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Wie ich illustriere
Im Jahr der Frau soll auch die kleine Zeichnerin einmal den Mund auftun, so dachte vielleicht der Kulturredakteur der FURCHE, als er mich einlud, über mich und meine Arbeit etwas zu schreiben. Und so geschieht es denn.
Die Graphologen beweisen für
die Schrift, daß sie unseren Charakter offenbart. Und was sagen unsere Zeichnungen über uns? Ich glaube, sie sagen die Wahrheit. Nur mit dem Mund kann man lügen, nicht mit Kunstwerken, so klein sie auch sind. Versuch's einer, sich zeichnend zu vergrößern, sich gescheiter, talentierter erscheinen zu lassen: man wird es unweigerlich merken. Freilich: es gibt glückliche Stunden und elende, es gibt Erstarrung und Lockerung. Denn alles muß locker sein beim Zeichnen, sonst wird nichts draus. Die
ehemalige Haushälterin Kubins, die heute das Kubin-Museum im aberösterreichischen Zwickledt betreut, erzählt von den fieberzuckenden Händen des Meisters beim Zeichnen. Aber nicht nur für das Genie ist wahr und richtig, was Goethe sagt mit seinem Spruch, der so recht für Zeichner gemeint und erdacht erscheint:
Übe.dich nur Tag für Tag
Undüu wirst sehn, was das vermag
Nach und nach kommt der Verstand
Unmittelbar dir in die Hand.
Es fing früh an bei mir mit dem Zeichnen. Als ich beim Ausfüllen eines Rohracher-Tests auffiel, war ich gerade vier Jahre alt. Doch damals machte meine musikalische Anlage noch der zeichnerischen Konkurrenz: ich sang mit fünf ein Pfitzner-Lted und spielte mit sieben, als Mo-l zart kostümiert, vor Publikum eine Mozart-JSonate. Noch als Schülerin des Lycee fran?äis war ich zwei Jahre an der Musikakademie bei Professor Lauda. Da auch hoch Theaterspielen und Tanz (Schule Schrefel) dazukam, wird es wohl als Merkmal überwiegend zeichnerischer Veranlagung gedeutet werden dürfen, daß sich mit dreizehn plötzlich mein Zeichendrang in etwa fünfzig Bildern entlud, die ich in kürzester Zeit, und natürlich ohne Rücksicht auf die Schule, aus mir herauswarf. Gleich darauf gewann ich auch noch den ersten Preis eines Plakatwettbewerbs
der „Air France“ — und eine Flugreise nach Paris.
Seitdem ist mir Siegen und Gewinnen schwer, ja, unmöglich geworden: durch die übermächtige Konkurrenz, der ich als Bühnen- und Kostümbildnerm ausgesetzt bin. Nach dem Abitur am Lycee habe ich an der Akademie der bildenden Künste vier Jahre die Meisterklasse für Bühnen- und KostümbiWnerei besucht, bei Kondrak (Nachfolger Caspar Nehers), bei Wotruba und Egg gelernt, und wurde dann mit dem Diplom und einem Preis entlassen. Praktische Arbeit an einigen Wiener Kleinbührien während der Studienzeit bereitete mich recht gut auf mein erstes Fixengagement am Landestheater
Mein erster Buchumschlag (sehr bunt, hier leider nur in schwarz-weiß) für ein demnächst im Verlag Leitner erscheinendes neuartiges Lehr- und Arbeitsbuch von Professor Karl Schnitzer.
Innsbruck vor.. Als Ausstattungs-leitertn wurde ich dann zwei Jahre ans Landestheater Coburg verpflichtet, und zwischendurch riefen mich interessante Aufgaben nach Bratislava und Amsterdam. Bis heute sind etwa 50 Stücke (Schauspiel, Oper, Operette, Musical) durch meine Hände gegangen, ehe sie auf den Brettern zu sehen waren, die allabendlich, an vielen hundert Bühnen in vielen Ländern, die Realität des Alltags für einige Stunden „auf-heben“ oder eliminieren. — In letzter Zeit habe ich — nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen, aber auch aus Interesse an der Aufgabe — moderne Boutiquen und Villen eingerichtet und gestaltet.
Meine Verbindung mit der FURCHE kam eines Tages zustande, als ich meinen Vater in die Strozzigasse begleitete. Wir kamen im richtigen Augenblick, denn der Kulturredakteur Doktor Fiechtner war eben dabei, die Osterbeilage fertig zu machen, suchte aber noch nach einem Ostergedicht. Ein solches hatte mein Vater verfaßt, und ich legte eine Illustration bei, die gefiel und auch gedruckt wurde. Professor Fiechtner fragte, ob ich auch Geschichten illustrieren könne — und das versuchte ich dann auch.
Mehr als zehn Jahre sind seither vergangen; die FURCHE hat seitdem ihr äußeres Gesicht verändert. Mir aber wurde das Lesen und Illustrieren der „Fahnen“ (Abzüge der bereits gesetzten Texte) von Erzählungen oder anderer Prosa, zur liebsten Beschäftigung, von der ich hoffe, sie werde auch weiterhin mein Leben begleiten.
Weiß man als Zeichner zu sa-
gen, wann der Funke von der Erzählung überspringt auf die Hand? Oft steht blitzartig das fertige Bild vor meinen Augen. Oft enthebt einem die Anregung des Kulturredakteurs eigener Initiative. Eines aber gilt immer: Alles hängt ab vom Strich. Er „trägt“ die Stimmung. Man erfindet ihn nicht, ohne ihn kann man nichts zeichnen. Oft hat man den Abzug nur einen Tag in Händen: man ist vielleicht nicht in Form. Ein eisernes Muß wirkt erzieherisch, und auch das möchte ich nicht mehr missen.
Manchmal kommt mir beim Lesen der FURCHE der Gedanke, ob nicht auch politische Artikel illustrierbar wären. Allenfalls durch Karikaturen — ein Gebiet, das sehr viel Übung erfordert. — Mein großer Wunsch aber wäre, einmal ein ganzes Buch mit Erzählungen oder einen Roman zu illustrieren. Leider habe ich bisher noch keinen Auftrag erhalten.
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