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Husäks Kronprinzen

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Noch unter Parteisekretär Alexander Dubček hat sich ein Mann in der Parteihierarchie der KPTsch nach vorne geschoben, der dann bei der Sekretariatsübemahme durch Doktor Gustav Husäk sehr bald als dessen „Kronprinz“ galt: Lubomir

Strougal. Der heute 45jährige steht für einen Politiker im besten Alter (er ist zusätzlich noch drei Jahre jünger als Dubček), hat die Ära Novotny-Dubäek-Husäk nicht nur gut, sondern jeweils in prominenten Positionen überstanden, galt jeweils als Reformer, Realist und (nunmehr) als Orthodoxer, sitzt nicht nur in den höchsten Parteigremien, sondern ist durch drei Positionen sozusagen nominierter und herausgestellter Kronprinz: als ZK-Sekretär der KPTsch der für die Leitung der KP der böhmischen Länder beauftragte Mann; als er für die Vertretung des 1. Sekretärs des ZK der KPTsch (Husäk) Verantwortliche — eine Position, die es übrigens auf Grund der Statuten gar nicht gibt; schließlich Vorsitzender des Staatsverteidigungsrates für die böhmischen Länder und Stellvertretender Bundesvorsitzender des Staatsverteidigungsrates — und Hu- säks Stellvertreter.

Sein eigentlicher Sprang zur Macht erfolgte nach dem August 1968: Strougal wird Mitglied der Parteiexekutive, Mitglied des Parteipräsidiums und nach der Föderalisierung der Tschechoslowakei, nachdem die KPTsch diese Föderalisierung im vollen Umfang nicht mitmachen darf, erster Vorsitzender des „Büros des ZK der KPTsch für die Lenkung der Parteiarbeit in den tschechischen Ländern“, also des tschechischen Parteibüros.

Trotzdem gesellte sich neben Strougal ein Mann, der einen fast noch kometenhafteren Aufstieg erlebte — und zwar gerade zur selben Zeit, als die meisten Exponenten des „Prager Frühlings“ stürzten, der allerdings gegenüber Strougal den kleinen Nachteil hat, daß er um 4 Jahre älter ist: Josef Kempny.

Ähnlich wie Strougal Tscheche, gehört er der jüngeren KP-Intelligenz an, ist allerdings nicht Jurist wie Strougal, sondern Baumeister und Professor der Technischen Hoch-

schule; er ist darüber hinaus Mährer — in vielen Augen ein Vorteil.

Das Jahr 1969 bringt für Kempn ein unerwartet schnelles Vordringen in die Spitzengruppe, und zwar auf breiter Front: erst am 27. September 1969 wird er — elf Jahre nach Strougal! — Mitglied des ZK der KPTsch, am selben Tag Mitglied des Parteipräsidiums als Nachfolger Dubčeks, zwei Tage später Ministerpräsident der tschechischen Regierung und am selben Tag Stellvertretender Ministerpräsident der Bundesregierung Cernik. Damit hat sich Kempny innerhalb weniger Tage in Machtpositionen geschoben, für die Strougal immerhin elf Jahre brauchte. An Machtpositionen und Ämterballungen stehen beide, Strougal und Kempny, nun völlig gleichwertig nebeneitiähdef: štrcįuįjal ist "'aus- schliefilich im ParteigMbe8 — W allerdings sehr stark — verankert, Kempny vor allem im Staatsapparat, in der Exekutive wie In der Legislative mit starken Querverbindungen zur Parteispitze. All dies ist ohne das Zutun Husäks, vermutlich auch ohne seine Initiative, kaum möglich gewesen. Es zeigt wieder einmal den geschickten Taktiker Husäk, der nun zwei Kronprinzen hinter sich stehen hat, zwei Tschechen, nachdem er und sein Vorgänger Dubček Slowaken sind, zudem Männer, die um sieben und um 11 Jahre jünger sind als er selbst, deren mögliche Rivalität vermutlich auch noch das Ihre dazu beitragen wird, daß die Position Husäks bis auf weiteres kaum gefährdet erscheint.

Ganz anders ist jedoch die Situation für den Fall, daß man für den altgewordenen Staatspräsidenten Svoboda einen Nachfolger braucht. Dann könnte es wohl sein, daß sich Husäk auf die Prager Burg zurückzieht; er stünde dann In einem Alter, das vermutlich von der Sechzigergrenze nicht allzuweit entfernt liegen wird und wäre — was für die neue Föderation nicht übel und optisch zweckmäßig wäre — der erste Slowake auf dem Präsidentenstuhl. Dann wäre Strougal der gewachsene Parteichef und Kempny der Mann an der Spitze der Regierung.

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