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Katholische Presse — warum?

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Wir bringien im Nachstehenden Auszüge aus den demnächst von Pater Nikolaus Junk SJ im Matthias-Grunewald-Verlag veröffentlichten Aufzeichnungen von Pater Friedrich Muckermann, dem unermüdlichen Kämpfer für die Freiheit der Presse und Gegner des Nationalsozialismus.

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Wir bringien im Nachstehenden Auszüge aus den demnächst von Pater Nikolaus Junk SJ im Matthias-Grunewald-Verlag veröffentlichten Aufzeichnungen von Pater Friedrich Muckermann, dem unermüdlichen Kämpfer für die Freiheit der Presse und Gegner des Nationalsozialismus.

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Es war damals nicht so leicht, die Richtung einzuhalten, die in der Presse von den Zeitverhältnissen gefordert wurde. Das wird sich sogleich ergeben, wenn wir einen Blick auf die inneren Schwierigkeiten werfen, die damals in der katholischen Presse überwunden werden mußten. Das Gesetz, nach dem sie angetreten war, ist im Kulturkampf zu suchen, einem religiösen Befreiungskampf auf politischem Gebiet. Organisch hatten sich damals das religiöse und das politische Element miteinander vereint, zwei Elemente, die nicht immer in der gleichen Harmonie bleiben konnten.

Was sollte eine Presse tun, die grundsätzlich parteipolitisch gebunden war, die aber ebenso grundsätzlich das gesamte öffentliche Leben unter den höchsten religiösen und moralischen Ideen betrachtete, die also katholisch war? Ganz zu lösen war dieses Problem überhaupt nicht, und tatsächlich verlor die Zentrumspartei nach und nach viele ihrer Anhänger unter den Katholiken und hatte schließlich überhaupt nur noch zwei Fünftel des katholischen Volksteiles hinter sich. Um nicht im gleichen Maße ihre Abonnenten zu verlieren, mußte die Zentrumspresse sich immer stärker rein weltanschaulich und kulturell orientieren, das Parteipolitische immer mehr zurückstellen und dafür das Überparteiliche um so mehr in den Vordergrund rücken. Das ist leichter gesagt als getan, und es wird niemals viele Redakteure geben, die solchen Aufgaben gewachsen sind. Hier halfen nun die Korrespondenzen, die es verstanden, die kulturellen Fragen so zu behandeln, daß sie den Leser wirklich interessierten.

Es gab noch eine andere Schwierigkeit, die mit der ersten zusammenhängt. Viele Zeitungsleser wollten nicht nur nichts von Politik hören, sie wollten überhaupt nur Unterhaltung und Sensation. Es bildete sich das riesige Publikum der Generalanzeiger-Presse, und es gab auch hier kein Mittel, um dem Übel ganz zu steuern. Die katholische Presse darf interessant sein, aber niemals farblos. Man kann unter Umständen das Farblose als das geringere Übel dulden, aber man kann es nie zum Ideal erheben. Wir mußten unter allen Umständen eine Gesinnungspresse bleiben. Da halfen nun wiederum die Korrespondenzen mit ihrem Unterhaltungsstofl1. Sie konnten nicht verhindern, daß doch ein Teil des Publikums verloren ging, aber sie konnten jenes Publikum, das ausharrte, wirklich schulen und bilden.

Die Korrespondenzen waren um so notwendiger, als ohne sie die Finanzfrage für die meisten Redaktionen nicht hätte gelöst werden können. Sie konnten sich einfach, abgesehen von der „Kölnischen Volkszeitung“, der „Germania“ und der „Augsburger Postzeitung“, keinen größeren eigenen Mitarbeiterstab leisten, und die Redaktionen waren oft genug zu schwach besetzt.

Was aber die drei genannten größeren Blätter anging, so müßte' die „Germania“ immer wieder finanziell gestützt werden, brachte sie es doch in ihren besten Zeiten kaum je auf mehr als acht- bis neuntausend Abonnenten, während die „Augsburger Postzeitung“' über noch viel weniger verfügte und die „Kölnische Volkszeitiung“ auch kaum über zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend kam, eine geringe Anzahl, wenn man bedenkt, daß in Holland, das nur zweieinhalb Millionen Katholiken zählte, der „Maasbode“ allein, eine wirklich moderne Zeitung, durchaus auf gleicher Höhe mit der „Kölnischen Volkszeitung“, an die 40.000 Abonnenten zählte, obgleich es in Holland auch noch „de Tijd“ in Amsterdam gab, abgesehen von einer außerordentlich starken Provinzpresse.

Noch ein letztes großes Problem wurde immer bedrängender, es war das Anwachsen der Kirchenblatt-presse auf Kosten der Tagespresse. Es hatte das verschiedene Gründe. Einesteils stieg nämlich nach und nach überall das Bedürfnis nach religiöser Literatur, besonders seit die Jugendbewegungen ihre Arbeit begonnen hatten. Anderseits, und hier lag die Achillesferse, gab es viele Katholiken, die nichts mehr mit dem Zentrum zu tun haben wollten und deshalb sich eine andere politische Tageszeitung hielten, eine nationale oder auch eine sozialistische oder eine farblose. Um aber doch der religiösen Forderung zu genügen, abonnierten sie das Kirchenblatt, in vielen Fällen wohl nur für das Küchenpersonal.

Die Situation war irgendwo tragisch, denn man konnte nicht gut dagegen sein, daß die Kirchenblatt-presse besser und reichhaltiger wurde, man konnte anderseits es der Tagespresse nicht verdenken, wenn sie darüber klagte, daß die Kirchenblätter nun anfingen, viele von den Fragen zu behandeln, die in die Tagespresse gehörten. So schwächte denn der eine den anderen. Ich habe mich in der Kirchenblattkorrespon-denz bemüht, das Problem zu lösen, daß die Interessen beider möglichst gewahrt wurden. Oft half man sich auch einfach so, daß die Kirchen-blattpresse im gleichen Verlag gedruckt wurde wie die Tagespresse, so daß also das Geld von beiden in die gleiche Kasse floß. Es sei daran erinnert, daß manche Kirchenblätter ' weit mehr als hunderttausend Abonnenten zählten, es gab schließlich einen richtigen Block von Kirchenblättern, der sich großteils auf Kosten der viel notwendigeren Tagespresse entwickelt hatte. Wir sind hier schon auf ein neues Problem gestoßen, nämlich das Finanzproblem.

Ich möchte hier beginnen mit einer kleinen Geschichte. Auf irgendeinem der zahlreichen internationalen Kongresse katholischer Verleger und Journalisten — ich glaube, es war in Lüttich — hatte man viele schöne Reden über die Bedeutung der Presse gehalten. Es waren dort viele Geistliche, und es meldeten sich vor allem Prälaten zum Wort. Sie sprachen so ideal, so unverbindlich ideell über die verschiedensten Themata, daß man wohl den Eindruck empfing, sie hätten mit der konkreten Realität eine nicht eben sehr intime Berührung.

Ich meldete mich ebenfalls zu Wort, und zwar auf einer Versammlung, auf der jedem nur drei ' Minuten Redezeit zur Verfügung gestellt wurden. Nun sprach ich auch noch deutsch, während doch zu jener Zeit diese Sprache ziemlich ausgeschlossen war. Noch ehe meine drei Minuten um waren, erklang die Schelle des Präsidenten. Ich sagte ein wenig erregt: „Nachdem man auf diesem Kongreß so viel Zelt gehabt hat für ©inen gänzlich überflüssigen Idealismus, möge man endlich doch auch ein paar Minuten hergeben für eine gesunde realistische Betrachtungsweise.“ Schon bei diesen Worten gab es großen Beifall, so daß der Präsident ein wenig verlegen wurde. Ich rief dann in den Saal hinein: „Meine Herren, die Pressefrage ist in erster Linie eine Finanzfrage!“ Darauf gab es tosenden Beifall. Man bewilligte mir sogleich zwanzig Minuten, um über diese Seite der Sache zu sprechen. Ich entwickelte die Ansicht, daß wohl alles, was an der Presse arbeite, von höchsten Idealen Ge-

Sichtspunkten ausgehen müsse, zumal bei der katholischen Presse, daß man aber auf diesem Gebiet mit dem Idealismus allein die entscheidenden Fragen nicht lösen könne. Es geht das vielleicht für eine Weile, im ersten Auftrieb einer großen Idee, aber auch hier kommt naturnotwendig das zweite Stadium, das der Erhaltung des Gewonnenen durch Organisation, durch Methode, durch einen gesunden Geschäftsgeist.

In einem großen Verlagshause konnte ich einmal mit Recht bemerken, daß auf jeder Treppenstufe, die man emporstieg, die Leiche eines um seine Honorare betrogenen kleinen Kaplans oder eines halbverhungerten Lehrers oder Schriftstellers liege, und daß ein Fluch auf dem Ganzen lasten müsse.

Die Redakteure der katholischen Presse waren schlechter bezahlt und mehr mit Arbeit belastet als die der anderen. Es steckte in diesen selbstlos arbeitenden Menschen ein herrlicher Idealismus, und sie brachten ihre Opfer gern der Religion wegen. Aber das jüngere Geschlecht war nicht immer auf der Höhe des älteren. Es wollte mehr verdienen und weniger arbeiten, es unterlag ebenfalls weithin dem materialistischer werdenden Geiste des Zeitalters.

Eine revolutionäre Haltung gegenüber der landläufigen Parteipresse nahm auch die „Rhein-Mainische Volkszeitung“ ein, ein Instrument in der Hand Dessauers, politisch auf der äußersten Linken der Zentrumspartei, sehr befreundet mit Wirth, im Weltanschauumgsteil alles andere als volkstümlich immer kokettierend mit sozialistischen und gar kommunistischen Strömungen, alles in allem ein fortschrittliches Blatt, reichlich selbstbewußt und eingebildet, aber in der letzten Auswirkung am Ende mehr zersetzend als aufbauend. Aber auch diese im ganzen der katholischen Presse sich stark differenzierenden Lebensäußerungen waren doch noch vom gesunden Blut des Organismus durchpulst, und in der Stunde der Gefahr standen sie ihren Mann.

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