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Österreichs zehnte Diözese?

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Die katholische Kirche in Österreich ist in neun Bistümer gegliedert. Aber ähnlich wie man von einem zehnten Bundesland' spricht und da-mtt die*sAuslandsäSterreicher meint, besitzt Österreich noch eine zehnte Diözese, von der nur selten gesprochen wird: es ist das sogenannte Militärvikariat. Das Bundesheer untersteht einem eigenen Ordinarius und diesem unterstehen nicht nur die Soldaten des Bundesheeres, sondern auch die Offiziere und Unteroffiziere samt deren Angehörigen, sowie die Militärspitäler. Das Militärvikariat ist eine sogenannte Personaldiözese, die sich über das Gebiet des ganzen Österreich erstreckt. Es ist somit eine räumlich sehr große Diözese und außerdem eine seelsorglich nicht einfache Diözese, da durch die relativ kurzen Dienstzeiten der einzelnen Soldaten die Diözese teilweise aus einem stark fluktuierenden Bevölkerungsteil besteht.

Der Militärvikar ist ein echter Ordinarius und soll nach dem Konkordat von 1934 die bischöfliche Würde bekleiden. Die Militärkaplane haben nach den Bestimmungen des gleichen Konkordats den Wirkungskreis von Pfarrern. Sie üben ihr Amt unter der Jurisdiktion des Militärvikars aus.

Gemäß Artikel IV 2 wird vor Ernennung eines residierenden Erz-bischofs, Bischofs oder Koadjutors mit dem Recht der Nachfolge der Apostolische Stuhl den in Aussicht Genommenen oder den für den Erzbischöflichen Stuhl von Salzburg Erwählten der österreichischen Bundesregierung mitteilen, um zu erfahren, ob die österreichische Regierung Gründe allgemein politischer Natur gegen die Ernennung geltend zu machen hat.

Im Gegensatz dazu kann die österreichische Bundesregierung bei Erledigung des Amtes des Militärvikars vor des Designation des Nachfolgers dem Heiligen Stuhl in vertraulicher Weise die eine oder andere ihm hiezu geeignet scheinende Persönlichkeit bekanntgeben. Auch die einzelnen Diözesanbischöfe legen dem Apostolischen Stuhl eine Liste bei Erledigung des Militärvikars vor. Der Vatikan ist allerdings in keiner Weise an diese Designation der Bundesregierung, wie auch an die der Bischöfe gebunden. Es steht ihm frei, sich daran zu halten oder sich nicht daran zu halten. Hält er sich nicht an die Designation, dann tritt zweifellos der Artikel IV 2 in Kraft, das heißt, dann muß der Apostolische Stuhl, bevor er einen Militärvikar ernennt, bei der Bundesregierung vertraulich anfragen, ob allgemeine politische Gründe gegen die Ernennung vorliegen.

Das österreichische Bundesheer stellt, wie schon gesagt, eine Personaldiözese dar und der Militärvikar, der nach dem Konkordat die bischöfliche Würde bekleiden soll, ist echter Ordinarius. Der einzige Schönheitsfehler dieser Diözese ist, daß der Militärvikar keinen eigenen Sitz hat, das heißt, keine Kathedralkirche, auf deren Titel er geweiht ist. Der Militärvikar, der die bischöfliche Würde besitzt, müßte in Österreich auf den Titel irgendeiner frühchristlichen, nicht mehr existierenden Diözese geweiht werden, die sich irgendwo im Orient befindet.

Diese Übung ist sicherlich gut und richtig für Nuntien und Weihbischöfe, ob sie aber auch für echte Ordinarien die richtige Lösung ist, sei dahingestellt. Im Falle des österreichischen Militärvikars umging man bisher diesen heiklen Punkt dadurch, daß einer der österreichischen Diözesan-bischöfe auch noch das Amt des Militärvikars übernahm. Vor 1938 war Bischof Dr. Pawlikowsky von Seck-au-Graz Militärvikar, nach dem zweiten Weltkrieg war es eine Zeitlang der Wiener Erzbischof Dr. Franz Kardinal König, heute ist es der Bisehof von St. Pölten, Dr. Zak.

Aber seit dem Konzil von Trient ist es in der Kirche nicht gerne gesehen, wenn ein Bischof zwei Diözesen gleichzeitig regiert und zwar als echter Ordinarius und nicht etwa die eine nur als apostolischer Administrator, wobei auch letztere Praxis in der Kirche nicht immer hundertprozentig genehm ist, wie es das Beispiel der Ernennung eines eigenen apostolischen Administrators für das Burgenland zeigt, nachdem vorher Kardinal Piffl und dann Kardinal Innitzer dieses als Administrator verwalteten.

Ein Ausweg ergäbe sich relativ leicht: durch die Erhebung einer bestimmten Kirche Österreichs zur Kathedralkirche des Militärbistums, auf deren Name dann der Militärvikar geweiht werden könnte. Welche Kirche hiefür in Frage käme, kann ebenso leicht beantwortet werden: die St.-Georgs-Kirche in der Wiener-Neustädter Akademie würde sich hiezu hervorragend eignen. Als Kardinal König Militärvikar des Bundesheeres war, hatte er ohnedies bereits seinen Thron in dieser Kirche aufgeschlagen. Wiener Neustadt ist eine alte Bischofsstadt, tatsächlich genauso alt wie Wien. Unter Kaiser Josef wurde das Bistum nach Sankt Pölten verlegt. Aber die Erinnerung, daß Wiener Neustadt eine Bischofsstadt war, ist bis heute lebendig geblieben. Als der Grazer Bischof Dr. Schoiswohl resignierte, bemühte sich die Wiener-Neustädter (rote) Stadtverwaltung darum, daß der resignierte Bischof von Graz bei ihr seinen Wohnsitz aufschlage. Ihre Bemühungen hatten Erfolg und Wiener Neustadt kann somit den Ruhm für sich beanspruchen, daß es zwar nicht mehr eine Bischofsstadt ist, aber doch einen Erzbischof — diesen Rang erhielt Dr. Schoiswohl nach seiner Resignation — in ihren Mauern beherbergt.

Wiener Neustadt hat aber nicht nur eine bischöfliche Tradition, sondern auch eine große militärische Tradition. Seit mehr als 200 Jahren befindet sich in ihren Mauern die weltberühmte Theresianische Mili-akademie. Was läge näher, als die schöne gotische Georgs-Kirche dieser

Akademie, in der Kaiser Maximilian, der „letzte Ritter“, begraben liegt, zur Bischofskirche des Militärvika-riats zu erheben? Das Konkordat von 1934 schreibt zwar vor, daß jede Änderung der bisher bestehenden Kirchenprovinzen nur “in Vereinbarung mit dem Staat vorgenommen werden kann. Aber es ist fraglich, ob diese Bestimmung in dem vorliegenden Fall Anwendung finden müßte. Denn das Militärvikariat existiert ja bereits und es würde somit keine Änderung im derzeitigen Stand der Diözesen eintreten. Der Heilige Stuhl könnte somit sicherlich von sich aus ohne Rückfrage den Sitz dieses Bistums bestimmen.

Der Zeitpunkt für die Ernennung eines eigenen Militärvikars, der ausschließlich sich um die Seelsorge und die Jurisdiktion des Bundesheeres zu kümmern hätte und nicht auch um eine eigene Diözese, wäre nicht ungünstig. Denn es ist mehr als fraglich, ob die derzeitige sozialistische Bundesregierung von dem Designationsrecht Gebrauch machen würde. Sie läuft einerseits Gefahr, daß der Vatikan von seinem Recht Gebrauch macht und diese Designation nicht zur Kenntnis nimmt, und läuft anderseits aber auch Gefahr, daß der von ihr nominierte Kandidat, falls der Vatikan sich an die Designation hält, als „sozialistisches Protektionskind“ gezeichnet ist. So wäre die Zeit gekommen, auch dieses kirchliche Problem Österreichs endgültig zu lösen.

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