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Verbot des Früheren war nicht intendiert

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Die Erklärung Papst 'Johannes Pauls II. über die Vielfalt der Riten, die in ihren Traditionen ihren Beitrag zum Ganzen zu leisten hätten, läßt auch jene Gläubigen neue Hoffnung schöpfen, die auf eine Wiederzulassung der „Tridenti-nischen“ Messe hoffen. Die FURCHE zitiert - leicht gekürzt - die Zusammenfassung einer Dokumentation, mit der Univ.-Prof. Wolfgang Waldstein, Salzburg, diesen Wunsch an die österreichische Bischofskonferenz richtet.

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Die Erklärung Papst 'Johannes Pauls II. über die Vielfalt der Riten, die in ihren Traditionen ihren Beitrag zum Ganzen zu leisten hätten, läßt auch jene Gläubigen neue Hoffnung schöpfen, die auf eine Wiederzulassung der „Tridenti-nischen“ Messe hoffen. Die FURCHE zitiert - leicht gekürzt - die Zusammenfassung einer Dokumentation, mit der Univ.-Prof. Wolfgang Waldstein, Salzburg, diesen Wunsch an die österreichische Bischofskonferenz richtet.

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Die heutige Gesamtlage der Kirche, die sich in verschiedener Hinsicht auch auf die konkrete Gestaltung der Liturgiereform ausgewirkt hat, läßt es nicht zu, die mit der Liturgiereform zusammenhängenden Fragen allein nach dem formalen Gesichtspunkt der - völlig unbestrittenen - Zuständigkeit der kirchlichen Autorität zu beurteilen. Konzilsväter und Periti haben zudem bestätigt, was sich auch aus den Konzilsakten ergibt, daß die tatsächliche Schaffung eines durchaus neuen Missale (wenn auch aus altem Material) in Verbindung „mit einem der kirchlichen Rechts- und Liturgiegeschichte durchaus fremden Typen von Verbot des Bisherigen“ vom Konzil „nicht intendiert war“. Bei voller Anerkennung der Rechtmäßigkeit des neuen

„... im auffallenden Widerspruch zu der vom Konzil intendierten Vielfalt der Möglichkeiten ...“

Missale ist daher zu prüfen, ob die praktisch vollständige Beseitigung des früheren Missale den inhaltlichen Anforderungen an ein kirchliches Gesetz entspricht.

Das Beispiel Christi selbst und der Apostel zeigt zunächst, wie besonders Kardinal Newman dargetan hat, daß ein solcher Vorgang in der Tat ein „der kirchlichen Rechts- und Liturgiegeschichte durchaus“ fremder „Typus von Verbot des Bisherigen“ ist. Ferner zeigt die Erfahrung des russischen Ritenstreites, wie verhängnisvolle Auswirkungen solche Vorgangsweisen haben können, für die zudem keinerlei sachliche Notwendigkeit spricht. Sie stehen vielmehr im auffallenden Widerspruch zu der gerade vom Konzil intendierten Vielfalt der Möglichkeiten in der Anpassung an pastorale Erfordernisse. Aus alledem ergibt sich, daß die Bitte um die weitere Zulassung auch des früheren Missale gewichtige, durchaus in kirchlicher Lehre und Tradition liegende Gründe für sich hat. Wir sind daher mehr denn je davon überzeugt, daß wir unserer vom Konzil bekräftigten Verpflichtung entsprechen, unsere „Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, zu erklären“ (LG 37), wenn wir uns dafür einsetzen, daß der traditionswidrige Verbotstypus revidiert und damit die Entwicklung wieder begradigt wird ...

Als konkrete Möglichkeiten zur Lösung der Probleme bieten sich folgende Wege an:

1. Wie dargetan werden konnte, sind die Bischöfe ohne Zweifel befugt, im Einzelfall auf dem Wege der Dispens Abhilfe zu schaffen. Die österreichische Bischofskonferenz (ÖBK) könnte sicher nicht in Gestalt einer generellen Norm eine Erlaubnis erteilen; sie könnte aber zweifellos ihre Wohlmeinung dahin ausdrük-ken, daß die Bischöfe Österreichs durch den Gebrauch ihrer Dispensbefugnis zunächst - bis eine generelle Regelung gefunden wird - dem vorgetragenen Anliegen entgegenkommen.

2____Das Konzil hatte ohne Zweifel

eine organische Entwicklung im Sinn der ganzen bisherigen liturgischen Tradition im Auge, nicht aber eine Ersetzung der bisherigen Liturgie durch eine faktisch neue ... Daher stellt sich das Verhältnis zur bisherigen Liturgie anders, als es von den Konzilsvätern überhaupt gesehen werden konnte ...

Wenn aber die Bischöfe dies nicht für möglich halten, könnte an sich, wenn sich die ÖBK des Anliegens verständnisvoll und wohlwollend annehmen wollte,... eine Anpassung im Sinne unserer Eingabe vorgesehen, „dem Apostolischen Stuhl vorgelegt und dann mit dessen Einverständnis eingeführt werden“.

Wir verkennen freilich nicht, daß die Voraussetzungen für die Beschreitung dieses Weges zur Zeit wohl in keiner Hinsicht gegeben

„Es gäbe dann tatsächlich nur mehr ein Missale Romanum, das wirklich alles enthielte, das Bisherige und das Neue.“

sind. Aber die Kirche lebt ja nicht nur heute. In Rußland etwa hat es drei Jahrhunderte gedauert, bis es zu einem Einlenken im Ritenstreit gekommen ist...“

3. Schließlich hat sich gezeigt, daß sich im Zusammenhang mit der Liturgiereform noch ein weiterer Schritt anbietet, der besonders durch das Beispiel der Ostkirche nahegelegt wird. Die Schaffung einer faktisch neuen Liturgie stellt ohne Zweifel auch die katholische Kirche vor die Frage, ob es nun nicht angebracht wäre, ebenso wie in der Ostkirche die frühere Liturgie neben der neuen zur Wahl zu stellen. Das könnte dadurch erreicht werden, daß außer dem römischen Kanon auch alle anderen Teile des früheren Ordo Missae im Rahmen der vielfältigen Wahlmöglichkeiten in eine neue „editio typi-ca“ wieder aufgenommen werden.

Damit wäre jeder Auseinandersetzung über das Missale Pius' V. einerseits und Pauls VI. anderseits der Boden entzogen. Es gäbe dann tatsächlich nur mehr ein Missale Romanum, das wirklich alles enthielte, das Bisherige wie das Neue. Dann wäre auch die Einheit in der Liturgie unter Wahrung der vom Konzil eröffneten Möglichkeiten der Vielfalt wirklich wieder hergestellt.

Wenn sich die ÖBK zu einer Initiative in dieser Richtung entschließen könnte, würde sie ohne Zweifel das historische Verdienst für sich gewinnen, zu einem echten Rechtsfrieden in der Kirche in dem so lebenswichtigen Bereich der Liturgie beigetragen zu haben...

Aus: Hirtensorge und Liturgiereform. Von WOLFGANG WALDSTEIN. Verlag Stiftung Lumengen-tium, Schaan, FL. S. 150-154.

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