weg. Und gerade mit Blick auf den kommenden europäischen Binnenmarkt schützt Internationalisierung vor Isolierung. Eine Mitgliedschaft in der EG wird aus politischen Gründen für die nähere Zukunft ausgeschlossen. Um so wichtiger sind wirtschaftliche Standbeine im Gemeinsamen Markt.

Tatsächlich haben sich finnische Firmen in den letzten zwei Jahren' besonders stark in den EG-Ländern etabliert. Von den insgesamt über 2.200 finnischen Unternehmen mit Außenhandelsaktivitäten haben beinahe 900 Geschäftsverbindungen in den EG-Raum, dagegen nur etwa 700 in die EFTA-Länder. Übrigens sind in Österreich zirka 20 finnische Unternehmen etabliert. Insgesamt beschäftigen in finni-schemBesitz befindliche Unternehmen außerhalb Finnlands zirka 90.000 Menschen. Das ist nahezu ein Fünftel aller in der Industrie

tätigen Arbeitskräfte. Dabei ist die Zahl der finnischen Auslandsniederlassungen in starkem Steigen begriffen. Hat sich die Zahl finnischer Auslandstöchter von 1980 bis 1987 zirka verfünffacht, so konnte von 1987 auf 1988 eine Verdoppelung festgestellt werden. Allein im Vorjahr beliefen sich die Investitionen der finnischen Industrie im Ausland auf rund 25 Milliarden Schilling. Dies waren schon fast zwei Prozent des Bruttosozialproduktes und 15 Prozent der industriellen Investitionen.

Wichtigste Träger der Industrialisierung waren der Maschinenbau und die Sparte Elektro und Elektronik sowie die chemische Industrie. Wichtigstes Zielgebiet war die EG, auf die über 40 Prozent der Aktivitäten entfielen, gefolgt von EFTA-Staaten mit gutem 30-Pro-zent-Anteil, der naturgemäß vor allem auf Investitionen in Schwe-

Blick auf den europäischen Markt

den zurückzuführen ist. Was die Reihung einzelner Staaten, in denen das finnische Engagement besonders stark ist, anbelangt, so folgen auf Schweden die Bundesrepublik, Großbritannien und die USA.

Die Etablierung im Ausland vollzog sich in den letzten Jahren immer häufiger in Form der Gründung eines Produktionsbetriebes oder durch Akquisition von Erzeugungsbetrieben. Das Gros der finnischen Auslandstöchter, insgesamt etwa 1.100, sind freilich weiterhin Marketing- und Vertriebsgesellschaften. Die bedeutendsten Betriebsgründungen des Papiersektors erfolgten in der Bundesrepublik, in Großbritannien, in Kanada und in Frankreich. Die finnische Maschinenbauindustrie hat eigene Produktionsstätten, unter anderem in Brasilien und der Türkei, aufgebaut. Der Großteil der Internationalisierung erfolgte durch den Aufkauf bestehender Unternehmen, dies gilt besonders für finnische Firmen des Bereiches Elektronik, Telekommunikation und Chemie. Neuerdings ist auch zu beobachten, daß Tochterunternehmen im Ausland in er-

(Globus Grafik)

ster Linie gegründet werden, um Finanzierungen abzuwickeln und Währungsrisiken zu minimieren.

Die erfolgreiche finnische Internationalisierung wird freilich hauptsächlich von einigen wenigen Großbetrieben getragen. Es sind immer wieder die gleichen Namen, insgesamt vielleicht zirka 20. Darin eingeschlossen sind auch einige staatliche Unternehmen, die in Finnland allerdings weitgehend nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien geführt werden und neuerdings auch an der Börse notieren. Die Flaggschiffe der finnischen Industrieerwirtschaften durchwegs über 60 Prozent ihres Konzernumsatzes im Ausland. In einigen Fällen, so bei Nokia, Outokumpu, Kone und Kemira, liegt dieser Auslandsanteil schon zwischen 80 und 90 Prozent.

Naturgemäß sind zu den finnischen Multis auch Papierfirmen wie Kymmene, United Paper Müs und Enso zu zählen, oder das Maschinenbauunternehmen Valmet und der Chemiekonzern Neste.

Der Autor ist der österreichische Außenhandelsdelegierte für Finnland in Helsinki.

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