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Energie-Einbahn Ost

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„Angesichts dieser unruhigen Situation im Iran und im Mittleren Osten muß ich sagen, ist diese Art von Abhängigkeit eher in Kauf zu nehmen als die, die es etwa gegeben hat im Iran oder in anderen Staaten.“ Dieser von Bundeskanzler Kreisky anläßlich seines außerprotokollarischen Polen-Besuches am letzten Novemberwochenende dargelegten Einsicht ist ein rund zweijähriger Lernprozeß vorangegangen.

Eine alte Volksweisheit hat auch Bruno Kreisky weiser gemacht: Aus Schaden wird man klug.

Denn bis vor kurzem wäre man liebend gerne vom Iran abhängig gewesen: So kehrte Wissenschaftsministerin Hertha Fimberg 1977 aus dem Schah-Reich mit der Frohbotschaft zurück, wir könnten den in Zwentendorf anfallenden Atom-Müll im Iran endlagem. Und aus 1975 datiert ein Vertrag über langfristige Erdgaslieferungen, die 1981 hätten anlaufen sollen.

Ruhalla Musawi „Ajatollah“ Cho- meini hat uns durch die mit Schah Mohammed Reza Pahlewi ausgehandelte Energie-Rechnung einen dik- ken Strich gemacht. Zwar heißt es im energiepolitischen Operationskalender der Bundesregierung nur, daß die Gasimporte aus dem Iran „auf Grund der aktuellen politischen Situation unbestimmt“ seien, doch ist so gut wie sicher, daß sich die minimalen Gas-Hoffnungen in Luft auflösen werden.

Zur Gas-Lücke kommen auch noch die Probleme, die sich aus der Nicht- Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf ergeben. Und für die thermischen Ersatzkraftwerke ging Kreisky bei seiner Polen-Visite auf Kohlen-Suche.

Der Vorbereitung für diesen Besuch diente sogar der letzte SPÖ-Par- teitag: Kreiskys Plädoyer für einen West-Ost-Energieverbund, bei dem mit westlichem Geld östliche Energiereserven genutzt werden könnten, wollte aus der österreichischen Not eine internationale Tugend machen. Eine stärkere Verflechtung des Westens mit dem Osten würde auch das Risiko des Kleinstaates Österreich mindern, das sich aus der Abhängigkeit zum Energielieferanten ergibt.

Dabei ist die Zahl der möglichen Gesprächspartner im Osten gar nicht mehr so groß. Im COMECON (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe der Oststaaten) verfügen nur zwei Länder über eine positive Energiebilanz: die Sowjetunion und Polen. Und beide sind heute schon dominierende Energielieferländer für Österreich.

Unsere Erdgasimporte stammen fast zur Gänze aus der Sowjetunion, derzeit sind es jährlich 2,4 Milliarden Kubikmeter. Unsere Steinkohle kommt - von kleinen Ausnahmen abgesehen - aus Polen.

Insgesamt sind wir mit unserem Energiebedarf jetzt zu 48 Prozent vom Osten abhängig. Dies ist, bei einer Auslandsabhängigkeit von knapp unter 70 Prozent (Stand 1976k ein überaus hoher Anteil. Und wenn sich Österreichs Abhängigkeit, so die Prognosen, bis zum Ende der achtziger Jahre auf runde 80 Prozent erhöhen wird, werden wir auch weit mehr als die Hälfte unseres Energiebedarfes aus dem Osten beziehen.

Die Auswege, die wir Österreicher derzeit aus unseren Energieproblemen suchen, münden in eine Einbahn: in die Energie-Einbahn Ost.

So wie die Regierung jetzt hofft, bis Mitte des nächsten Jahres die 1,2 Millionen Tonnen Polen-Kohle ab 1984 vertraglich unter Dach und Fach zu bringen, hofft man insgeheim auch, daß die Sowjetunion unter Umstän den für das ausgefallene Iran-Gas einspringt.

Dazu kommt auch noch das beim Kreisky-Besuch in Polen andiskutierte Projekt, in Polen'ein von Österreich und anderen westlichen Staaten finanziertes Großkraftwerk zu errichten, das von den Polen in Form von Stromlieferungen „bezahlt“ wird.

„Abhängigkeiten“, meint dazu der Kanzler in typischer Kreisky-Manier, „schafft man sich nicht, denn in dem Maße, als wir den elektrischen Strom brauchen würden, in dem Maße brauchen die Polen das Geld, das wir dafür zahlen - vielleicht sogar noch mehr, als wir den Strom brauchen.“

Das Geschäft „Tausche West-Devisen gegen Ost-Energie“, das Kreisky vor Augen steht, funktioniert derzeit noch relativ klaglos.

Mit Ausnahmen: Wir haben mit Polen auch, einen Stromvertrag, der über die CSSR abgewickelt wird. Polen liefert der CSSR derzeit 400 Millionen Kilowattstunden jährlich (ab 1983 soll diese Menge auf 1,6 Milliarden Kilowattstunden aufgestockt werden), die ihrerseits diese Strommenge an uns weitergibt.

Im letzten, extrem kalten Winter blieben die Stromlieferungen aus der CSSR plötzlich über Nacht aus. „Technische Schwierigkeiten,“ lautete die lakonische Begründung.

„Bestimmte Dinge sind derartig, daß sie von heute auf morgen in Österreich einen Zusammenbruch hervorrufen können“, bringt daher auch der außenpolitische Sprecher der Volkspartei, Botschafter Ludwig Steiner, seine Bedenken vor. Für ihn ist jede einseitige Abhängigkeit, auch eine vom Osten, unerwünscht. „Ein Leitungsdefekt genügt“, um die Nachteile der Abhängigkeit voll spüren zu lassen. Die Probleme liegen nicht in der Absicht, sondern schon in der Technik.

Zudem hält Steiner die zwar zurückgenommene, aber doch ausgesprochene Warnung der Wiener CSSR-Botschaft anläßlich der Ausbürgerung Pavel Kohouts, wonach Österreich die CSSR aus „strategischen Gründen“ brauche, für einen „wertvollen Denkanstoß“.

„Man soll niemand verdächtigem Aber daß so etwas überhaupt gesagt werden kann, ist ein Zeichen, daß es solche Gedanken gibt. Das heißt noch lange nicht, daß die gegenwärtig Regierenden solches im Sinne haben, aber auszuschließen ist nichts“, formuliert Steiner sein Unbehagen.

Ein Unbehagen, das andere mit ihm teilen, dies aber weniger diplomatisch zurückhaltend ausdrücken: Bei einem ernsten Konflikt zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt dreht uns, so die nicht unrealistische Befürchtung, der Osten den Energiehahn zu. Denn niemand kann annehmen, daß in diesem Fall die Vertragstreue gegenüber dem Kleinstaat Österreich vor den strategischen und politischen Interessen des kommunistischen Ostens rangieren wird.

Doch derartige Bedenken fallen heute einfach unter den Tisch: Man ist froh, vorerst überhaupt Energie zu bekommen - unabhängig von den Abhängigkeiten, die sich daraus ergeben.

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